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Ist der Denkmalschutz Hilfe oder Hindernis?

Leserinnen und Leser antworten: einige haben Freude am Denkmalschutz, anderen steht das Amt im Weg. Außer man ist ein namhaftes Architekturbüro oder ein großer Investor?

28.07.20237 Min. Kommentar schreiben
Kongresszentrum ICC mit Metallfassade
Seit 2014 steht das Berliner ICC leer. Seit 2019 ist es denkmalgeschützt. Aber ist das wirklich der Grund dafür, dass bisher keine Umnutzungsidee umgesetzt wurde?

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Ist der Denkmalschutz Hilfe oder Hindernis für Ihre Arbeit?“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.


Steuerliche Abschreibung gut, steuerliche Wirksamkeit begrenzt

Der Denkmalschutz hilft bei ­unserer Arbeit:

  • weil die fachliche Beratung geschätzt wird
  • weil die steuerliche Abschreibung „Öl im ­Getriebe“ ist

Der Denkmalschutz erschwert unsere Arbeit:

  • weil die volle steuerliche Wirksamkeit nur bis Baubeginn ­gegeben ist
  • wenn die Denkmalschützer(in) kein praxis­bezogenes ­Verständnis hat
  • wenn Denkmalschutz und Brandschutz ­miteinander kollidieren
  • wenn das denkmalrechtliche Verfahren aus Personalgründen zum Planungshemmnis wird.

Ernst Frey, Architekt und Stadtplaner, Stuttgart


Persönlicher Ansporn

Ich finde, es ist eine der interessantesten Plan- und Bauaufgaben in unserem Beruf. Freier Leitsatz: Nur wer die Vergangenheit versteht, kann die Zukunft gestalten. Es ist mir persönlicher Ansporn, möglichst viele Denkmäler in nachhaltige und zeitgemäße Gebäude zu transformieren. Dabei lerne ich/lernt mein Team in Altbauten auch immer wieder Neues für die Berücksichtigung bei unseren Neubauplanungen. Es gibt sicherlich leichtere und anspruchslosere Planungsaufgaben.

Henning Bökamp, Architekt, Bad Oeynhausen


Mehr Support vom Staat nötig

Das steht und fällt mit den Personen bei der Denkmal­behörde. Bei uns wird die ­Arbeit eher erschwert. Wenn man sieht, wie viel Atem ­manche Bauherren brauchen im Vergleich zu „Neubauern“ oder „Abreißern“, sollte mehr Unterstützung von Staats­seite kommen. Die finanzielle Last wird durch die Bauzeitlänge manchmal sehr drückend und ich frage mich, wie das manche stemmen.

Achim Mayer, Architekt, Mühlacker


Der Mensch ist der Störfaktor

Es ist eines unserer Fachgebiete, alte Gebäude wieder in Schwung zu bekommen. Der Denkmalschutz ist dabei auch öfter involviert und ist eigentlich kein Störfaktor, denn solch alte Gebäude sollten aus unserer Sicht genauso wiederhergestellt werden, wie sie ursprünglich entstanden sind. Ich finde eher, dass Investoren, Architekten oder auch Bauherren die Störfaktoren sein können. Das Haus steht unter Umständen schon mehrere 100 Jahre dort, hat sehr viele Dinge miterlebt – und nun soll es aus Altersgründen abgerissen werden oder mit billigen Materialien, wie zement- oder gipsgebundenen Baustoffen, saniert werden? Damit macht man doch direkt die nächste Baustelle auf.

Wir haben 2017 ein reetgedecktes Fachwerkhaus gekauft. Der Hausteil von 1650 war bestens erhalten, die Hölzer waren enorm hart und stabil – der Teil des Hauses, der in den 1970er-Jahren saniert wurde, war an allen Stellen schadhaft, ich konnte die alten Balken mit dem Besen entfernen.

Björn Heemann, Architekt, Bruchhausen-Vilsen


Spaß und Freude garantiert

Der Denkmalschutz ­erleichtert meine ­Arbeit, weil das fan­tasievolle Suchen nach ­möglichen Entscheidungen und ­Lösungen für das Denkmal und der Entscheidungs­prozess selbst Spaß / Freude verursachen.

Anna Katharina Zülch, ­Architektin, Hamburg


Wirtschaftlich tragfähige Nutzungen unmöglich

Als kleines Büro „ohne großen Namen“ sehen wir den Umgang mit dem hiesigen Denkmalschutzamt als durchweg hinderlich an. Eine ausschließlich an Erhalt oder Wiederherstellung des Originalzustands orientierte Definition von Denkmalschutz führt hier zu Anforderungen, die eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung und Entwicklung denkmalgeschützter Bauwerke oftmals unmöglich machen. So wird manches Denkmal vielleicht auch dem Verfall preisgegeben.

Für den nachhaltigen und zukunftsträchtigen Betrieb eines Baudenkmals sind technisch und wirtschaftlich tragfähige Lösungen erforderlich, die zuerst einen offenen Dialog und auf allen Seiten die Bereitschaft zu Kompromissen erfordern. In unserer Praxis haben wir den Denkmalschutz in Hamburg bisher leider nicht als Partner, sondern als Gegner erlebt.

