Bauwütig: Roland Stimpel
Egal ob auf rote, schwarze oder grüne Art: Berlin klebt an seiner Vergangenheit. Wer da beim Bauen nach vorn gucken will, hat schlechte Karten. Diese triste Erfahrung macht gerade ein Projekt auf der zentralen Fischerinsel, nahe dem äußerlich rechts-gestrigen neuen Schloss und der links-gestrig bewahrten Großsteppe unterm Fernsehturm.
Dabei sah es so aus, als könnte man es allen recht machen: Die städtische Wohnungsgesellschaft WBM lobte einen Wettbewerb aus; die Jury empfahl einstimmig den Entwurf des Büros DMSW. Er bot den DDR-Nostalgikern neben ihren sechs Hochhausscheiben einen siebten Wohnturm sowie zwischen Neu und Alt einen halb offenen Freiraum. Vorn an den Straßen sollte aber nach der anderen Konvention klassisch der Blockrand geschlossen werden, aus dem das Hochhaus emporwachsen würde. Doch Konservativen beider Art war das zu wenig – und sie freuten sich, dass die Nachbarn in den Wohnscheiben aus den üblichen Gründen maulten: weniger Parkplätze, Abendsonne und Abstandsgrün. Auf diese Nachbarn beruft sich erstens „Bau“-Senatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei, die in den Scheiben bevorzugt gewählt wird. Und zweitens der in puncto Blockrand und Traufhöhe konservative SPD-Bezirksstadtrat Ephraim Gothe.
In der konservativen Einheitsfront mit den Nachbarn traten sie alles in die Tonne – den Wettbewerb mit Teilnehmern und klarem Sieger, zwei Jahre Planungszeit bis zur Baureife und die mehr als eine Million Euro, die die städtische WBM schon in das Projekt gesteckt hat. Ist ja auch alles egal: Berlin gönnt sich bei 50.000 Neubürgern jährlich unbegrenzt Grübelzeit bis zum Wohnungsbau und tut so, als hätte es überreichlich Geld und behördliches Fachpersonal. Letzteres durfte sich jetzt den Sommer gleich mit drei Bürgerversammlungen versüßen, auf denen – Überraschung! – die Fundamentalgegner aus der Nachbarschaft laut obsiegten. Das Projekt steht wieder auf Anfang, wie viele andere in der Stadt auch. „Wohnungsbau? Igitt!“, titelte die „taz“ ironisch zu dieser Politik. Wer in Berlin leidlich untergebracht ist, beruft sich auf Paragraf 1 des informellen Blockiergesetzes: Ick wohn hier schon, und det muss reichen.
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