Text: Myrta Köhler
Renderings überall – bei Entwurfspräsentationen, in Wettbewerben, Medien, und Vermarktungs-Unterlagen. Computer-generierte Abbilder der Entwurfszeichnung, die Fotos oft täuschend ähneln, sind zum wichtigsten Mittel der optischen Architektur-Kommunikation geworden. Doch Tilman Fritzsche, Leiter des Wettbewerbsteams bei Léon Wohlhage Wernik in Berlin, warnt vor der Konzentration auf Renderings: „Man müsste korrekterweise von ‚Visualisierung‘ sprechen – und dazu gehört mehr als das Computergenerieren von 3D-Abbildungen.“ Das Rendering an sich sei nur ein Baustein. „Wir selbst malen auch häufig ganz klassisch mit einem 2D-Zeichenprogramm, meist mit Photoshop. So, wie man früher mit der Hand gezeichnet hat.“ Vor allem solle man mit dem Bild nicht so tun, als wolle man die spätere Realität optisch vorwegnehmen. Fritzsche plädiert für eine grundlegend andere Sichtweise: „Die Visualisierung ist kein Abbild der Wirklichkeit, sondern Ausdruck meiner Idee.“ Nur bestimmte Aspekte des Entwurfs ließen sich damit besser hervorheben – etwa Körperlichkeit und Texturwirkung.
Vision I: Bloomimages verspricht den Anblick eines Bürohauses nach einem Entwurf von BRT Architekten für den Rödingsmarkt in Hamburg.
Kilian Kada, Gesellschafter des Aachener Büros kadawittfeldarchitektur, sieht die Stärke der Bilder im Erschaffen einer Atmosphäre. „Diese Atmosphäre wird zwar von Visualisierungsbüros oft überzeichnet, was von Traditionalisten kritisch betrachtet wird. Aber Renderings sind einfach Hilfsmittel – ebenso wie Pläne, Piktogramme oder Modelle. Sie erweitern die Bandbreite an Medien, die der Abbildung einer Idee dienen.“ Ohnehin komme man nicht umhin, sich mit den neuen Möglichkeiten der Bild-Erstellung anzufreunden. „Die Gesellschaft wird nun mal immer oberflächlicher und giert nach Bildern. Es geht also eher darum, sich mit dem allgemeinen kulturellen Zugang zur Architektur auseinanderzusetzen.“
Große Anschaulichkeit, aber auch große Suggestions- und Verführungskraft: Je wichtiger Renderings werden, desto lebhafter wird ihre Verwendung unter Architekten diskutiert. Teils so lebhaft und scharf, dass Kada warnt: „Man darf nicht das Rendering verteufeln – schummeln kann man bei einem Modell auch.“
Besonders nützlich seien Renderings beim konstruktiven Einsatz im Entwurf: „Architekten können Renderings auch als Entwurfshilfe begreifen – so arbeiten wir schon seit vielen Jahren. Wir bauen ein virtuelles Modell und machen davon ein Rendering; gleichzeitig bauen wir ein physisches Modell. So gibt es keine Überraschungen, und beide Methoden können einander ergänzen.“
Tilman Fritzsche geht ähnlich vor. Léon Wohlhage Wernik gibt Visualisierungen nur dann in Auftrag, wenn bereits ein fertiger Entwurf vorliegt. „Aber wir diskutieren auch entwurfliche Aufgaben anhand von Visualisierungen und nutzen diese als Vorlagen, um Aspekte wie den Lichteinfall zu testen. Bei knapp 90 Prozent aller Wettbewerbe machen wir deshalb die Bilder selbst – jeder von uns beherrscht die Technik mittlerweile hinreichend.“ Die Vorteile der Visualisierungen liegen für Fritzsche auf der Hand: „Es gibt einfach viel mehr Möglichkeiten und damit auch Freiheiten, die Entwurfsintention darzustellen.“ In Hochschulen werde deshalb das Rendern gelehrt.
Besonders umstritten ist der Einsatz von Renderings in Wettbewerben. Kilian Kada berichtet über den Wettbewerb für die neue Architekturfakultät in Bochum, der Ende Mai entschieden werden sollte: „Es wurden nicht einmal Modelle verlangt – das ist Wahnsinn! Und das ausgerechnet bei einer Architekturfakultät! Dann ist es natürlich kein Wunder, dass Bilder sprechen.“ Es kommt aber auch das Gegenteil vor. Vor drei Jahren wurden bei zwei Wettbewerben in Saarbrücken Leistungen von Teilnehmern, die nicht gefordert waren, von der Bewertung durch das Preisgericht ausgeschlossen. Das Vorgehen betraf vor allem Renderings und löste eine lebhafte Diskussion aus.
