Mut zur Improvisation
Trotz Spannungen und Gegensätzen in allen Zeiten entstand und entsteht in Palästina Baukultur; spannend für Architekten, authentisch und weniger überlaufen als anderswo. Die Ursprünge von Jericho, der ältesten Stadt der Welt, gehen bis ins 10. Jahrtausend v. Chr. zurück. Eine andere Altstadt wurde von der Intifada stark mitgenommen: Nablus wirkt wie eine touristenfreie Kleinausgabe Jerusalems. Hier lernen in der historischen Seifenfabrik CHEC junge Volontäre den Wiederaufbau mit historischen Bauteilen. Um zehntausende Einzeldenkmäler in etwa 50 Ensembles in der Westbank und dem Gazastreifen kümmert sich die Organisation Riwaq. Sie versucht, fehlende Denkmalschutzgesetze zu kompensieren, und vermittelt Interessierten das Erbe.
Mein Lieblingsort ist auf der Dachterrasse des bescheidenen Hostels in Ramallah. Tel Aviv vor der untergehenden Sonne ist in Sichtweite und dennoch für viele unerreichbar. Die jungen Betreiber zeigen, wie anregend und lebendig ein Provisorium sein kann. Hier habe ich gelernt, dass lange Geplantes plötzlich ganz anders kommt und sich gerade so neue Möglichkeiten auftun. Ein deutscher Pass öffnet Grenzen, leider nicht die nach Gaza. Aber ich träume von einer Fahrt mit der Sinai-Bahn und einem Strandhotel. Bester Reisetermin ist in diesem Jahr der 16./17. September. Dann findet in Taybeh bei Ramallah das palästinensische Oktoberfest mit selbst gebrautem Bier statt.
Lore Mühlbauer, Architektin im Sachgebiet Wohnungswesen, Regierung von Oberbayern, München
Museum erzeugt Stadt
Nach Jahren der Stagnation befindet sich Portugal aktuell im Wandel. Besonders Lissabon bietet Besuchern in architektonischer Hinsicht immer wieder Neues. Das Ende 2016 eröffnete „Museum of Art, Architecture and Technology“ (MAAT) ist dafür das beste Beispiel. Der Bau versprüht mit seiner eigenwilligen, wellenartigen Form Leichtigkeit und erscheint – je nach Blickwinkel – mal als Gebäude, mal als Landschaft. Für mich hat es aber auch etwas von einem gestrandeten Rochen. Das Meisterwerk von Amanda Levete schafft am Fluss Tejo 7.000 Quadratmeter öffentlichen Raum und zeigt: Ein Museum kann auch Stadtplanung.
Die portugiesische Hauptstadt verbindet aber auch Historisches mit Modernem. Unweit des MAAT befindet sich das Mosteiro dos Jerónimos im prunkvollen Stil der Manuelinik. Wo früher die Mönche im Kloster ihre Gottesdienste abhielten, unterzeichneten europäische Staatschefs 2007 den Vertrag von Lissabon zur Neuordnung der Europäischen Union. Das Kloster ist also ein historischer Bau mit flexibler Nachnutzung, zum Beispiel als Verhandlungsort. Das ist für mich ein Sinnbild der Architektur Portugals. Ihre Flexibilität und Leichtigkeit inspiriert mich auch für meine Arbeit als Architektin. Zu Hause in Deutschland versuche ich sie auch Kindern zu vermitteln, zum Beispiel mit dem interaktiven Online-Spiel „Archiraum.de“, das ich zusammen mit der Kollegin Bettina Gebhardt entwickelt habe und in dem man virtuell auf Architekturreise zum Münchener Olympiastadion oder zum CCTV-Tower in Peking gehen kann.
Emanuela Parma, Architektin, Frankfurt am Main / Protokoll: Stefan Kreitewolf
Mit leichter Hand gebaut
Meine Urlaube sind häufig vom Zufall gesteuert. Mit meiner Frau, die ebenfalls Architektin ist, fahre ich während unserer Familienurlaube gerne relativ ziellos durch niederländische Städte, um bisher eher Unbekanntes zu entdecken. Zuletzt haben wir uns zum Beispiel per Zufall die neue Wohnbebauung außerhalb des Autobahngürtels von Amsterdam angeschaut. Beeindruckend ist für uns immer wieder, wie die niederländischen Kollegen mit ihrem formalen Anspruch in der Umsetzung umgehen: Viele Entwürfe scheinen ohne Umwege zwangsbefreit aus dem Stift direkt in die Landschaft gestellt worden zu sein. Das dient mir und meiner Frau als Inspiration – genauso wie die städtebaulichen Ansätze zur Verkehrsberuhigung der Innenstädte oder die auch in neueren Stadtteilen detailverliebt ausgestalteten Plätze. Toll ist auch, wie selbst in engen Altstadtvierteln immer mehr öffentliche Räume barrierefrei sind. Davon können wir als deutsche Architekten noch viel lernen.
