Altbau in der Vitrine: Praeger Richter Architekten bauten ein Haus um ein bestehendes Haus in Guben. (Klicken für mehr Bilder)
Wohnen im Solarkollektor – so lässt sich umschreiben, wie Praeger Richter Architekten ein kleines Haus im brandenburgischen Guben umbauten. Statt den bescheidenen Ziegelbau mit dicken Dämmplatten zu bekleben, wählten sie einen eleganteren Weg zum Wärmeschutz: Sie bauten ein Haus um das Haus, das die Sonne einfängt. „Thermohaus“ nennen sie das plakativ, wobei man gerade nicht an eine Thermosflasche denken sollte, denn die minimiert ja, wie die „verfetteten“ Häuser, die Energieverluste.
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Prinzip Haus im Haus: Das Thermohaus in Guben von Praeger Richter
Bei dem Einfamilienhaus in Guben werden hingegen die solaren Gewinne maximiert und die alte Bausubstanz als Speichermasse genutzt. Im Prinzip kennt man das aus der Zeit vor den hermetischen Kisten, als Wintergärten vor die Häuser gesetzt wurden, oder von den Doppelfassaden an Bürohäusern der letzten Jahre.
Hier jedoch dient die ganze Hülle als passiver Pufferraum, kombiniert mit einer sehr simplen Form aktiver Technik: Die im Zwischenraum entstehende Wärme steigt ja in den Dachraum. Auf dem Oberboden liegen zum einen lange schwarze Kollektorschläuche, die für Warmwasser und einen Teil der Heizung sorgen. Zum andern bläst ein Lüftungsgerät die Wärme bei Bedarf wieder hinab in die Wohnräume. Oder, bei einem Zuviel an Wärme, entweicht sie einfach durch Lüftungsklappen am First.
Nur wenn es ganz kalt ist, werfen die Bewohner den Kaminofen an, der im großen südlichen Pufferraum steht. Hier ist die Hülle auch nicht aus den preisgünstigen opaken Polycarbonatplatten, sondern aus Isolierglas, sodass der Blick ins Grüne schweifen kann. Allerdings wurden Markisen nachgerüstet, da es im Sommer sonst doch zu heiß wird. Das Haus erfüllt den KfW-55-Standard.
Der „Erdung“ des Hauses kommt zugute, dass nur das Dach aus Plastik ist. Seine Flanken und den nördlichen Anbau verkleidet eine graue Holzschalung. Und bei Nacht scheint auch beim Kollektor das hölzerne Innenleben durch.
Kostengünstige Low-Tech-Lösung
Henri Praeger und Jana Richter, die in Cottbus studiert haben und sonst meist für Baugruppen im Berliner Raum arbeiten, war an einer einfachen, kostengünstigen Lösung gelegen, die den Bestand respektiert. Mit Bruttokosten von 1736 Euro pro Quadratmeter ist ihnen das gelungen. Die von 55 auf 110 Quadratmeter verdoppelte Wohnfläche bietet dabei sehr unterschiedliche Raumqualitäten – im Grunde folgt deren saisonale Nutzbarkeit dem Prinzip der traditionellen „thermischen Zwiebel“. Ist der Altbau einmal eingehaust, kann man ihn auch erst nach und nach ausbauen. Bei diesem Projekt trugen die Bauherren allein 700 Stunden Eigenleistung bei.
Altbau in der Vitrine: Praeger Richter Architekten bauten ein Haus um ein bestehendes Haus in Guben. (Klicken für mehr Bilder)
Prinzip Klimagärten: Kita Goldhofer in Memmingen von heilergeiger
Aufwendiger und artifizieller gingen heilergeiger Architekten aus Kempten beim Umbau eines Wohnhauses zur Kita im oberschwäbischen Memmingen vor. Angestoßen wurde das Projekt durch die Stiftung des Industriellen Alois Goldhofer. Sie stellte dessen Villa zur Verfügung, gewann die Stadt als Betreiberin der Kita und beauftragte 2016 drei Architekturbüros, unter Einbezug der Villa eine Kita zu konzipieren. Mithilfe des Prinzips Klimahülle gelang es Jörg Heiler und Peter Geiger, den Bestandsbau zu schonen und in ein neues Gebäude zu integrieren. Ein weit in den Garten ausgreifender Hüllkörper mit einer Fassade aus opaken Polycarbonatplatten stellt den Altbau im Inneren frei und umspielt ihn mit offenen, hellen Übergangsräumen.
Auch hier erlaubt die Hülle als Kollektor und als neue Dämmebene, dass der erhaltene Bestand ungedämmt bleibt – und schafft gut nutzbaren Zwischenraum: „Energiegärten“, wie es Heiler und Geiger mit Bezug auf den Freiburger Architekten Günter Pfeifer nennen. Die energetische Sanierung konnte auf diese Weise räumlich, architektonisch gelöst werden. Der passive Energieeintrag über die Fassaden ist wesentlicher Bestandteil des Hauses.
