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Zurück Integrale Planung

Das Gebäude als Ganzes

Fast vierzig Jahre sind seit Buckminster Fullers Aufforderung zu Teamwork und integraler Planung vergangen und immer noch wird diese Arbeitsweise nicht grundsätzlich verfolgt.

01.01.20095 Min. Kommentar schreiben

Elmar Schossig

Mit Einführung der EnEV im Jahre 2002 und dem aktuellen Energieausweis sind Regularien entstanden, die eine intelligente Arbeitsweise mehr oder weniger einfordern. Diese beginnt schon bei frühen strategischen Planüberlegungen, lange bevor über Gestaltung und Design nachgedacht wird. Welche Standortvoraussetzungen liegen vor? Welches sind die städtebaulichen Rahmenbedingungen? Wie steht es um die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Aufgabe? Der konsequente Weg, unsere Gebäude energieeffizient und nachhaltig zu planen und zu bauen, ist die integrale Planung.

Das Capricornhaus in Düsseldorf steht exemplarisch für die im Text beschriebene integrale Planung.

Geothermie

Um ein Gebäude ressourcenschonend zu betreiben, ist es zunächst sinnvoll, über die Nutzung vorhandener geothermischer Möglichkeiten nachzudenken. In Verbindung mit Wärmepumpen, Erdsonden, Brunnen und aktiven Bohrpfählen lassen sich gute Grundlagen für ein energieeffizientes Gebäude schaffen.
Das dem Erdreich entnommene Grundwasser wird über eine Zwischenstufe in das Leitungsnetz des Gebäudes eingespeist und vorrangig zur Kühlung der Decken genutzt. Diese sogenannte Betonkernaktivierung führt dazu, dass die kühlen Decken die warme Raumluft absaugen und so den Raum kühlen. Diese Lösung ist technisch einfach, hat großen Effekt und bleibt wirtschaftlich.

Die Konsequenz aus dieser Strategie ist der Verzicht auf abgehängte Decken, was zusätzlich Gebäudevolumen spart. Allerdings muss die Raumakustik beachtet werden. Die überwiegend schallharten Oberflächen wie Betondecke, Glasfassade   oder Trennwände führen schnell zu Problemen. Die integrale Planungsstrategie löst die sen Sachverhalt, indem einzelne Bauteile zusätzliche Aufgaben übernehmen. Die Wand ist nicht nur Wand, sondern sie wird als schallabsorbierende Oberfläche ausgebildet. Die Bodenbeläge sind vorrangig textil, die Büromöbel, Tische und Schränke werden durch geeignete Materialwahl auch akustisch wirksam.

Flächen-/Volumeneffizienz

Effizienzsteigerungen lassen sich etwa bei Bürogebäuden auch durch die geschickte Verknüpfung von Gebäudestruktur, Fassade und Innenausbau erzielen. Das kann problemlos eine Verbesserung der Flächeneffizienz um zehn Prozent ergeben, was bedeutet, dass auch das Gebäude um zehn Prozent kleiner ausfallen kann. Bei einer entsprechenden Anpassung des Innenausbaus ist gut mit Achsrastern von 1,30 Metern zu planen.

Dezentrale Technik

Während traditionell Gebäudestruktur, Fassade, Innenausbau und Technik nebeneinander entwickelt werden, versucht die integrale Planung, gerade durch intelligente Verknüpfungen Syn­ergien zu finden. Die Dezentralisierung der Technik ist der strategische Weg dahin. Der Wegfall großer zentraler technischer Anlagen kann einen deutlich effizienteren Grundriss generieren. Die für zentrale Anlagen benötigten Schächte können kleiner werden und große Technikräume im Gebäude oder auf dem Dach können entfallen. Zusätzlich kann die Dicke der Geschossdecken verringert werden (40 Zentimeter gegenüber häufig 55 bis 60 Zentimetern). Eine Verbesserung der Volumeneffizienz ist die Folge. Beispiel: Bei einem 15-geschossigen Gebäude kann bei gleichem Volumen ein Geschoss mehr gebaut oder das Gebäude entsprechend verkleinert werden.

Integrierte Fassade

Für den Energiebedarf eines modernen Bürogebäudes ist die Konzeption der Fassade von entscheidender Bedeutung. Moderne Fassaden sind heute hervorragend gedämmt und schützen das Gebäude vor Auskühlung. Durch die meistens vorhandenen inneren Wärmelasten ist der Bedarf an Heizenergie eher gering. Bedeutend allerdings ist die Frage der solaren Aufheizung. Wenn die innere Erwärmung durch äußere Einflüsse zu groß wird, muss sie unter großem Energieeinsatz kompensiert werden. Dies ist nach wie vor bei Gebäuden ohne Doppelfassade der Fall. Aber selbst mit aufwen­digen Doppelfassaden geht es nicht ohne Probleme. Einfacher und zielführender ist es, den transparenten Teil der Fassade zu begrenzen. Ein Verhältnis von 60 Prozent transparent und 40 Prozent opak bietet eine gute Grundlage.

Innen liegende Sonnenschutzlamellen. Sie sind zentral gesteuert und tageslichtlenkend.

Die anschließenden Überlegungen gelten dem Sonnenschutz. Er ist mitbestimmend für den solaren Eintrag und damit für die Aufteilung des Gebäudes. Die Standardlösung mit mobilem, außen liegendem Sonnenschutz (Lamellen, Screen) ist meist die kostengünstigste, hat aber auch Nachteile in der Verknüpfung von Sonne und Wind. Hier gibt es immer eine Windpräferenz, da sonst eine Beschädigung der Lamellen zu befürchten ist. Zudem neigen die der Witterung ausgesetzten Lamellen zu starker Verschmutzung. Dies wiederum führt dazu, dass die Tageslichtnutzung leidet. Für bessere und nachhaltigere Lösungen haben sich innen liegende Sonnenschutzlamellen bewährt. Die besten Produkte sind leistungstechnisch den Lamellen außen nahezu gleichwertig. Für die Tageslichtnutzung, die auch in puncto Energieeffizienz bedeutend ist, sind diese Hightechlamellen sehr leistungsstark.

Gebäudeautomation

Damit alle Komponenten auch effizient genutzt werden, bedarf es einer „intelligenten“ Steuerung des gesamten Systems. Ein Bürogebäude wird von den 8 760 Stunden eines Jahres nur in etwa 22 bis 25 Prozent der Zeit genutzt – in allen anderen Zeiten muss das Gebäude automatisch wissen, was es tut.

Hierfür wurden in den letzten Jahren sehr gute Steuerungsprogramme entwickelt, die in der Lage sind, die Einzelkomponenten effizient zu verknüpfen. Dies führt zu einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz, weil das Gebäude gerade in Verbindung mit einer dezentralen Technik sehr präzise, den jeweiligen ­Anforderungen angepasst, gesteuert werden kann.

Der einzelne Arbeitsplatz erhält hohen Nutzungskomfort, gleichzeitig wird viel Energie gespart. Die Überlegungen zur Einbindung der Gebäudeautomation müssen frühzeitig erfolgen, damit auch die Hardware entsprechend vorbereitet werden kann. Ziel ist, alle gebäudeseitig vernetzten, softwaregestützten Systeme innerhalb eines Gebäudes komplett über das Internetprotokoll (IP) zu organisieren.

Elmar Schossig ist Architekt und Mitinhaber des Kölner Büros Gatermann+Schossig.

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