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Alltagsarchäologie

Jenseits des Denkmalschutzes wird alltägliche Architektur oft totsaniert. Ein Stuttgarter Architekturbüro beschritt den gegenteiligen Weg und verwandelte eine ganz normale Wohnung mit archäologischem Geschick und Liebe zum Detail in eine faszinierende Zeitkapsel.

31.01.20194 Min. Kommentar schreiben
Putzklumpen, Dübel, Lichtschalter, brüchige Holzleisten, Kabelstücke, Zeitungspapier von 1923 – nichts war zu alt, zu kaputt, zu banal für Oliver und Dianne Sorg. Das Konzept ihres experimentellen Umbaus: Alles sollte in irgendeiner Form wieder Verwendung finden.

Von Amber Sayah

Time capsules“ nannte Andy Warhol seine Pappschachteln, in die er alle möglichen Dinge für die Nachwelt packte: Christbaumschmuck, Fotos, kunsthandwerklichen Krimskrams, tote Ameisen, Zeitungsausschnitte, Postkarten … An den Inhalt dieser Wunderboxen erinnert die Materialsammlung, die Oliver Sorg auf einem Brett wie auf einem übergroßen Objektträger ausgebreitet hat: Putzklümpchen, Lichtschalter, Dübel, brüchige Holzleisten, Kabelstücke, zerknülltes Zeitungspapier aus dem Inflationsjahr 1923 – nichts war zu alt, kaputt oder banal. Aber der Architekt blieb bei diesem Sammelsurium nicht stehen. Aus der Wohnung im Hochparterre eines Hauses im Stuttgarter Stadtteil Heslach (zu sprechen mit langem e und scharfem s), aus der diese Gegenstände allesamt stammen, hat er eine begehbare „Zeitkapsel“ gemacht.

So betitelt Oliver Sorg ein Transformationsexperiment, bei dem die mehr als hundertjährige Geschichte des gründerzeitlichen Hauses mit geradezu archäologischen Mitteln herauspräpariert wurde. Zur Straße hin verrät das Gebäude wenig von seiner Vergangenheit: ein unscheinbarer Bau schwer definierbaren Alters in einem noch merklich von der Kleinteiligkeit dörflicher Strukturen geprägten Quartier. Die Zeiterzählung beginnt auf der Hofseite, wo früher, wie im ganzen Stadtteil üblich, ein Handwerksbetrieb angesiedelt war und heute SFP Architekten mit Sorg als Partner ihren Sitz haben. Zu diesem Rückgebäude und dem begrünten Innenhof hin öffnet sich das Wohnhaus mit einem breiten, raumhohen Fenster – als nachträglicher Eingriff erkennbar an den ausgefransten Backsteinrändern des Fassadendurchbruchs.

Ein Wanddurchbruch konnte nicht mit Bauteilen aus dem Bestand abgefangen werden. Dies übernehmen nun 300 Jahre alte Balken von einer Bauteilbörse.

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