Von Roland Stimpel
Außen an der neuen Stuttgarter Stadtbibliothek sieht man ein paar Hundert gleiche Rechtecke. Drinnen sieht man wohl ein paar Hundert Werke der philosophischen Oberschwaben Hegel und Heidegger. Die hat sich offenbar der Autor des örtlichen Blogs „german architects“ eingeschenkt, bevor er wie folgt vergeistigte: „Die klare Ordnung der Bibliothek negiert (scheinbar) Veränderung und macht so die Veränderung ihrer Umgebung sichtbar. Sie wirkt aber auch selbst verändernd – und hier nistet sich das Eigensinnige ein.“ Was nistet da? Bevor unser Blogphilosoph das verrät, kommt erst noch mal Eigensinn, dann aber der gurrende Absturz in den Alltag: „Die Idee des Gebäudes und seine Realität führen nämlich nicht nur zueinander kongruente Leben. Die offenen Fassadenfelder werden durch Netze vor Tauben geschützt werden müssen.“
Glückliches Stuttgart! Erstens mit solchen Kritikern. Zweitens, wenn seiner Bibliothek weiter nichts fehlt. Jüngere Medientempel folgen ja sonst gern dem Motto „form ignores function“. Unübertroffen ist Dominique Perraults Pariser Nationalbibliothek, die die lichtempfindlichen Bücher in Glastürmen stapelt, Leser und Angestellte dagegen im Keller vergräbt. Das macht zwar Norman Foster in Berlin nicht; bei ihm sitzt man unterm Glasdach. Dafür hört in der offenen Struktur jeder im Haus jeden anderen. Innen offen ist auch Berlins Universitätsbibliothek von Max Dudler. Und sie meldet auf ihrer Website: „Lautstärke stellt ein Problem dar, von dem Nutzer und Mitarbeiter tagtäglich betroffen sind.“ Neulich fand hier ein „Aktionstag gegen den Lärm“ statt.