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Bauen mit Strohballen: tragfähig und ökologisch

Um das Bauen mit Strohballen voranzutreiben, sammeln die Bauhaus-Universität Weimar, ein Fachverband und mehrere Architekten Erfahrungen für eine Normierung. Gebaute Beispiele, bei denen der Stroh sogar lasttragend ist, gibt es viele

15.12.20225 Min. Kommentar schreiben

Von Leonhard Fromm

Bis zu vierstöckige Gebäude aus Strohballen haben Architekten in Österreich, der Schweiz und Südtirol seit 1995 gebaut. Ein Viertel dieser Häuser sind laut deren Erbauer lasttragend aus Stroh, teils sogar ohne Holzkonstruktion. Auch in Deutschland mehren sich solche Bauanfragen. Insbesondere Florian Hoppe, der mit Sarah Hoppe und Alexandra Schenker-Primus in Weimar das Architekturbüro Z Architektur betreibt und selbst in einem aus Strohballen errichteten Doppelhaus wohnt, will dem nachwachsenden Rohstoff hierzulande dem Hausbau zum Durchbruch verhelfen. Dabei kooperieren die Architekten eng mit der Bauhaus-Universität in Weimar.

Strohballen an Kran hängend
Ein 300 kg schwerer Strohballen am Kran. Foto: Z Architektur

Strohballen können Lasten abtragen

Christopher Taube, Bau-Ingenieur an der Bauhaus-Universität in Weimar, forscht seit Jahren über die Belastbarkeit und Tragfähigkeit von lasttragenden Strohballen im Hochbau. Sein Ziel: Standards für die Normierung zu definieren, die die Einzelfallprüfung von Genehmigungsverfahren bei oberen und unteren Baubehörden ersetzen und allen Beteiligten Rechts- und Kostensicherheit ermöglichen.

Auf den Strohballen-Bautagen, die im September 2022 in Bayreuth stattfanden, gab der Forscher, der aus dem Betonbau kommt und dessen Prüfkriterien nun auf den Strohballenbau überträgt, Einblick in seine Arbeit. Dafür hat sich Christopher Taube an der Uni einen Prüfstand bauen lassen, auf dem sowohl von oben als auch von der Seite massive Kräfte hydraulisch einwirken.

„Wir untersuchen, wie und wo sich die Ballen deformieren, wenn kurz- oder langfristig Druck auf sie ausgeübt wird,“ so der Forscher. Dies geschehe mit und ohne begrenzende Holzkonstruktionen. Ziel ist, wesentliche Grundlagen zur statischen Berechnung der lasttragenden Bauweise mit Strohballen zu erarbeiten.

Strohballenhäuser senken sich (aber nur am Anfang)

Erfahrungswerte liegen beispielsweise von Architekt Werner Schmidt aus Graubünden vor, der seit 1995 mehr als 40 Objekte mit Stroh gebaut hat, darunter ein Einzelhandelsgebäude bei Ulm und zuletzt 28 Wohnungen für eine Investorin. Der Schweizer: „Bei einem vierstöckigen Gebäude hat sich das Erdgeschoss unter der Gesamtlast um 30 Zentimeter gesenkt, das 1. OG um 25 Zentimeter und das 2. OG um 20 Zentimeter.“ Er berichtet auch von einem seiner Strohhäuser, das in den Alpen auf 1.200 Metern Höhe einen Lawinenabgang nahezu unbeschadet überstanden habe.

Tragfähigkeit von Strohballen ist nahezu unbegrenzt

Forscher Christopher Taube attestiert den Ballen, die üblicherweise mit Spanngurten im Abstand von einem Meter je Etage niedergezurrt werden, eine Traglast von vier Tonnen je Quadratmeter. Sein Credo: „Die Tragfähigkeit ist überhaupt nicht begrenzt, nur muss man die Verdichtung der Halme in der Planung berücksichtigen.“ Einig sind sich die Fachleute, darunter Virko Kade aus Österreich, der seit 1998 mehr als 60 Gebäude aus Stroh errichtet hat, dass die Senkung nach rund zehn Tagen abgeschlossen ist.

