Der Countdown läuft: Es sind nur noch wenige Tage bis zur wichtigsten Versammlung des Berufsstands in diesem Jahr vom 11. bis 12. Oktober. Sie beginnt und endet festlich: am 11. Oktober ab 19 Uhr mit einem Architektenfest im Sprengel-Museum, am 12. um 18 Uhr mit der Verleihung des Deutschen Architekturpreises 2015 im Schloss Herrenhausen. Vor dem zweiten Ereignis geht es am 12. Oktober ab 10 Uhr am gleichen Ort um Baukultur und Berufspolitik. In den vergangenen Monaten haben Podiumsteilnehmer auf diesen Seiten ihre Positionen zu den Schwerpunktthemen dargestellt: Generalismus und Spezialisierung, Vergabe, Haftung und Energiewende. Mit zwei aktuellen Diskussionsbeiträgen zum BIM schließen wir diese Vorbereitungs-Serie ab.
PROGRAMM UND ANMELDUNG: WWW.DEUTSCHER-ARCHITEKTENTAG.DE
Die Effizienz steigt deutlich
Text: Ilka May
Building Information Modeling (BIM) ist eine gemeinschaftliche, durch digitale Technologien unterstützte Arbeitsweise, die effiziente Methoden des Planens, Bauens und Betreibens von Bauwerken ermöglicht. BIM verknüpft wichtige Produkt- oder Objektdaten in einem digitalen 3D-Modell, das zum effektiven Management von Informationen über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks hinweg dient – von den ganz frühen Konzeptphasen bis hin zum Betrieb. BIM wird oft als ein Weichensteller für einen fundamentalen Kulturwandel im Planen, Bauen und Betreiben angesehen.
Global beginnt eine größer werdende Zahl von Ländern die Vorteile und Möglichkeiten durch BIM zu realisieren und in den Ausbau der eigenen Fähigkeiten zu investieren – im Hochbau wie im Infrastrukturbereich. Das gilt nicht nur für Neubauten. Wir sehen auch große Vorteile für Ertüchtigungsmaßnahmen und Renovierungen, wenn beispielsweise überwiegend digitale Daten aus anderen Quellen, wie Laserscan, Licht- oder Energieanalysen genutzt werden.
Während der Planungs- und Realisierungsphase eines Bauprojekts sehen wir deutliche Effizienzsteigerungen durch bessere Koordination der Fachplanungen und schnellere und bessere Analyseverfahren. Visualisierungen in 3D sorgen für ein besseres Verständnis des geplanten Bauwerks und helfen Einsparpotenziale während des Betriebs zu identifizieren sowie Risiken zu reduzieren. Die Verknüpfung von Planungsdaten mit Terminplänen und Kosten hilft besonders Projektmanagern und Steuerungsinstanzen bei der Durchführung des Projekts.
Um das volle Potenzial von BIM ausschöpfen zu können, müssen wir aber über die Realisierungsphase eines Bauprojekts hinaus denken. Wir müssen Wege finden, die digitale Technologie und die damit gekoppelten Prozesse zu nutzen, um mehr Kapazität und Leistungsfähigkeit unserer Bauwerke und unserer Infrastruktur zu erzielen – und dass, ohne mehr investieren zu müssen und mehr Ressourcen zu verbrauchen. Um das zu erreichen, müssen wir die Verfügbarkeit unserer Bauten für die Nutzer maximieren und ihre Leistung mit Hilfe digitaler Daten beobachten, damit wir Probleme frühzeitig erkennen können. Die gewonnenen Erkenntnisse über das tatsächliche Verhalten unserer Bauwerke müssen dann wieder in die Planung der nächsten Generation von Bauwerken einfließen. Im Fokus stehen gleichermaßen Ziele der Nachhaltigkeit wie Energie- und Ressourceneffizienz sowie Lebens- und Arbeitsqualität.
Spannend im Neubau, kritisch im Bestand.
Text: Martin Müller
Die Bundesarchitektenkammer sieht im Building Information Modeling ein großes Potenzial für präzisere, transparentere und besser abgestimmte Planung, auch und gerade unter Einbeziehung von Kosten und Terminen. Die BAK ist einer der Gründungsgesellschafter der nationalen Plattform planen-bauen 4.0 GmbH und hat parallel einen BIM-Expertenkreis gegründet, in dem unter anderen die mit dem Thema befassten Bundesministerien, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Länderarchitektenkammern, Architektenverbände, das Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI) und die oben genannte planen-bauen 4.0 GmbH vertreten sind.
Fundamentalopposition gegenüber BIM wäre völlig fehl am Platz; falsch wäre aber auch eine kritiklose Euphorie und eine voreilige verpflichtende Einführung von BIM beispielsweise für öffentliche Projekte, solange nicht einige absehbare Probleme ausgeräumt sind. Hierzu gehört die Differenzierung, für welche Projekte BIM gut und für welche es womöglich weniger taugt.
