Text: Roland Stimpel
Die schlechte Nachricht zum klimagerechten Bauen heißt: Es wird immer komplizierter. Die gute Nachricht ist fast gleich: Es wird immer differenzierter. Gesetze, Vorschriften und Normen ändern und erweitern sich laufend. Aber es gibt auch eine immer breitere Basis aus Praxiserfahrungen, auf der ihre Macher aufbauen können. Und darum wird das Regel- und Förderwerk, wenn es gut geht, demnächst wirklichkeitsnäher. Das kündigten Politiker und Sprecher der KfW-Förderbank auf dem gemeinsamen Energiekongress an, den die Bundesarchitektenkammer und die KfW am 21. April veranstalteten.
Das staatliche Ziel aller Modernisierung nannte Rainer Baake, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, das in Berlin die Energiewende managt: „Den Großverbrauch fossiler Energien darf es im Jahr 2050 nicht mehr geben.“ Baake gibt sich optimistisch: „Ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand ist erreichbar.“ Auch wenn seit 2006 mit 4,2 Millionen nur ein Zehntel aller Wohnungen energetisch saniert wurde und derzeit jährlich nur ein Prozent aller Gebäude drankommt – viel zu wenig, um bis 2050 alle zu schaffen. Um den Satz zu erhöhen, will die Bundesregierung jetzt ein Gesetzesknäuel entwirren und sinnvoll neu ordnen: „Wir werden die EnEV und das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG in einem Gesetz zusammenfassen. Die Einführung des Niedrigenergie-Gebäudestandards ist ein zentrales Element der Gesetzesnovelle. 2021 soll er für Wohngebäude verpflichtend sein, für andere Gebäude im Besitz der öffentlichen Hand schon 2019.“
Aber auch im Wirtschaftsministerium ist man sich des Spannungsverhältnisses zwischen Dämmung und Ansehnlichkeit von Häusern inzwischen bewusst: „Einen wirklichen Durchbruch gibt es nur, wenn es uns gelingt, das energetisch Sinnvolle mit dem ästhetisch Ansprechenden zu verbinden.“
Auch Bundesarchitektenkammer-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann verknüpft beide Welten: „Mit der KfW und uns Architekten begegnen sich zwei wichtige Partner – die einen finanzieren, die anderen gestalten. Das muss gleichsinnig geschehen. Mehr noch: Energiewende und Baukultur können und müssen einander gegenseitig stärken.“ Dabei dürfe selbstverständlich nicht „Dämmtechnik das Gebäude dominieren“ und der Landschaftsraum dürfe nicht zur „puren Energiefabrik“ verkommen. Sie begrüßt das von Baake präsentierte Gesetzesprojekt: „Es ist gut, dass es ein abgestimmtes Energie-Einsparrecht geben wird. In diesem und in anderen Gebieten ist der Dschungel an Vorschriften heute kaum noch durchschaubar.“ Natürlich müsse die künftige Förderung „an die Einhaltung baukultureller Standards“ gebunden sein. Grundsätzlich fordert Ettinger-Brinckmann, „die Energiewende immer im Kontext mit der Baukultur zu betrachten und zu betreiben“.
Diesen Kontext sieht auch Ingrid Hengster. Als Vorstandsmitglied der KfW-Förderbank bewegt sie den wichtigsten Hebel, mit dem die Regierung die Energiewende voranbringen will. „Wir sind heute der größte Finanzierer der deutschen Energiewende. Dafür stellen wir jährlich 20 Milliarden Euro bereit.“ Aber Geld allein reiche nicht. Hengster sprach die Architekten auf dem Berliner Kongress direkt an: „Nur mit Ihnen kann die angestrebte CO2-Sanierung erreicht werden.“ Und sie verwies dazu auf die „systematische Zusammenarbeit zwischen Bundesarchitektenkammer und KfW“ mit gemeinsamen Veranstaltungen im ganzen Land seit 2012. Hier erhalten Architekten KfW-Informationen – und die staatliche Bank will von ihren Kenntnissen und Sichtweisen profitieren.