Holzrahmen an Kran hängend
Der Fensterkasten verdeutlicht, wie dick die Strohwand ist. Foto: Z Architektur

Je höher die Lasten, desto differenzierter die Strohauswahl

Die Strohballenbauer bestätigen, was Christopher Taube wissenschaftlich erforscht: Je höher die Lasten, desto wichtiger werden Details wie die Dichte des Ballens, die Stärke der einzelnen Halme und deren Ausrichtung. Kade: „Lange Halme sind gut für die Verbindung innerhalb des Ballens, aber die kürzeren, hölzrigen sind besser belastbar.“ Üblich sind Ballen mit 140 bis 200 Kilo Gewicht je Kubikmeter.

Schon der Mähdrescher kann entscheidend sein

Entsprechend wichtig wird, mit welchem Mähdrescher und dessen Einstellung sowie welcher Geschwindigkeit der Landwirt bei welcher Witterung über die Felder fährt. Aus all diesen Gründen beschäftigt sich Florian Hoppe seit 2019 im Rahmen seines Engagements im Deutschen Fachverband Strohballenbau (FASBA e.V.) ausschließlich mit der lastabtragenden Bauweise. Er ist Vorstandsmitglied des Fachverbands, der bereits 2002 mit dem Fokus auf Stroh als Dämmmaterial in einer Holzständerbauweise gegründet wurde.

Was der Fachverband Strohballenbau erreichen will

Der FASBA e.V. strebt die Normierung der lastabtragenden Strohbauweise an, sodass aufwändige Einzelfallgenehmigungen entfallen würden. Deshalb muss auch gesagt werden: Sämtliche Belastungstests an der Bauhaus-Universität Weimar befassen sich mit Ballen aus Weizenstroh. Bei Gerste, Roggen oder Dinkel kommt es schon wieder zu Abweichungen.

Deshalb warnt mancher Experte vor zu viel Regulierung, die eine Genehmigung auch behindern könne, „weil die Baubehörde oder der Statiker dann jede Planung auf die Goldwaage legt.“ Der Schweizer Stroh-Stararchitekt Werner Schmidt sagt etwa, er habe sich nur entfalten können, weil die Alpenrepublik ein liberales Baurecht hat. Der Graubündener: „Bei uns gehen die Behörden vom mündigen Bauherrn aus, der weiß, was er tut.“

Haus aus Strohballen mit Satteldach
Rund 60 Strohballen-Häuser hat Virko Kade mittlerweile in Österreich gebaut und die Nachfrage wächst weiter. Foto: Virko Kade

Größte lastabtragende Strohwand steht in Österreich

Und während der Strohballenbau in Deutschland erst am Anfang steht, wobei sich immer mehr potenzielle Bauherren aus der gesamten Republik beim FASBA melden, ist Virko Kade, der aus Norddeutschland stammt aber seit 20 Jahren in Österreich lebt, schon einige Schritte weiter: Mit 75 Metern Länge, 1,2 Metern Breite und fünf Metern Höhe hat er 2021 bei Salzburg die bislang größte, lasttragende Strohwand errichtet, die nur von vertikalen Spannguten in je einem Meter Abstand gehalten wird, um die massive Windlast der Herbststürme abzutragen.

Virko Kade: „Der Bauherr, ein Landwirt, hat nicht verkaufsfähige, weil angegraute Strohballen verwandt und verzichtet sogar auf Lehm- oder Kalkputz zum Schutz gegen Schlagregen.“ Zwar handelt es sich nur um eine Maschinenhalle, in der Virko Kade auch fünftägige Workshops zum Bauen mit Strohballen abhält, doch sammelt die gesamte Branche dadurch Erfahrung und bekommt Argumentationshilfen für Genehmigungsverfahren bei den Baubehörden.

Leonhard Fromm ist freier Journalist in Schorndorf, Baden-Württemberg


Die Erfahrungen der Branche werden dann auf den nächsten Strohballen-Tagen wieder gebündelt. Sie werden vom FASBA ausgerichtet und finden am 12./13. September 2023 in Weimar statt.

Auf der Website des FASBA finden Sie eine Projektsammlung, Veranstaltungshinweise und Planungsratgeber.

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