Von Cornelia Dörries
Werner Wendisch weiß, wie wichtig die Handwerker für das Gelingen eines anspruchsvollen Bauvorhabens sind. Der Chemnitzer Architekt wurde 1998 in seiner Heimatstadt mit der Restaurierung der berühmten Villa Esche von Henry van de Velde beauftragt. Der Jugendstilbau aus dem Jahr 1903 hatte zwar den Zweiten Weltkrieg überstanden, doch er litt in den Jahrzehnten danach unter einer systematischen, für die DDR typischen Vernachlässigung und war zu Beginn der Sanierungsarbeiten halb verfallen. Werner Wendisch stand vor der Aufgabe, das Haus anhand von lückenhaften Plänen, Schwarzweiß-Fotos und wenigen, aus der Entstehungszeit geretteten Details denkmalgerecht wiederherzustellen. Schnell war klar, dass die Rekonstruktion bestimmter Elemente ein Höchstmaß an handwerklicher Fertigkeit erforderte – die Vergabe der öffentlichen Fördermittel für die Arbeiten jedoch nach den Preisen der eingereichten Angebote entschieden würde. „Die Ausschreibungsmodalitäten sind für Architekten ein Dilemma“, sagt Werner Wendisch. „ Ich musste die Vergabekommission jedenfalls mühsam davon überzeugen, dass nur ganz bestimmte Handwerksbetriebe in der Lage sind, die Aufgabe angemessen zu erfüllen.“
Er setzte ein aufwendiges Ausschreibungsverfahren durch, bei dem alle Anbieter zu einem Baustellenbesuch verpflichtet wurden: Sie sollten sich persönlich ein Bild von den anstehenden Herausforderungen – und dem auf sächsisch-sympathische Art unerbittlichen Architekten – machen. Und Wendisch und sein Team nahmen jeden Betrieb vor Ort in Augenschein. „Ein Parkettleger hatte in seinem Angebot zwölf Fachkräfte angegeben. Als wir dann bei ihm auftauchten, stellte sich heraus, dass er auch angelernte Arbeiter und sogar die Putzfrau dazugezählt hatte.“
Wer kennt noch die Kammzugmalerei?
Wendisch scheute keine Mühe, um auch den richtigen Betrieb für die Wiederherstellung der historischen Wandbemalung zu finden. Man hatte bei der Sicherung des Bestands einen letzten Rest der ursprünglichen Gestaltung gefunden, die auf Fotos wie Stofftapete aussah, sich in Wirklichkeit jedoch als Kammzugmalerei erwies – eine Technik, bei der über die frisch aufgetragene Farbe eine Art Kamm gezogen wird, sodass lange, gerade Linien entstehen. Die Denkmalpfleger pochten auf eine originalgetreue Rekonstruktion. Doch welcher moderne Malerbetrieb beherrschte noch solche alten Techniken? Keiner. Die Chemnitzer Raum + Schrift Maler GmbH erklärte sich bereit, junge Gesellen zur Verfügung zu stellen, die tagelang an einer Art Trainingswand übten –bis Architekt und Konservatoren zufrieden waren.
Ähnlich musste Wendisch auch bei der Vergabe des Auftrags für den Außenputz verfahren, bei dem van de Velde damals verschiedene Techniken angewendet hatte, die leider nicht ausgereift waren. In den Rillen des horizontalen Rutenputzes hatte sich Wasser gestaut und schon wenige Jahre nach Fertigstellung zu ernsten Schäden an der Fassade geführt. Diesen Fehler wollte Wendisch bei aller denkmalpflegerischen Disziplin nicht noch einmal begehen. Er forschte zusammen mit Bauchemikern, Technikern und den Handwerksmeistern der Chemnitzer Firma Wächtler Bau nach einer Möglichkeit, das ursprüngliche Erscheinungsbild wiederherzustellen und gleichzeitig für eine technisch optimale Umsetzung zu sorgen. Die Putzer mussten an einer Wand der rückwärtigen Remise unter Anleitung eines Restaurators trainieren, bis der Strich sicher saß; dann durften sie an die Hausfassade.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Und Werner Wendisch könnte noch viel mehr erzählen über seine Erlebnisse mit Handwerksbetrieben, die ihn in seiner Auffassung bestärkt haben, sich als Architekt energisch für Qualität einzusetzen. Doch lässt sich solch ein Aufwand wie bei der mit öffentlichem Geld geförderten Rekonstruktion der Villa Esche auch bei Projekten betreiben, in denen knapper kalkuliert wird? Wendisch ist sicher: „Der finanzielle Aufwand für die gründliche Auswahl eines Handwerksbetriebs ist überschaubar. Und Qualität zahlt sich am Ende immer aus.“ Er hat jedenfalls noch nie etwas anderes erlebt.