Der oft in Preisgerichte berufene Darmstädter Architekt und Hochschullehrer Johann Eisele stimmt der saarländischen Haltung zu: „Bei Wettbewerben würde ich die Zulassung von Renderings verbieten. Denn so sehr das viele auch bestreiten mögen – sie beeinflussen Preisrichter nun einmal.“ Zudem bestehe die Gefahr der Verfälschung: „Schon eine einfache Perspektivverschiebung hat krasse Auswirkungen.“ Pläne und eine Teilansicht im Maßstab 1:50 oder 1:20 seien bei Wettbewerben völlig ausreichend. „Bei Renderings weiß man nie, was hinter der Hülle steckt. Und wie sollte man in einem so frühen Stadium so exakte Daten liefern können – zumal eine Wettbewerbsleistung noch nicht einmal eine Vorentwurfsleistung nach der Honorarordnung darstellt, also bestenfalls eine Teilvorentwurfsleistung sein kann?“ Zu seiner Juroren-Praxis berichtet Eisele: „Mich interessieren Renderings ohnehin erst an letzter Stelle – auch Laien brauchen sie meist nicht. Wenn man sich dann klar macht, dass ein Bild mehrere Tausend Euro kostet, wird deutlich, wie viel Geld in Deutschland in den Sand gesetzt wird.“
Kilian Kada dagegen fände ein Rendering-Verbot wenig sinnvoll. „Wer sich auskennt, kann durchaus relativieren. Man muss einfach darauf achten, dass die Beurteilenden in den Preisgerichten kompetent sind. Und wir Architekten müssen daran arbeiten, dass das Gesamtpaket stimmt.“ Problematisch sei jedoch manchmal die Arbeit mit Investoren: „Wenn man schon in einer frühen Entwurfsphase dazu angehalten wird, realistische Bilder zu präsentieren, bevor das Haus überhaupt fertig gedacht ist, dann schränkt das ein und ist hinderlich für die freie Weiterentwicklung von Ideen.“ Auch Tilman Fritzsche hält ein Rendering-Verbot für unsinnig: „In der Geschichte der Architektur-Darstellung hat es immer Schaubilder gegeben. Man denke nur an die schönen Zeichnungen von Schinkel. Und außerdem: Getäuscht und geflunkert wird überall – auch bei Schnitten und Grundrissen kann man Sachen begradigen.“
Kostspielige Ästhetik
Der Einsatz von Visualisierungen ist nicht zuletzt eine Kostenfrage. Viele Büros, darunter auch kadawittfeld, lassen die Bilder überwiegend im eigenen Betrieb anfertigen. Für Auftragsarbeiten muss man pro Bild Mindestpreise von rund 100 Euro veranschlagen; es können aber auch mehrere Tausend werden. Abhängig ist das einerseits von der Qualität, aber auch davon, ob nur das Bild oder auch ein virtuelles Modell angefertigt wird. „Ein 3D-Bild zu einem Preis von 5.000 Euro ist schon nahe der fotorealistischen Perfektion“, meint Eisele. „Allerdings kann es bei Hochhäusern oder Sonderformaten deutlich teurer werden.“ Gerade für weniger etablierte Büros ist das eine enorme Belastung. Christian Zöllner von der Rendering-Agentur Bloomimages macht für sie ab und zu Ausnahmen: „Es kommt vor, dass wir jungen Büros Sonderkonditionen gewähren, deren Projekte uns besonders interessant erscheinen.“
Vieles könne man selbst machen, meint Kilian Kada: „Mittlerweile lässt sich auch mit einfachen Mitteln eine gute Atmosphäre erzielen. Fotorealismus ist nicht immer die beste Lösung. Viel wichtiger ist es, seinen eigenen Stil zu finden.“ Dazu brauche man nicht viel mehr als Photoshop und Architektur-Kenntnisse. Auch die Designer in seinem Büro sind allesamt ausgebildete Architekten. „Heutzutage beschäftigen sich schon die Studenten mit den neuen Möglichkeiten und sind dann relativ schnell gefragt. Meist werden Visualisierungsbüros von jungen Architekten gegründet, die sich spezialisieren.“
Myrta Köhler ist freie Fachjournalistin in Berlin.
Bei einer Angabe ist mir leider ein Fehler unterlaufen: das Rendering der Fa. Merck in Darmstadt wurde von Bünck und Fehse, Berlin gefertigt.
Jo Eisele