Die Innenarchitektur ist längst in der Mitte der planenden und bauenden Gesellschaft angekommen. Sie ist akzeptiert, unübersehbar und unverzichtbar. Aber sie ist gleichzeitig immer wieder neu auf dem Weg. Dieser Bereich des Planens, Bauens und Designs erhält in den Medien hohe Aufmerksamkeit – wenn auch manchmal auf Kosten einer seriösen und ernsthaften Darstellung. Ihre Stärke spielt Innenarchitektur gerade auf dem breiten Feld des Bauens im Bestand aus. Hier entfaltet sie schon seit langem ihr großes technisches und gestalterisches Leistungsspektrum. Und gerade hier gibt es heute ein Zusammenspiel und zugleich eine Wettbewerbssituation der Fachrichtungen.
Innenarchitektur kann dabei selbstbewusst auftreten. Es ist längst breiter Konsens unter Bauherren, Architekten und Innenarchitekten, dass Gebäude nutzeroptimiert von innen nach außen zu planen und zu gestalten sind. Und tausendfach widerlegt ist die Befürchtung, dabei müssten dann zwangsläufig architektonische und städtebauliche Qualitätsabstriche bei Gebäuden und Quartieren in Kauf genommen werden. Ganz im Gegenteil: Nur wo die Funktion gut ist, entsteht auch eine stimmige, nicht nur selbstverliebte Form. Bei all dem Gebauten, das heute als „Bausünde“ bestimmter Epochen angesehen wird, wurde nicht das Zusammenspiel von innen und außen vernachlässigt – sondern es wurde beides vernachlässigt. Solche Gebäude fallen heute mangelnder Marktnachfrage der Nutzer und mangelnder Zuneigung der Öffentlichkeit zum Opfer. Der Bestand wird abgerissen – oder wird quasi von innen nach außen grundlegend überarbeitet.
Die Qualität der Leistung der Innenarchitekten wird längst nicht nur für Bauaufgaben im engeren Sinn abgerufen, sondern auch in benachbarten Einsatzfeldern, wie beispielhaft dem Innenausbau von Schiffen. Hier wird für mobile, ständig dynamischen Kraftveränderungen und extremen meteorologischen Einflüssen ausgesetzte Objekte von sehr unterschiedlicher Größe höchste und dauerhafte Qualität des Innenausbaus und der Technik verlangt, mit hoher Präzision bei der Vorfertigung und nur wenigen finalen Anpassungsmöglichkeiten auf der „Baustelle“ Werft. Dieses Vordringen in benachbarte Bereiche, in noch unerkundete und unbesetzte Nischen hat Innenarchitekten immer gereizt. Beispiele für solch erstaunliches Trendscouting werden in dieser DAB-Ausgabe neben den klassischen Feldern beleuchtet.
Die beruflichen Wege der Innenarchitekten begleiten die Architektenkammern umfassend und vorausschauend. Sie sichern den Titelschutz und setzen sich für Belange dieser und der anderen Fachrichtungen ein, von der Honorarordnung über europäische und bundesdeutsche Gesetzgebung, von der Aus-, Fort- und Weiterbildung, über Haftungs- und Versorgungsaspekte bis zu den Fragen gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit. Diese berufspolitische Arbeit gestalten Innenarchitekten über vielfältige Ehrenämter in Kammern und Verbänden mit. Sie haben sich längst auf den Weg gemacht und beweisen: Wer sich auf den Weg macht, kommt an spannenden Zielen an.
Allgemein zum Heft 04/2012, Thema Innenarchitektur, Aufstieg der Spezialisten:
Es hat mich sehr gefreut dass die Fachrichtung Innenarchitektur im DAB einmal als Titelthema behandelt wurde. Allerdings wurde im Vorwort ebenso wie in den Artikeln nicht im geringsten auf die Problem eingegangen mit denen unser Berufsstand konfrontiert ist.
Hat man an einer Hochschule Architektur studiert steht einem die Arbeit in allen Fachrichtung mehr oder weniger offen. Man kann sich wie es heutzutage eben in der Praxis üblich ist, nach dem Studium, in jede Richtung entwickeln. Architekten sind in allen Bereichen, vom Möbelbau über Messebau bis hin zur Landschaftsplanung tätig. Das ist auch gut so. Allerdings sollte auch den Innenarchitekten eine Entwicklung in andere Bereiche der Planung wie z.B. der Hochbau möglich sein.
Der Innenarchitekt steht auf seinem Gebiet nicht nur im Wettbewerb mit Kollegen anderer Fachrichtungen, sondern auch noch mit vielen nicht „kammerfähigen“ so genannten Raumdesignern etc. Konkurrenz. Diese kennen häufig das Wort „HOAI“ noch nicht mal vom Hörensagen. Hier entsteht ja auch eine Konkurrenz für Architekten aller Fachrichtungen. Warum eine Ils, Sgd und andere private Fernakademien ein Fernstudium über wenige Semester mit dem Namen Innenarchitektur / Raumdesign anbieten dürfen ist mir im Übrigen schleierhaft. Soviel zum Thema Titelschutz.