Frank Lutze, Architekt, Hamburg


Abrisshilfe für Investoren, Hindernis für Private

Vor ziemlich genau 50 Jahren hatte ich einen Sommer lang das Vergnügen, einen Architekten in Bayern auf dessen Baustellen zu begleiten. Es waren gotische Dorfkirchen, barocke Rathäuser und Klosteranlagen oder diverse Landschlösschen im kirchlichen, öffentlichen oder privaten Besitz. Alles historische Gebäude mit Denkmaleigenschaft, denen der Architekt seine ganze Aufmerksamkeit und Arbeitskraft schenkte, auch schon, bevor das bayerische Denkmalschutzgesetz 1973 eingeführt wurde. In gewisser Weise tat er das notgedrungen, denn er wollte nicht mittun beim Bau von Flachdächern auf Schulgebäuden aus Beton oder auf den Bungalows der Besserverdienenden. Der Architekt war (vermutlich kriegsbedingt) so „zurückgeblieben“, dass er seinen Fokus allein auf Erhaltung (statt Abriss) von Gebäuden richtete und sein bewahrendes Handeln sehr bald dem Spott von Kollegen und der Bauwirtschaft ausgesetzt war.

Die Baubehörden und Denkmalämter waren aber in jener Zeit noch sehr froh, Architekten abseits des Zeitgeists zu finden, die wussten, wie man Denkmäler erhält und wirtschaftlich instand setzt, restauriert oder umbaut und wie alle am Bau Beteiligten von der Durchführung solcher ja nicht ganz einfacher Baumaßnahmen zu überzeugen waren. Und die wussten, wie sie der schon damals falschen Annahme, dass Reparieren immer teurer als Abriss und Neubau wäre, planerisch entgegentreten konnten, und alle Aufträge für Baumaßnahmen im Bestand, gleich ob „einfacher“ Altbau oder ob „anspruchsvolles“ Denkmal, im ursprünglich geplanten Kostenrahmen abwickelten. Angesichts der anhaltenden „Kostenexplosionen“ im Alt- und Neubaubereich mag das Einhalten von einmal benannten Kosten wie ein Märchen klingen …

Jedenfalls habe ich dann selbst Architektur studiert, bei verschiedenen Landesdenkmalämtern und anderen Baubehörden hospitiert und, als frischgebackener Diplom-Ingenieur und später als freier Architekt, am kostengünstigen Erhalt von vielen bedeutenden Baudenkmälern in der BRD und in der ehemaligen DDR erfolgreich mitwirken dürfen. Den, nicht nur aus meiner Sicht, politisch motivierten Abriss von „Erichs Lampenladen“ (Palast der Republik) konnte ich aber trotz allem nicht verhindern. Allerdings konnten das die Denkmalbehörden auch nicht – vielleicht, weil sie sich zu gerne, wie andere Bauämter auch, in vertragliche Angelegenheiten der Architekten einmischten und nicht selten die vorgesehenen Honorarzonen oder -zuschläge der HOAI in den Architektenverträgen torpedierten.

Seit vielen Jahren nun wurden so manche Kollegen und Teile der Bauwirtschaft und Baustoffindustrie, nach einem Werbeslogan der 1980er-Jahre: „Beton. Es kommt drauf an, was man draus macht“, zu Verursachern von teuren Beton- und Flachdachschäden an unseren Schulen, Universitäten, Rathäusern, Kliniken, Opernhäusern etc. (von Straßen und Brücken nicht zu reden), und verdienen oft zum zweiten Mal an meist noch teureren Reparaturmaßnahmen. Schön, dass den eben genannten Gebäudetypen nun auch noch Denkmaleigenschaft angedichtet wird.

Die Denkmalschutzbehörden haben seit den 1980er-Jahren, auch wegen mangelnder politischer Unterstützung, kaum noch Besseres zu tun, als ihren Frust über Bestandsverluste an einzelnen privaten Bauherren und Bau­frauen auszulassen. Da wird dann zum Beispiel die Farbe von Fensterläden das einzige Kriterium für Zuschussbewilligungen, während das Denkmal in Investorenbesitz, trotz viel größerer öffentlicher Bedeutung, schnell mal „aufgegeben“ werden muss, weil zum Beispiel ein gotisches Kellergewölbe die Nutzungspläne – um nicht zu sagen: die Profitgier – stört, damit auch Baudenkmäler zu Betongold werden.

So gesehen ist „Denkmalschutz“ vermutlich doch immer beides: Hilfe für „Investoren“ und Hindernis für „Private“. Die einen bedienen sich seiner als ideologische Abrissbirne, die anderen versuchen idealistisch mit Blut, Schweiß und Tränen den Bestand zu retten und so echte Nachhaltigkeit zu leben. Egal, wer da nun richtig liegt, kann man aber feststellen: Rom ist auch nicht an einem Tag untergegangen …

Armin L. Fischer, Architekt, Köln

 

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