Text: Wolfgang Bachmann
Es ist noch nicht lange her, da galt es als Ausweis moderner Gestaltung, einfache Zimmertüren mit farbigen Oberflächen und kontrastierenden Nylonklinken auszustatten. Das hieß in den 1960er Jahren „poppig“, daran konnte man die Mitwirkung eines engagierten Architekten erkennen. Die Bausparerzeitschriften waren voll davon.
Heute ist der Standard weit anspruchsvoller. Wenn ein Architekt eine passable Tür bauen will, setzt er die Laibung nahtlos wandbündig, nur durch eine Acrylfuge getrennt, in die Öffnung. Damit die Sockelleiste nicht plump endet, wird sie glatt in die Gipskartonbeplankung der Wand eingelassen. Das Türblatt aus einem Verbundwerkstoff ist mindesten 40 Millimeter dick, es schlägt ohne Falz in den Rahmen. Das Schließblech, das die Kante der Zarge vor der anschlagenden Keilfalle schützen soll, wäre nun sichtbar. Es ist deshalb auf ein flaches Schlitzmetall reduziert, die Falle bleibt im Schloss verborgen und wird erst beim Schließen der Tür magnetisch herausgezogen. Die Bänder, wenigstens drei, sind verdeckt eingelassen und rasten leise in rechtwinkliger Position ein. Für Klinken ist Edelstahl oder Bronze obligatorisch, die Rosette wird bündig in die ausgefräste Vertiefung des Türblatts eingeklebt.
Was ist daran der Fortschritt? Es gibt keine Kanten, Fugen, Falze, keine Toleranzen mehr. Glätte ist der Maßstab. Es sind Details, wie sie sich Architekten und Industriedesigner ausdenken. Früher nahmen Profilierungen die Spannung aus dem Holz, es wurde so ausgesucht und eingebaut, dass es beim Schwinden die Konstruktion stabilisierte. Überlappungen und Stöße dienten dazu, unvermeidliche Ungenauigkeiten zu kaschieren. Das hieß Handwerk, das gibt es jetzt nicht mehr. Die Technik folgt einer laienhaften Ästhetik und Schreiner werden zu Monteuren. Sie kommen im weißen Overall auf die Baustelle, holen ihren Akkuschrauber aus einem Aluköfferchen und befestigen mit Torx-Schrauben, was ihnen die Industrie geliefert hat.
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