Bauherren sparen an der falschen Stelle
Die Berliner Architektin Johanne Nalbach winkt ab. Mit guten Handwerkern zusammenarbeiten zu dürfen, die wirklich etwas können und mit ihrer Meisterehre für die gelungene Umsetzung einer Planung einstehen – davon könne man als Architekt in diesen Zeiten nur noch träumen. Aber nicht, weil es etwa keine fähigen Tischler, Klempner oder Maler mehr gäbe. Nalbach beklagt vielmehr die Strukturen, die oft verhindern, dass aus einem guten Entwurf auch gute Architektur wird. Da werden vom Bauherrn oder Generalunternehmer selbst für anspruchsvollste Arbeiten ausschließlich die billigsten Handwerksbetriebe beauftragt. Ob tatsächlich genug Erfahrung und fachliche Kompetenz vorhanden sind, um die Entwürfe im Sinne des Architekten zu realisieren, ist dabei nebensächlich. Die Planer selbst werden bei der Auswahl der Handwerker nur noch höchst selten hinzugezogen; bei größeren Projekten eigentlich gar nicht mehr. Einspruch? Sinnlos. „Der Architekt steht auf verlorenem Posten“, so Johanne Nalbach, „auch wenn spätestens auf der Baustelle klar wird, dass der Billig-Handwerker Mist baut.“
Wer wüsste besser als sie, wie sehr die Qualität eines Gebäudes von dem Geschick und manchmal auch der Kunstfertigkeit von Handwerkern abhängt? Sie führt zusammen mit ihrem Mann Gernot Nalbach seit 1975 ein Büro und hat nahezu alles geplant – von großen Projekten für öffentliche Institutionen über Luxushotels bis hin zu Einfamilienhäusern und Möbeln. Dabei kümmert sie sich, wie sie selbst sagt, am liebsten „um die haptische Seite“ der gemeinsamen Entwürfe – also um Materialien, Farben, Stoffe und Oberflächen: die sinnlichen Details, an denen sich die Qualität der Architektur auch für die späteren Nutzer bemisst.
An der Schnittstelle zwischen Planung und Ausführung sieht sie nicht nur den Bauleiter und die Handwerksmeister in der Verantwortung, sondern auch die Architekten. „Als Planerin bin ich für die Präzision bei den Zeichnungen und Plänen zuständig; ich muss jedoch wissen, was tatsächlich umsetzbar ist.“ Berufserfahrung ist wichtig, aber auch Vertrauen in die Fertigkeiten der betrauten Handwerksbetriebe.
Bei Projekten mit größerer Anonymität gibt es oft weder Zeit noch Geld für die Suche nach geeigneten Betrieben. Doch natürlich hat auch Johanne Nalbach gute Erfahrungen gemacht – etwa bei ihrem Entwurf für das Berliner Edelrestaurant „Margaux“, einer klassischen Raumkomposition aus schwarzem Marmor, Kirschholz und Natursteinoberflächen aus Onyx. Sogar Blattgold fand Verwendung. Wer solche kostbaren Materialien in die Hände von Billig-Anbietern legt, zahlt am Ende wahrscheinlich drauf. Was in diesem Fall auch der Bauherr verstand – und deshalb Handwerker beauftragte, deren Können den kostbaren Materialien angemessen war. Am liebsten sind Johanne Nalbach Projekte, bei denen sie bis zur Abnahme immer vor Ort ist und ein Gefühl dafür entwickeln kann, was auf der Baustelle passiert. Denn ihre schönsten Gebäude sind entstanden, wenn zwischen ihr und den Handwerkern Einverständnis über das gemeinsame Werk herrschte. „Es geht ja dann nicht um das Können“, sagt sie. „Die Chemie muss stimmen.“
Vortrefflicher Artikel !