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Die neuen Leiden des alten W.

Bessere Beratung und ein stärkeres Eingehen auf die Auslober bringen das Wettbewerbswesen am besten voran.

01.05.20084 Min. Kommentar schreiben

Oliver Voitl

Seit jeher bewegt kein Thema die Gemüter von Architekten so sehr wie der Architektenwettbewerb. Was gab und gibt es da nicht an Meinungen und Kommentaren über erfolgreiche oder danebengegangene Verfahren, Besetzung von Preisgerichten, nicht umgesetzte Ergebnisse, Teilnahmebedingungen und Teilnehmerzahlen. Nicht die Intensität der Berichterstattung variierte in den vergangenen Jahrzehnten, sondern lediglich deren Lautstärke, abhängig von der jeweiligen Konjunktur- und Gesetzeslage.

In Gesprächen mit Kollegen, die ihre Geschäftstätigkeit zur Wirtschaftswunderzeit ausübten, wird gern von der guten alten (Wettbewerbs-)Zeit geschwärmt. Was war denn besonders in den Sechzigern, Siebzigern oder in den Achtzigern? Die Vielfalt der Projekte, die Anzahl der Verfahren, die Perfektion der Preisgerichte oder vielleicht doch nur die überschaubare Zahl der Teilnehmer, bedingt durch mehr oder weniger protektionistisch motivierte regionale Teilnahmebeschränkungen?

Alles anders im Binnenmarkt

Die gute Wettbewerbszeit muss sich demnach definitiv vor der Öffnung des europäischen Binnenmarktes und der damit verbundenen Einführung des europäischen Vergaberechts abgespielt haben. Dies hatte zur Folge, dass im Rahmen der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erstmals Aufträge, deren Vergabe bisher „regional“ erfolgen konnte, europaweit bekannt gemacht werden mussten und die Teilnahme auch Ausländern, besonders denen aus anderen Bundesländern, ermöglicht werden musste. Damit war die heile Wettbewerbswelt nicht mehr in Ordnung, Rufe nach Abschaffung der VOF, die man – manchmal wider besseres Wissen – als Wurzel dieses Übels ansieht, dauern bis heute an.

Bei nüchterner und sachlicher Betrachtung werden aber auch die Kritiker einräumen, dass seither Direktaufträge an immer die gleichen „Spezln“ erheblich erschwert worden sind.

Doch nun zu den neuen Leiden. Die Gegner von Architektenwettbewerben behaupten: Wettbewerbe sind fremdbestimmt, dauern zu lange und sind zu teuer. Diese Vorurteile treffen aber nur dann zu, wenn die Auslober schlecht oder gar nicht beraten wurden, die Aufgabenbeschreibungen von Auslobungen mangelhaft sind und Preisgerichte sich nicht auf eindeutige Ergebnisse und Rangfolgen einigen konnten. Insoweit muss sich der Berufsstand auch mal an die eigene Nase fassen.

Professionelle Beratung potenzieller Auslober ist das Gebot der Stunde. In Bayern wurden im Jahr 2007 insgesamt 82 Wettbewerbe nach den GRW durchgeführt, davon allein 66 von der öffentlichen Hand! Davon waren lediglich 26 oberhalb des Schwellenwerts der VOF angesiedelt. 40 Wettbewerbe wurden ­also „freiwillig“ in der Erkenntnis ausgelobt, dass Architektenwettbewerbe sowohl formal wie auch inhaltlich das geeignete Vergabeverfahren darstellen. Neben dem Anziehen der Konjunktur hat sich als Schlüssel zum Erfolg erwiesen, dass die Verfahren bereits im Vorfeld auf den Auslober und die Aufgabe indi­viduell zugeschnitten worden sind. Dabei ­wurden auch die Möglichkeiten zur Durchführung von Wettbewerben mit überschaubarer Teilnehmerzahl unter „Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten“ und der dort tätigen Kolleginnen und Kollegen genutzt.

Offene Wettbewerbe sind zwar unser aller Wunsch. Sieben davon fanden im letzten Jahr in Bayern statt. Mit gutem Gewissen können diese Verfahren nur dann empfohlen und forciert werden, wenn sich das Projekt und der Auslober auch tatsächlich dafür eignen. Sinnvoller ist es doch, Auslober mit einem maßgeschneiderten, rechtssicheren und ergebnisbezogenen Verfahren zu begeistern und auf „Wiederholungstäter“ zu hoffen.

Beispielgebend ist eine Kommune im Unterallgäu, die vergangenes Jahr vier Wettbewerbe durchgeführt hat, deren Ergebnisse auch umsetzt und bereits den nächsten Wettbewerb vorbereitet.
Flexibilität ist gefragt. Die nach den Wettbewerbsregeln der GRW durchführbaren Verfahren eröffnen vielfältige Möglichkeiten und Kombinationen, ohne die Ziele und Essenzielles von Architektenwettbewerben und Grundsätze der Chancengleichheit aufgeben oder verletzen zu müssen.

Einen positiven Aspekt bringt das Losverfahren mit sich: Wenn gelost wird, müssen nach GRW die Berufsanfänger und kleineren Büroorganisationen zwingend durch einen eigenen (Los-)Topf berücksichtigt werden. Bei 92 Prozent der begrenztoffenen Wettbewerbe in Bayern konnte auf diese Weise die Teilnahmemöglichkeit der oben erwähnten Kolleginnen und Kollegen an Wettbewerben erreicht werden.

Wettbewerb als Regelverfahren

Das europäische Vergaberecht lässt es nicht zu, das Rad (national) zurückzudrehen. Warum auch? Nutzen wir stattdessen lieber offensiv die Möglichkeiten, auf die Umsetzung und die kreative Anwendung in der Praxis Einfluss zu nehmen. Anstatt nur lapidar die Abschaffung der VOF zu fordern, wäre es für den Berufsstand allemal besser, sich für den Wettbewerb als Regelverfahren im Rahmen von VOF-Verhandlungsverfahren einzusetzen.

Dass auch die Verfahrensregeln für Wettbewerbe (seien es nun die GRW oder die RAW) der Zeit und dem Markt angepasst werden müssen, hat man erkannt und eine neue Wettbewerbsordnung entwickelt, die momentan zur Abstimmung auf den Arbeitstischen der zuständigen Ministerien in Berlin liegt. Hoffen wir, dass dort etwas Besseres herauskommt als der Referentenentwurf zur HOAI-Novelle.

Dipl.-Ing. Olivr Voitl, Architekt und Referent für Wettbewerb und Vergabe der Bayrischen Architektenkammer in München.

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