Text: Roland Stimpel
Flüchtlinge brauchen Gastfreundschaft – aber das Auftürmen von Container-Massiven, wie man es sonst nur von Häfen, Güterbahnhöfen und Großbaustellen kennt, bringt in der Nachbarschaft nicht nur Sympathie. Und für die, die darin leben müssen, sind sie noch schlechter: Die Billigkisten als Symbole des weltweiten Warentransports führen den Flüchtlingen andauernd vor Augen, worunter sie am meisten leiden: dass sie heimatlos sind und womöglich bald weiterziehen müssen.
Immerhin gibt es in Praxis und Hochschulen erste Versuche, es besser zu machen. Mit verblüffend einfachen Mitteln gelingt das den Bremer Architekten Stefan Feldschnieders und Tobias Kister. Mit 30 „Raummodulen“ des Systemanbieters Algeco planten sie eine rasch zu realisierende Unterkunft für 120 Flüchtlinge im Stadtteil Hemelingen. Aber sie sahen die Boxen nicht aus dem Blickwinkel des Kranführers, der sie rasch und problemlos vom Tieflader auf die Wiese bekommen will. Sondern aus dem Blickwinkel der künftigen Bewohner auf Zeit. Den zu gewinnen, half ihnen eine muslimische Mitarbeiterin im Büro.
Flüchtlings-Helfer wissen: Die in Kriegen terrorisierten, vertriebenen, überanstrengten und oft traumatisierten Menschen suchen vor allem Ruhe und Intimität. Feldschnieders fand eine Hausform, die „menschenwürdigen Rückzug“ bietet und die gerade vielen Menschen aus dem Orient vertraut ist: Hof- und Atriumhäuser, die von außen nicht einsehbare Freiräume bieten und aus diesem Inneren erschlossen sind. Er gruppierte die Algeco-Module um den zentralen Platz der Anlage, „so dass fließende Übergänge von halb-öffentlichen Bereichen zur Öffentlichkeit entstehen können, ohne den Schutz der Privatsphäre zu verletzen“. Die ist jetzt so gut gewahrt, dass ansonsten streng gewandete Frauen in dem Lager die Höfe als geschützte kopftuchfreie Zonen nutzen. Das Ganze hat kaum mehr Geld gekostet als das übliche monotone Stapeln und Aufreihen von Containern. Nur die Dämmung war etwas aufwendiger, da es mehr Außenwände gibt.
Wo nicht Zeitdruck Container erzwingt, sind räumlich integrierte, architektonisch anspruchsvollere Lösungen besser. In der Praxis dient dem zum Beispiel das im Februar eröffnete „Social Business Hotel“ der Caritas in Wien, geplant vom Architekturbüro mit dem programmatischen Namen AllesWirdGut. Hier gibt es 78 nicht ganz billige Hotelzimmer, aber auch eine Unterkunft für 25 junge Flüchtlinge, die im selben Haus leben. Einige sollen hier auch arbeiten, was das deutsche Recht nicht zuließe. Man trifft sich im Erdgeschoss, wie die Architekten schreiben: „Es wird in Zukunft ebenso Eingangsbereich und Lobby für Hotelgäste wie Wohnzimmer für die hier lebenden Jugendlichen und auch Bar und Restaurant für Besucher sein – ein Beitrag zur Integration der ,Fremden‘, ganz gleich ob Gäste oder Flüchtlinge.“
Auch Hochschulen haben das Thema entdeckt. Besonders gründlich haben sich Masterstudenten der Technischen Universität Hannover damit beschäftigt. Jörg Friedrich, Initiator und Dekan der Fakultät für Architektur und Landschaft, resümiert: „Die Arbeiten weisen mit verblüffender Einfachheit nach, dass alle der Stadt zugeteilten Flüchtlinge in einer würdigeren und menschenfreundlicheren Architektur als bisher untergebracht werden können.“ Oft liegen zwar Tücken im Detail: in der Verfügbarkeit von Grundstücken, im Brandschutz, im Bauordnungs- oder Kleingartenrecht. Als Denkanstöße taugen die Arbeiten aus Hannover allemal, weshalb wir auf den folgenden Seiten eine Auswahl vorstellen.
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