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Zeitgeist

Wie schnell ändert sich Architektur? Oder ändern wir uns? Und wird dann alles zum Denkmal, was wir einmal gut, dann unmöglich, schließlich als zeittypisch bewerten?

04.02.20162 Min. Kommentar schreiben
Wolfgang Bachmann. (Foto: M. Jarisch)
Wolfgang Bachmann. (Foto: M. Jarisch)

Text: Wolfgang Bachmann

Als ich meine Diplomarbeit geschnitzt habe, gab es einige Gebäude, an denen es sich zu orientieren lohnte. Das Rathaus einer kleinen schwäbischen Gemeinde gehörte dazu. Gebaut von einem jungen Architekten, der nach Feierabend einen Wettbewerb geschrubbt hatte und sich mit dem gewonnenen Auftrag selbstständig machen konnte. Schon das war vorbildlich. Das Rathaus blieb mir in guter Erinnerung, obwohl ich es nur aus einer Veröffentlichung kannte. Im Grundriss war es ein Trapez, an dessen langer Seite ein Stück ausgeklinkt war, es gab rechte Winkel und 45°-Schrägen, damals ein Indiz für zeitgemäße Architektur. Der Baukörper mit den Büros sollte aus Ziegeln gemauert und mit tiefen Lochfenstern perforiert werden. Für den Ratssaal, abgelöst durch eine Glasfuge, die bis hinunter in die Eingangshalle belichtete, war wohl eine Blechverkleidung vorgesehen. So wurde Mitte der siebziger Jahre gebaut: wohnlich, freundlich, kleinteilig. Davon konnte man lernen. Ich übernahm sogar die Baumsymbole und den Freihand-Zitterstrich.

Irgendwann wollte ich mir das Rathaus einmal ansehen. Es hat genau 40 Jahre gedauert, bis ich auf der Flucht vor den Autobahnraststätten in die kleine Gemeinde abgebogen bin – mittagessenhalber.

Das Rathaus war schnell gefunden. Es wirkte kompakt und dunkel mit seinen roten Klinkern und dem abgelösten Ratssaal. Das Foyer – vollgestellt mit allerlei notwendigen Hinweisen – war einmal als einladende Stufenlandschaft gedacht, man sollte sich in dem Amtsgebäude informell bewegen können. Pflanzkübel und Sitzmöbel gehörten dazu, statt Behördenflure führten Stege und Treppenbalkone nach oben. Glasstreifen lösten die Wände von den Decken. Die blau lackierten, solide dimensionierten Brüstungen waren umständlich aus Wellengittern geschweißt, die Nylondrücker der dunklen Türen glänzten ebenfalls blau, olivgrün florierte der Teppichboden.

Ganz komisch. Der Architekt hatte damals alles richtig gemacht, das Haus war noch ohne Bauschäden – aber deprimierend. Ich fand diese Ratshöhle spießig wie eine braune Cordgarnitur. 40 Jahre war das her – mein Vorbild! Niemand könnte heute so bauen. Aber nicht auszuschließen, dass wir in zehn Jahren nach dem Denkmalschutz rufen.

PS: Von wegen geschmälzte Maultaschen! Es gab mittags nur einen Stehimbiss im Ort.

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