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„Anknüpfen an das, was Moderne meint“

Ein Planer-Kongress widmet sich der „ökologischen Moderne“. Ein Widerspruch in sich oder ein schlüssiges neues Konzept? Mit-Initiatorin Margit Bonacker erklärt den Begriff

31.07.20134 Min. Kommentar schreiben
Die Stadtsoziologin Margit Bonacker ist geschäftsführende Gesellschafterin der konsalt GmbH, eines Forschungs- und Beratungsunternehmens für Regional-, Stadt- und Sozialraumentwicklung in Hamburg. Sie ist auch Präsidiumsmitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL). Deren Jahrestagung findet vom 26. bis 29. September im Bürgerhaus Hamburg-Wilhelmsburg statt und ist größtenteils auch Nichtmitgliedern zugänglich. Die Teilnahme kostet 120 Euro. Foto: Reto Klar
Die Stadtsoziologin Margit Bonacker ist geschäftsführende Gesellschafterin der konsalt GmbH, eines Forschungs- und Beratungsunternehmens für Regional-, Stadt- und Sozialraumentwicklung in Hamburg. Sie ist auch Präsidiumsmitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL). Foto: Reto Klar

Die Jahrestagung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung hat das Thema „ökologische Moderne“. Ist nicht die Moderne ein ökologischer Problemfall?

Zunächst einmal heißt das Thema genau „Beiträge zu einer ökologischen Moderne. Auf der Suche nach einer sozial gerechten, offenen und ressourcenschonenden Gesellschaft“. Damit wird bereits der dahinterstehende Ansatz deutlich: Es geht um neue integrative Strategien, die sich nicht ausschließlich auf den klassischen Ansatz des Baulich-Räumlichen beschränken, sondern die auch soziale, kulturelle und partizipative Aspekte berücksichtigen. Beruhte die Stadt der ersten Moderne auf den Prinzipien der Industriegesellschaft und der strikten Trennung der Funktionen, ist die Stadt der ökologischen Moderne eine Stadt der kurzen Wege, des Nebeneinanders von Wohnen und Arbeiten, eine klimaneutrale und ressourcenschonende Stadt.

Neue Inhalte – aber warum das alte Wort „Moderne“?

Die Interpretation des Begriffs der Moderne hat sich deutlich verändert, seit der Soziologe Ulrich Beck das Konzept der Reflexiven Moderne aufgestellt hat. Nicht mehr die Norm, der Standard oder formalisierte Prozesse bestimmen das, was Realität ausmacht, sondern der Wandel hin zu einer pluralistischen und vielfältigen Gesellschaft erfordert neue Herangehensweisen und Denkansätze. Gesellschaftliche Entwicklung verläuft nicht linear und nicht irreversibel. Traditionelle Strukturen, beispielsweise die herkömmliche Kleinfamilie, lösen sich immer mehr zugunsten von unterschiedlichsten Lebensstilen auf, Arbeitsformen ändern sich. Das spiegelt sich auch in neuen städtebaulichen und architektonischen Entwürfen und Konzepten wider. Die Verwendung des Begriffs der Moderne verweist darauf, dass es in einer neuen ökologischen Moderne auch darum geht, mit dem Vorhandenen umzugehen und es zu verändern. Die IBA Hamburg 2013, die ja mit Anlass für die Wahl unseres diesjährigen Themas ist, zeigt dies an vielen innovativen Beispielen.

Im Städtebau gibt es längst Begriffe für die Abkehr von der alten Moderne, etwa die „Europäische Stadt“.

Das Leitbild der Europäischen Stadt umfasst das Konzept von Urbanität und einer Mischung von Wohnen und Arbeiten, von Jung und Alt, Reich und Arm, insofern also auch Kennzeichen einer neuen ökologischen Moderne. Neu hinzugekommen sind aber die Anforderungen an eine ressourcenschonende Gesellschaft. Zudem geht es uns auch nicht nur um die Stadt als solche, sondern die ökologische Moderne umfasst mehr. Sie bezieht sich auf ein neues Verhältnis von Stadt und Land im Zuge der wachsende Anforderungen an die energetische Transformation vorhandener baulicher Strukturen und Landschaftsräume.

Die alte Moderne erscheint manchem als goldenes Zeitalter der Architekten und Planer, in dem der Berufsstand so umfassende Ansprüche und so umfassende Macht hatte wie nie zuvor und nie danach. Pflegen Sie eine Moderne-Nostalgie?

Im Gegenteil. Es geht ja gerade darum, durch die Verwendung des Begriffs einer neuen ökologischen Moderne an das anzuknüpfen, was Moderne meint, nämlich Zeiten des Umbruchs zu kennzeichnen. Danach befinden wir uns heute in einer anderen Phase des Umbruchs als zu den Zeiten der ersten Moderne. Die Rolle von Architektur und Planung hat sich grundlegend verändert, auch wenn manche in der Planung Tätige das noch nicht realisiert haben. Es reicht heute nicht mehr, fertige Konzepte und Pläne vorzulegen. Planung beginnt heute mit Hingehen, Zuhören, Kommunizieren. Erst dann wird umgesetzt, und auch das nur im Dialog. Es gibt ein viel stärkeres Selbstbewusstsein der Menschen vor Ort; ohne umfassende partizipative Ansätze geht es nicht mehr. Stadtplanerinnen und Stadtplaner haben das schon weitestgehend verstanden. In der Architektur sehe ich diese Entwicklung an vielen Stellen noch nicht.

Sie tagen in Hamburg-Wilhelmsburg. Geht es vor allem um die dortige IBA?

Die IBA ist wichtige Impulsgeberin, aber wir wollen uns als bundesweite Akademie nicht ausschließlich auf IBA-Themen beschränken. Es geht genauso um die soziale und ökologische Transformation der Nürnberger Weststadt wie um die Entleerung und Daseinsvorsorge im ländlichen Nordfriesland oder die regenerative Energieerzeugung in Mecklenburg-Vorpommern. Die IBA unmittelbar vor der Tür bietet dabei natürlich auch hervorragende Anschauungsbeispiele.

Das Interview führte Roland Stimpel, Chefredakteur des Deutschen Architektenblatts.


Die Jahrestagung der DASL findet vom 26. bis 29. September im Bürgerhaus Hamburg-Wilhelmsburg statt und ist größtenteils auch Nichtmitgliedern zugänglich. Die Teilnahme kostet 120 Euro.
Weitere Informationen unter www.dasl.de

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