Sich von der Innenarchitektur zu neuen Aufgabenfeldern zu entwickeln wird für den Innenarchitekten durch zahlreiche Regelungen und Gesetze sowie durch die öffentliche Wahrnehmung des Berufsstandes erschwert. So ist der Innenarchitekt in den meisten Bundesländern wesentlich weniger Bauvorlage berechtigt wie selbst ein einfacher Handwerksmeister oder Bautechniker. Diese dürfen in vielen Bundesländern zumindest im Bereich kleiner Gebäude Eingaben tätigen. Das gleiche gilt für die Ausstellung von Energieausweisen, auch hier wird der Innenarchitekt selbst mit entsprechender Fortbildung dem Architekten und vielen anderen Berufsgruppen untergeordnet. Wirft man einen Blick auf aktuell ausgelobte Wettbewerbe – sieht man ein weiteres Ergebnis dieser Politik – der Innenarchitekt ist eigentlich so gut wie immer von der Teilnahme ausgeschlossen.
Beim Thema „Anerkennung als Passivhaus Planer“ konnte für den Berufsstand der Innenarchitekten mit Hilfe der BAK und dem BDIA ein Erfolg erzielt werden. Nachdem das Passivhaus Institut meine Anerkennung als Passivhaus – Planer abgelehnt hatte, konnte ich nachweisen das der Ausbildungsstandard der Innenarchitekten zu dem anderer, zugelassener Berufsgruppen mindestens gleichwertig ist. Darauf hin revidierte das Passivhaus Institut seine Entscheidung. Innenarchitekten können jetzt Passivhaus Planer werden. Dies kann aber nur ein kleiner Schritt zu einem neuen Selbstbewusstsein der Innenarchitekten sein.
Die Kammern sollten allgemein die Definition der Berufsaufgaben überdenken. Die Planung eines Einfamilienhauses sollte selbstverständlich auch zu den Berufsaufgaben eines Innenarchitekten gehören können. In der Praxis ist das ja schon längst so und man findet ja immer jemanden – und sei es ein Handwerksmeister – der einem den Bauantrag unterschreibt. Aber so sollte es nicht sein! Und die Planer aus dem Bereich Hochbau sollten an dieser Stelle eben auch so Kollegial sein und die Innenarchitekten bei der Forderung nach mehr Gleichberechtigung unterstützen. Angesprochen auf diese Thematik wird unter Architekten aller Fachrichtungen häufig mit Verständnis und der Bereitschaft zur Unerstützung reagiert. Viele Kollegen sind also grundsätzlich auf unserer Seite und fühlen sich durch die Forderung nach Gleichstellung nicht bedroht. Allerdings kennen viele Kollegen die Problematik gar nicht. Die Kammern aber geben bei Rückfrage den schwarzen Peter an die Politik weiter. In der Musterbauordnung der Bundesarchitektenkammer sucht man aber vergeblich nach einer Besserstellung der Innenarchitekten.
Durchaus gibt es in einigen Bundsländern ja auch schon Interessante Möglichkeiten und Regelungen zu diesem Thema. So hat in Hessen und Baden-Württemberg der Innenarchitekt zumindest die „kleine Bauvorlageberechtigung“ – analog zu den Handwerksmeistern und Technikern. Und in NRW kann man durch eine zusätzliche Prüfung die allgemeine Bauvorlageberechtigung erreichen. Es werden sogar Seminare von der AKNW angeboten. In Bayern dagegen ist, obwohl von offizieller Seite Unterstützung für die Innenarchitekten erklärt wird, die Entwicklung rückläufig. So sind die Möglichkeiten für Innenarchitekten seit dem neuen Baukammergesetz sogar schlechter geworden. Die Frage ist doch: Wenn wir genau die selben Hürden für die Mitgliedschaft in der Kammer haben, den selben Beitrag bezahlen müssen und die gleichen Pflichten haben wie die Architekten – warum haben wir dann nicht auch die selben Rechte?
Ich denke das Mindeste sollte sein das die Innenarchitekten mit Eintritt in die Architektenkammer die so genannte „kleine Bauvorlageberechtigung“ erhalten. Damit wären Sie zumindest den Absolventen der Architektur und den Handwerkern und Technikern gleichgestellt. Des Weiteren sollte eine Möglichkeit geschaffen werden die uneingeschränkte Bauvorlageberechtigung zu erhalten. Z.B. durch den Nachweis von Efahrung im Bereich Hochbau und Eingabeplanung. Auch entsprechende Weiterbildungsangebote der Kammern wären denkbar.
Niels Hauch, Innenarchitekt, München