Kaum hat Deutschland Polen überfallen, verliert der Krakauer Architekt Zygmunt Grünberg sein florierendes Büro. Zygmunt Grünberg war seit einer Deutschlandreise im Jahr 1930 ein führender Vertreter der Krakauer Moderne, von dem noch heute rund 30 bürgerliche Mietshäuser in der Stadt stehen. Als die Deutschen kommen, muss er als Jude sein Büro schließen, darf bald weder Straßenbahn fahren noch den in Adolf-Hitler-Platz umbenannten Hauptmarkt betreten. Mit seiner Familie muss er ins Ghetto ziehen. Dass er im Ersten Weltkrieg für Deutschlands Verbündeten Österreich und gekämpft hat und ausgezeichnet ist, zählt nicht. Vorläufig bekommt er noch einen Job bei einem nichtjüdischen Kollegen.
1942 wird Grünberg zwangsweise Bauleiter eines Lagers, das für ihn und seine Familie zur Hölle wird. Jüdische Architekten aus dem Ghetto müssen an einem Steinbruch das Lager Plaszow planen, Grünberg das „Barackenbaukommando“ führen. Die SS verübt ein Massaker im Ghetto und deportiert alle Überlebenden nach Plaszow, darunter Grünbergs Familie. Kommandant dort ist Amon Göth, den Kinogänger als Mörder, Vergewaltiger und Schläger aus dem Film „Schindlers Liste“ kennen. (Der Film zeigt nicht einmal Göths ganze Grausamkeit.) Göth hasst Grünberg, weil dieser einer der wenigen Häftlinge ist, die er braucht und nur mit Schaden für sich selbst umbringen könnte. Aber verprügeln kann er ihn. Grünbergs damals 13jährige Nichte Stella Müller-Madej erinnert sich in ihrem Buch „Das Mädchen von der Schindler-Liste“: „Göth macht sich immer öfter den Spaß, Onkel Grünberg zu misshandeln. Häufig kommt mein Onkel blutend und verschwollen zurück, doch es gibt keine Möglichkeit, die Arbeit zu wechseln, Göth behandelt ihn wie seinen Sklaven.“
Grünberg bezichtigt sich bei Göth angeblicher Verfehlungen, für die Mitgefangenen der Tod droht, und nimmt noch mehr Schläge auf sich. Göths Köchin Helena Horowitz: „Ich sah oft, wie er ihm mit der Reitpeitsche auf frische Wunden schlug. Einmal hörte ich durchs Fenster, wie Grünberg ihn anflehte, er solle ihn erschießen. Göth antwortete: Noch nicht – erst wenn das Lager fertig ist, bist du tot.“
Grünbergs Tochter Rosa erinnert sich: „Ich weiß nicht, was ihn am Leben hielt. Er wollte zur Arbeit gehen, konnte sich aber nicht bewegen. Doch am nächsten Tag stand er auf und arbeitete von sechs Uhr früh bis abends um elf. Zwei Tage späte kam Göth in die Bauleitungs-Baracke und erschoss den Leiter des Arbeitseinsatzes. Er schlug meinen Vater und sagte, die Wachkaserne habe binnen drei Tagen fertig zu sein – was unmöglich war.“ Göth lässt Grünbergs Frau und Tochter bei sich einsperren. Seine Nicht Stella Müller-Madej: „Er legt eine Frist von 24 Stunden fest. Wenn bis dahin nicht alles fertig ist, wird er beide vor allen Leuten hängen lassen.“ Ein SS-Bauleiter erwirkt schließlich bei Göth einen Tag zusätzliche Bauzeit. Er und Grünberg kannten sich von einem Pariser Architektenkongress, zwei Jahre vor dem Krieg.
1944 sorgt Zygmunt Grünberg dafür, dass Verwandte und Freunde auf die legendäre Rettungsliste des Fabrikanten Oskar Schindler kommen. Er selbst wird im Herbst mit dem letzten Transport nach Auschwitz deportiert und von dort ins KZ Flossenbürg in Bayern. Acht Tage vor dessen Befreiung wird er erschlagen.