Vor dem Hintergrund erfolgreicher Praxis hat die KfW jetzt am schwachen Ende ihre Förderung abgeschnitten, um am ehrgeizigen Ende umso mehr zu geben: Der KfW-70-Standard ist abgeschafft, da er mittlerweile dem gesetzlichen Niveau entspricht und darum keine Förderanreize mehr braucht. Neu ist die Unterstützung für besonders Ambitioniertes: „Seit April fördern wir das Energieeffizienzhaus 40 plus, das seinen Bedarf selbst deckt und Energie auch speichern kann.“ Die Konditionen dafür sind verbessert: Es gibt bis zu 100.000 Euro Darlehen statt wie bisher 50.000 Euro. Und die Zinsen lassen sich auf dem niedrigen Niveau von heute zwanzig Jahre lang festschreiben. Außerdem gibt es auch für Gewerbebauten Tilgungszuschüsse, wie sie bisher schon für Wohnbauten gewährt wurden. Hier sieht Hengster Vereinfachung im positiven Sinn: „Die Förderkulisse ist vereinfacht und damit deutlich übersichtlicher geworden.“
KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner bilanziert auf der einen Seite die Erfolge: „Der jährliche CO-Ausstoß in Deutschland ist seit 1990 von 1.250 Millionen auf 900 Millionen Tonnen gefallen. Das zeigt: Wirtschaftliches Wachstum, sinkender Energieverbrauch und weniger Emissionen sind zugleich möglich.“ Auf der anderen Seite sieht er noch großen Bedarf: „Zwei Drittel der Wohnhäuser sind von vor 1978 – und die meisten davon haben noch gar keine Dämmung. Da gibt es ein riesiges Einsparpotenzial, das wir derzeit nur sehr verhalten erschließen.“ Zeuners Resümee: „Wir sind bei der Wende im Stromverbrauch schon weit gekommen. Was wir jetzt brauchen, ist eine Wärmewende.“
Wo es da aus Sicht der Eigentümer hakt, artikuliert Axel Gedaschko, Präsident des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft, dem vor allem kommunale und große Privatunternehmen angehören: „Die Regierung agiert widersprüchlich. Das Wirtschaftsministerium gibt Gas – Biogas sozusagen –, während aus dem Justizministerium ein Gesetzentwurf kommt, laut dem weniger Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden können.“ Aber auch sonst warnt er vor zu viel Optimismus: „Eine energetische Modernisierung ist für Unternehmen nicht zu jeder Zeit interessant – sondern vor allem dann, wenn ohnehin ein Investitionszyklus ansteht.“
Und während die meist großen Mitglieder von Gedaschkos Verband wenigstens das Know-how haben oder kaufen können, gibt es für Einzelhausbesitzer hier besondere Probleme – so Kai H. Warnecke, Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbands Haus & Grund Deutschland: „Viele Eigentümer sind mit der Komplexität von technischen, steuerlichen und gesetzlichen Regeln schlicht überfordert. Sie können sie gar nicht durchschauen – und tun darum lieber gar nichts.“ Oder das Falsche, wie sein Kollege Manfred Stather vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima verrät: „Wegen der niedrigen Energiepreise und wegen der nicht passenden Förderung der Energiewende im privaten Wohnbereich haben wir derzeit die höchsten Steigerungsraten nicht bei den erneuerbaren Energien, sondern bei der Ölheizung.“
Dass künftig besser subventioniert und geregelt werden soll, verspricht KfW-Direktor Detlev Kalischer: „Mit der herkömmlichen Förderung und EnEV-Verschärfung werden wir 2017 den Grenznutzen erreicht haben. Wir müssen über andere Themen nachdenken und vor allem den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachten.“ Mit anderen Worten: Gefördert und gefordert werden soll künftig nicht allein nach dem tatsächlichen oder angenommenen Energieverbrauch, sondern nach einer ganzheitlichen Betrachtung des Hauses von der Erstellung über seine möglichst lange Lebensdauer bis zum Abriss und Materialrecycling. Das begrüßt Architektenkammer-Präsidentin Ettinger-Brinckmann als „einen Schritt auf dem Weg zur Synthese von Baukultur und Energiepolitik“.
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