Seine volle Stärke kann BIM vor allem im Neubau entfalten, wo anfangs naturgemäß noch keine physischen Daten des Gebäudes existieren und erst als Folge der BIM-Planung materialisiert werden sollen. Doch im Neubau wurden im Jahr 2013 nur noch knapp 33 Prozent des gesamten Bauvolumens erbracht, dagegen 67 Prozent im Bestand. Soll dort BIM verantwortlich und grundlegend praktiziert werden, müssen die nötigen Daten erst aufwendig sachverständig ermittelt werden. Bei älteren Bauten mit zwischenzeitlichen (Kriegs-)Beschädigungen, Umbauten, Reparaturen und Modernisierungen geben die Bauakten und vorhandenen Gebäude-Dokumentationen das in aller Regel nicht her. Und wie jeder mit Bestandsprojekten Befasste weiß, sind verwendete Materialien, Bauzustände und Schäden oft erst nach Eingriffen in die Substanz überhaupt erkennbar. Das vollständige und fehlerfreie BIM-Modell eines Altbaus als Grundlage für alle nachfolgenden (Um-)Planungen ließe sich demzufolge erst aufstellen, wenn dieser (theoretisch) in seine Bestandteile zerlegt ist.
Zur Systematik von BIM gehört auch, dass zunächst das digitale Modell bis ins Detail geplant und dann gebaut wird. Baubegleitende Planung sollte weitgehend entfallen. Aus den beschriebenen Gründen ist das jedoch bei Projekten im Bestand kaum vollständig machbar und praktikabel. Sollte BIM auch für (öffentliche) Bestandsprojekte flächendeckend eingeführt werden, wie von einigen Interessierten gefordert, dann braucht es nicht nur das neue Berufsbild des BIM-Managers. Sondern dann müssten parallel auch im großen Umfang „BIM-Bestandserfasser“ aktiviert werden – womöglich eine weit umfangreichere Tätigkeit als das BIM-Management. Beides im Übrigen Tätigkeitsfelder für Architekten!
Auch zwei weitere Versprechen von BIM sind im Bestand weit schwieriger einlösbar als im Neubau: Die Kostenplanung hängt von der vorhandenen, aber oft eben verborgenen Substanz und ihrer Qualität ab, ebenso der zu leistende Aufwand und damit die Planung der Termine.
Nicht nur eine Herausforderung für den Bestand, sondern auch eine für den Neubau ist die Notwendigkeit, dass alle am Bau Beteiligten sich im BIM-Modell bewegen und dafür die notwendige Kenntnis haben sowie entsprechend leistungsfähige Soft- und Hardware bereithalten müssen. Dies beträfe dann nicht nur alle jungen und kleinen Architekturbüros, sondern auch alle Fachplaner, jeden Handwerksbetrieb, der an einem entsprechenden Projekt teilhaben will, und nicht zuletzt – mal hypothetisch bis ganz zu Ende gedacht – jeden Bauherrn, ob Eigenheimer oder den zuständigen Mitarbeiter in einem kleinstädtischen Bauamt. Allerdings wäre es eine Illusion, zu glauben, der Häuslebauer oder der ehrenamtliche Bürgermeister könnte sich abends ins BIM-Modell einloggen und einen einfachen Überblick über Stand und Erfordernisse seines Projekts gewinnen.
Auch weitere Fragen sind noch offen und verlangen eine gründliche Auseinandersetzung – etwa zur Nachverfolgung und Dokumentation von Änderungen im BIM-Modell, zur Honorierung, zu Urheberrechten oder auch zur Gefahr des Hackens von BIM-Modellen.
An all diesen Fragen arbeiten wir in der BAK. Es geht uns darum, die Interessen des eigenen Berufsstands und die Belange der Planungs- und Baukultur zu wahren. Zu dieser gehört nicht zuletzt das Denken in Alternativen, das Ausprobieren und Verwerfen von Planungsvarianten. BIM-Prozesse sind jedoch strukturell eher linear angelegt, nicht in Schleifen und parallelen Entwicklungswegen.
Deshalb wäre aus Sicht der Architektenschaft ein zu früher planerischer „Tunnelblick“ verhängnisvoll. Es kann nicht sein, dass sich überwiegend die Planungsbeteiligten einem BIM-System und dahinter stehenden Interessen anpassen. Stattdessen sollten die BIM-Prozesse den anerkannten Grundbedingungen und Erfordernissen der gewachsenen Planungs- und Baukultur entsprechen und diese im Methodischen unterstützen, verknüpfen und positiv weiterentwickeln. Wünschenswert und gewünscht sind beim Neubau wie beim Bestandsbau in der Regel immobile Prototypen und keine seriellen Produkte. Und deren Entwurf erfordert integrative Denkleistung, Einfallsreichtum und gestalterische Kompetenz – Qualitäten jenseits aller elektronischen Plattformen.