Thomas Kalman, Krieger Architekten, Velbert / Protokoll: Stefan Kreitewolf
Stadtplanung im Labor
Ganz nah und doch so fern: Im Elsass wartet nicht nur das französische Flair auf architekturinteressierte Reisende, sondern auch gebaute Highlights. In Colmar zum Beispiel sind seit 2012 viele schöne neue Gebäude entstanden. Glanzstück ist das 8.000 Quadratmeter große „Musée Unterlinden“, eine architektonische wie städtebauliche Maßarbeit von Herzog & de Meuron. Die mutige Erweiterung des berühmten Museums ist der neue Mittelpunkt der historischen Fußgängerzone, die eine der größten in ganz Europa ist. Mein Lieblingsbauprojekt der letzten Jahre aber ist ein Infrastruktur-Großprojekt: die neue Tram-Strecke, mit der man in 26 Minuten vom deutschen Städtchen Kehl in die französische Metropole Straßburg fahren kann. Hier lässt sich gelungene Stadtentwicklung auf Basis einer grenzübergreifenden Raumplanung in der Entstehungsphase beobachten. Viele Gebiete am Rande der Strecke wurden als Bauland aktiviert, nachdem sie jahrzehntelang ein Dasein als abgehängte Randgebiete fristeten. Dort passiert gerade ganz viel: 120 Projekte vom neuen Wohnquartier für bis zu 20.000 Menschen bis zum restaurierten Hafenviertel befinden sich in der Bauphase. Beste Besuchszeit ist vom 29. September bis 27. Oktober 2017 zu den „Trinationalen Architekturtagen“, die auch Führungen zu architektonischen Highlights wie dem Musée Unterlinden im Programm haben.
Ralf Mika, Werkgruppe Lahr, Lahr / Protokoll: Stefan Kreitewolf
Soziale Wohnutopien
In Zeiten der Wohnungsnot in Deutschland ist der Blick nach Wien mit seinen insgesamt 220.000 Gemeindewohnungen, in denen mehr als ein Viertel der Wiener wohnt, besonders interessant für uns. Auf jeden Fall sollte man das Sonnwendviertel direkt am neuen Hauptbahnhof besuchen, wo bis 2021 Wohnungen für 13.000 Menschen, 20.000 Arbeitsplätze und ein Bildungscampus entstehen.
Sehenswert ist neben dem gerade fertiggestellten Wohnungsbau von BKK-3 der 2013 errichtete Block von Studio Vlay, Karoline Streeruwitz, Riepl Kaufmann Bammer Architektur und Klaus Kada mit insgesamt 450 Wohnungen. Der von einer gemeinnützigen Bauträgergesellschaft errichtete geförderte Wohnungsbau fällt schon durch seine aufgebrochenen Blockränder und den öffentlichen Außenraum mit einem Marktstand, Grill- und Essplätzen auf. Vor allem überrascht aber das großzügige soziale Angebot: Mietkino, Schwimmbad, Saunen, Gemeinschaftsküche, Musik-Proberaum, Jugendraum, mehrgeschossige Indoorkletter- und Rutschenanlagen, Dachgärten, Fahrradwerkstatt, Theater und ein Raum speziell für Mädchen. Hier werden soziale Utopien bei einer maximal ausgenutzten Baudichte zur Wirklichkeit. Die Frage, warum mitten in Wien so hochwertig für sieben Euro warm pro Quadratmeter in einem Passivhaus gewohnt werden kann, sollte uns alle beschäftigen. Die unterschiedlichen Wiener Förder- und Genossenschaftsmodelle garantieren die soziale Durchmischung der Stadt und bewirken das Bekenntnis, „zu Hause“ angekommen zu sein. Ein Ort, den deutsche Wohnungsbauer gesehen haben sollten!
Stefan Wirth, Renner Hainke Wirth Architekten, Hamburg
Das zauberhafteste Licht der Welt
Spaniens Nordküste ist ein wunderbares Urlaubsziel, insbesondere die galicischen Provinzen Lugo und La Coruña. Die Stadtanlage Lugos wird von einer fantastischen römischen Mauer aus dem 3. Jahrhundert umgeben. Prägend sind die wuchtigen, halbkreisförmigen Bastionen: Sie gliedern die begehbare, acht bis zwölf Meter starke Anlage. Die Mauer ist so gut erhalten, dass man morgens auf dem zwei Kilometer langen „Rundkurs“ nach Belieben eine sportliche Laufeinheit absolvieren kann.
Das Motiv der runden Bastionen haben etwa Nieto Sobejano in ihren Neubau für das Historische Museum der Stadt übertragen. Hier lässt sich viel über die Anwendung und Wirkung des Lichts in der Architektur studieren. Die Architekten fangen das Sonnenlicht förmlich ein und leiten es über große Zylinder in die hauptsächlich unter der Erde angeordneten Ausstellungsräume – jenes typisch galicische Licht, das hier nach jedem der vielen Regenschauer wie neu geboren wirkt. Wenn in Galicien das Sonnenlicht wieder durch die Wolken bricht, ist es das zauberhafteste, das wir kennen. Licht wie in seidenen Fäden, das man förmlich greifen kann. Diese Erfahrung war sehr prägend und hat unsere Arbeit im Umgang mit Licht weiter präzisiert.
Juni bis September ist die beste Reisezeit. Tagsüber empfehlen sich dann Ausflüge an den Atlantik nach La Coruña oder nach Santiago de Compostela. Zurück in Lugo ist ein Abendessen in der Taberna Pajón ein Muss, wo regionale Köstlichkeiten wie Pulpo a la Gallega, Pimientos da Padrón und Meeresfrüchte aller Art serviert werden.
Ansgar und Benedikt Schulz, Schulz und Schulz, Leipzig
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