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„Ästhetik und Inklusion widersprechen sich nicht“

Beim Deutschen Architektentag wird auch über sozialen Zusammenhalt diskutiert. Mit dabei: Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, vielfache Paralympics-Siegerin und ehemalige Beuaftragte der Bundesregierung für die Menschen mit Behinderung. kerstin Kuhnekath sprach mit ihr über Inklusion für alle, bunte Vögel und gute Planung

03.06.20193 Min. Kommentar schreiben

Was bedeutet Inklusion?

Inklusion ist das Bekenntnis zu einer Gesellschaft für alle Menschen: Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, Menschen mit und ohne Behinderung, Alte und Junge. Und alle haben unterschiedliche Bedürfnisse. Der eine liebt alte Gebäude mit schmalen Treppen, der andere sitzt im Rollstuhl und denkt, Denkmalschutz sei wichtiger als das Menschenrecht, ein Gebäude zu betreten. Beide Seiten haben ihre Vorstellungen und das Wichtigste bei der Inklusion ist, dass Menschen ins Gespräch kommen und nach Lösungen suchen, wie alle teilhaben können.

Es geht um die gemeinsame Gestaltung der gemeinsamen Umwelt. Wo stehen wir zehn Jahre nach der UN-Behindertenrechtskonvention?

Die Inklusion ist ein Thema, hat aber noch nicht das Gewicht, das ich mir wünsche. Sie ist immer noch ein „bunter Vogel“ und nicht etwas, das normal mitgedacht wird. Wir müssen uns von gewohnten Denkmustern entfernen. Wie schwer das ist, sieht man ja auch bei anderen Themen. Zum Beispiel sind Städte in Deutschland so geplant, dass sie für Autos passen. Aber es gibt in der Stadt viele andere Bedürfnisse. Es gibt Menschen wie mich, die kein Auto haben, Fahrradfahrer, kleine Kinder, ältere Menschen, die einen Rollator nutzen, Menschen im Rollstuhl oder mit Blindenstock. Die Planung aber wird immer für eine große Menge gemacht und auch für die Industrie, nur eben nicht für die schwächeren Verkehrsteilnehmer, die keine super Lobby haben. Und so ist es auch bei der Inklusion.

Es klingt immer so, als gäbe es nur zwei Gruppen von Menschen: die mit und die ohne Behinderung, obwohl die Unterschiede innerhalb der vermeintlichen Gruppen oft größer sind als zwischen den Gruppen. Wie überwinden wir diese gedankliche Trennung?

Diese Trennung steht dem Verständnis im Weg, warum das Thema so wichtig ist. Wir müssen sie unbedingt überwinden, denn es ist ja für alle wichtig. Es gibt viele Menschen, die das Bedürfnis nach räumlicher Weite haben und Platz brauchen. Dazu gehören die Radfahrer genauso wie die Rollstuhlfahrer oder die Menschen mit Kinderwagen. Man sollte also darüber diskutieren, was der Gesellschaft die Vielfalt wert ist und was wir dafür tun wollen. Die ideale Verbindung zwischen der künstlerischen Arbeit von Architektinnen und Architekten und der Inklusion läge in der Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Anfang an. Ästhetik und Inklusion widersprechen sich nicht.

Wie zufrieden sind Sie mit der Planungspraxis in Bezug auf die Barrierefreiheit?

Für die Bundesarchitektenkammer und die Länderkammern ist das inzwischen ein Thema. Das ist eine gute Sache. Denn es ist wichtig, dass wir die Planer befähigen, zu beraten. Das Wichtigste aber ist, dass die Menschen mit Behinderung selbst einbezogen sind. Es wird immer dann schwierig, wenn jemand glaubt, etwas Gutes zu machen, aber nicht diejenigen gefragt hat, die es wirklich brauchen. Es ist eines der wichtigsten Ansprüche der Inklusion, dass Menschen mit Behinderung von Anfang an miteinbezogen werden und ihre Meinung miteinbringen können. Die Beratung der Architekten durch Menschen mit Behinderung wäre wichtig.

Seit Mai können Sie sich für den Deutschen Architektentag anmelden! Weitere Informationen und Interviews mit führenden Referenten finden Sie unter

www.DABonline.de/thema/DAT

www.deutscher-architektentag.de

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