Wir Architekten haben uns immer als gesellschaftliche Avantgarde verstanden. Doch wie politisch sind wir heute? Ich meine, bis heute ist unsere Arbeit, sind unsere Planungen sozial relevant und damit per se auch politisch. Der Blick zurück zeigt: Unsere Bauten spiegeln die gesellschaftliche Entwicklung wider, sie zeugen von den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Eigenschaften einer Epoche. Stadtplanung und Architektur dokumentieren die Bedeutung von Macht und Geld ebenso, wie sie deren Abwesenheit wiedergeben. Sie künden vom Willen nach Repräsentation und Distinktion und machen Reichtum wie Armut deutlich. Doch wie bauen wir heute? Werden unsere Architektur und unsere Stadtplanung einst die Botschaft einer demokratischen und damit pluralistischen, fortschrittlichen, offenen, integrierenden und sozialen Gesellschaft übermitteln? Machen wir es uns bewusst: Stadt und Haus zu planen, bedeutet, Grenzen zu ziehen zwischen innen und außen und unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen.
Gute Architektur und gute Stadtplanung helfen, Ausgrenzung und Verdrängung zu vermeiden. Das ist unser Beitrag, den wir, gemeinsam mit unseren Auftraggebern, erbringen sollten. Voraussetzung dafür ist, dass wir mit großer Sensibilität für die Bedürfnisse unserer Auftraggeber und die Belange der Gesellschaft planen. Architektur kann nie losgelöst von gesellschaftlichen Strömungen sein. Architekten und Stadtplaner müssen daher schon von Berufs wegen politisch denken und handeln. Einer komplexen Gesellschaft, die sich weiter ausdifferenziert und vielfältiger wird, wird man kaum mit einfachen Antworten begegnen können. Es wird versucht, aber wir wissen, wohin Populismus und Demagogentum führen können. Umso wichtiger ist es, dass wir 130.000 Architekten und Stadtplaner unsere Stimme abgeben und dazu beitragen, dass Verdruss oder Beliebigkeit nicht die Oberhand gewinnen. So tragen wir dazu bei, eine offene und vielfältige Gesellschaft zu erhalten und auszubauen. Sicher, es gehört zu unseren Freiheiten, auf die Wahl zu verzichten. Aber ich erinnere daran, dass Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern durch unsere Wahl erst lebendig wird. Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck wies vor der Bundestagswahl 2013 darauf hin, dass „unsere Demokratie davon lebt, dass wir eine Stimme haben und diese Stimme nutzen. Sie lebt davon, dass Bürger andere Bürger auf Zeit damit beauftragen, die öffentlichen Dinge zu regeln. Und sie lebt davon, dass die Gewählten ihren Auftrag ernst nehmen.“ Wer unser Land gestaltet, braucht unsere Stimme und unseren Auftrag. Wir entscheiden selbst, wie viel Kompetenz und Hingabe und wie viel Mut und Ehrlichkeit wir in der Politik vorfinden. Das ist kein Zufall, sondern Folge unserer Entscheidung. Ich stelle mir vor, dass Wahl ist, und alle Kolleginnen und Kollegen gehen hin.
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