Fassade als Sonnenluftkollektor
Im Gegensatz zum Projekt in Brandenburg haben wir es in Memmingen mit einer echten Doppelfassade zu tun, die als „Sonnenluftkollektor“ konzipiert ist und je nach Himmelsrichtung unterschiedlich opak gewählt wurde. Die im Fassadenzwischenraum passivsolar gewonnene Energie erwärmt die Frischluft von Alt- und Neubau. Bei Überhitzungsgefahr lassen Lüftungsklappen die Wärme selbsttätig aus der Fassade entweichen.
Aktiv speist eine Photovoltaikanlage die Wärmepumpe sowie einen Pufferspeicher. Im Sommer dämpfen die Speichermasse des Bestands und die Betondecke des Neubaus Temperaturspitzen. Zisternenwasser dient dann der adiabaten Kühlung der Zuluft, die in einem einfachen Kreislauf die Verdunstungskälte nutzt. Eine kleine Gastherme kann zugeschaltet werden, um das Warmwasser auf die hygienisch notwendige Temperatur zu bringen.
Das Planerteam optimierte die energetische Performance des Gebäudes mithilfe einer 365-Tage-Simulation. Und die Realität lag selbst im heißen letzten Sommer unter den Berechnungen. Der Endenergieverbrauch des Gebäudes liegt bei 29,2 KWh/m²a, wobei der Anteil regenerativer Energie bei beachtlichen 82 Prozent liegt. Den CO2-Ausstoß beziffern die Planer mit 4,98 Kilo pro Quadratmeter und Jahr, was die Zielvorgabe der Bundesregierung für 2050 unterschreitet. Und nicht zuletzt sparte der Erhalt des Altbaus eine Menge „grauer“ Energie.
Alt und Neu erkunden
Das Konzept der Kita folgt der Reggio-Pädagogik, die den Kindern viel Freiheit lässt, ihre Umwelt zu erkunden und ihre Fähigkeiten zu entwickeln (und unter anderem auch das inzwischen geflügelte Wort vom Raum als „drittem Erzieher“ prägte). Das Fluidum an Räumen, das Nebeneinander flexibel nutzbarer Bereiche zwischen Alt- und Neubau passt genau zu diesem freien Ansatz: Hier gibt es eine „Piazza“ mit Garderobe, Kommunikations- und Spielzonen sowie einen aus der Topografie des Geländes entwickelten Versammlungsraum, erreichbar über eine Treppe und eine Rutsche. In die ehemalige Garage ist eine offene Küche eingezogen, im Keller des Altbaus gibt es eine Werkstatt. Den Garten gestalteten die Landschaftsarchitekten Latz + Partner aus Kranzberg mithilfe der alten Dachziegel der Villa.
Ist Polycarbonat nachhaltig?
So nachhaltig die beiden vorgestellten Projekte aus heutiger Sicht scheinen: Ein weinendes Auge bleibt bei der Materialwahl. UV-stabilisierte Polycarbonatplatten sind zwar billig, halten aber nur etwa 30 Jahre. Sie werden aus Erdöl hergestellt und ihre Energiebilanz ist im Vergleich zu Glas eher schlecht (siehe DAB 02.2017, „Wände aus Öl“). Dennoch ermöglichen sie, wie gesehen, neuartige Low-Tech-Beiträge, speziell zur Architektur von Klimahüllen, die in Glas derzeit nicht wirtschaftlich ausführbar wären.
Ob diese Hüllen auch für größere Gebäude taugen, ist gegenwärtig offen. Hierzulande sind zuletzt mehrere derartige Planungen gescheitert oder auf Eis gelegt worden, etwa eine kühne Kita-Umhüllung in der Einflugschneise des neuen Berliner Flughafens oder ein filigran eingehaustes Gewerbegebiet im Rhein-Erft-Kreis. Dabei zählt nicht nur die Wirtschaftlichkeit. Die Frage ist auch, ob Nutzerinnen und Nutzer beziehungsweise die Anrainer die von der Umwelt abgekapselten Räume im größeren Maßstab akzeptieren werden, stellen diese Gebäude doch hohe Ansprüche an Behaglichkeit, Luftqualität und Akustik.
Klimahülle für das ICC Berlin?
Über eine spektakuläre Klimahülle wird derzeit in Berlin diskutiert. Sie soll einen der prägenden Bauten der Hauptstadt, das Internationale Congress Centrum (ICC) an der Berliner Messe, vom maroden Dinosaurier zum Vorzeigeprojekt machen. „Man darf das nicht als bloßen Modernisierungsfall ansehen“, sagt Roland Böving, die treibende Kraft hinter der Initiative. Die neue Klimahülle soll den 313 Meter langen „Panzerkreuzer“ energieautark machen und zugleich den Stadtteil Charlottenburg durch einen Park über der Stadtautobahn wieder zusammenführen.
Einen ausführlichen Bericht über die Klimahülle für das ICC lesen Sie hier.
Mehr Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt Nachhaltig
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