Text: Nils Hille
Ein Rundum-sorglos-Paket – so könnte Bernd von Sass getrost seine Angebote an die Kommunen bezeichnen. Wer bei dem Büroinhaber von Mrotzkowski Architektur in Oldenburg eine Sporthalle in Auftrag gibt, braucht sich nach seinen Worten wenig Gedanken zu machen: „Wir bieten ihnen Kostensicherheit, bleiben immer in der angegebenen Bauzeit und, wenn sie wollen, lege ich ihnen auch noch die passenden Bälle rein.“
Letzteres meint von Sass beileibe nicht als Scherz. Der 53-Jährige gilt als Experte in seinem Fach – bis hin zu den Ausstattungsdetails. Seit 20 Jahren leitet er, erst mit dem Namensgeber Rolf-Peter Mrotzkowski und mittlerweile mit Bernd Rohlfs, das Büro, das seit seiner Gründung 1993 rund 120 Turn- und Sporthallen gebaut hat – mal Einfach-, meistens Zweifach-, öfter Dreifach- und selten auch Vierfach-Hallen. „Der Sportstättenbau ist bis heute ein gigantischer Markt. Wir haben immer genug Aufträge gehabt.“ Eine Aussage, die man zu gern glauben möchte, aber nicht so ganz glauben kann. Denn was war in den Krisenzeiten, in denen die häufig schon klammen Kommunen erst recht sparen mussten? „Auch da hatten wir genug zu tun“, sagt von Sass entspannt. Und erklärt: „Gerade in solchen Zeiten ist es sehr populär, den Sport zu unterstützen. Solch ein Bau symbolisiert doch, wie wichtig den Politikern die gesellschaftlichen Belange sind.“
So profitieren auch die zwei Chefs und acht Mitarbeiter des Oldenburger Büros. Ihre Schwerpunkte haben sich allerdings in den vergangenen Jahrzehnten etwas verschoben: Mrotzkowski Architektur realisierte zu Beginn 70 Prozent Neubauten und 30 Prozent Sanierungen; heute liegt die Verteilung bei 50 zu 50. Sehr viel anders wird es aber nicht werden: „Oft rechnen sich Sanierungen gar nicht. Die Materialien sind schlecht oder der Bau ist durch Asbest eh zum Abriss verurteilt“, sagt von Sass.
Egal ob Neubau oder Sanierung: Der Klassiker war, ist und bleibt die Zweifach-Halle, sprich: ein großer Raum, der sich je nach Bedarf durch einen Vorhang in zwei voneinander unabhängig bespielbare Bereiche einteilen lässt. Zwei Drittel aller Aufträge für Mrotzkowski Architektur drehen sich um diesen Bautypus, in dem alle klassischen Hallensportarten möglich sind. „Da zählt auch viel ‚Copy-and-paste‘ zu unseren Aufgaben“, gibt von Sass ohne Scheu zu. „Aber auch dadurch können wir wirtschaftlich erfolgreich bauen – für die öffentlichen Auftraggeber und auch für uns.“ Sein Anspruch konzentriert sich häufig auf die perfekten Nutzungsmöglichkeiten. Wenn die Kommune finanziell etwas besser ausgestattet ist, geht auch eine höherwertige Fassadengestaltung. „Es sind nun mal Funktionsbauten, bei denen wir den Geschmack der Kommunen treffen müssen – und bei denen überwiegt aus finanziellen Gründen häufig ihr Kosten-Geschmack.“
Gestalterisch hat sich über die Jahrzehnte trotzdem einiges geändert: Planten von Sass und seine Kollegen die Hallen vor 30 Jahren noch mit massivem Stahlbeton und abgehängten Decken, dominieren heute Leichtbauweisen wie bei Industriebauten. Auch die Energieeffizienz spielt bei den vier bis 5,5 Meter hohen Räumen mittlerweile eine große Rolle: „Früher waren die Hallen energetisch eine Katastrophe, heute haben wir in Bremen-Tenever und in Henstedt-Ulzburg sogar schon eine erste Sportstätte im Passivhaus-Standard bauen können.“ Auch in der Ausstattungsplanung, die das Büro komplett mit anbietet, gibt es Veränderungen: Früher hingen zum Beispiel standardmäßig Seile von der Decke. Doch daran klettert schon lange keiner mehr hoch. Stattdessen gibt es nun zum Beispiel Verankerungen für Slackline, eine Art des Seiltanzes, bei dem die Sportler auf einem elastischen Gurtband balancieren. Um am Ende möglichst viele zufriedene Hallennutzer zu haben, klären die Oldenburger Planer zu Beginn ihrer Arbeit immer genau den jeweiligen Bedarf aller Schulen und Sportvereine ab, die eine Halle verwenden werden. Die Organisation der passenden Ausstattung ist dann nicht schwierig. „Wir kennen alle Hersteller auf diesem speziellen Markt – egal ob es um die Trennvorhänge, den Prallschutz oder die Geräte geht.“
Das hat sich auch unter den Kommunen und Vereinen herumgesprochen. So nehmen die Oldenburger mittlerweile Aufträge für Sportstätten in einem Radius von 300 Kilometern um ihren Sitz an. Gerade größere Sportvereine sind dabei immer häufiger selbst die Bauherren. Sie verfügen oft über bessere finanzielle Mittel und bekommen einen Zuschuss der Kommunen, damit die Halle montags bis freitags von morgens bis zum späten Mittag von den örtlichen Schulen mitgenutzt werden darf. Die Vereine profitieren von steuerlichen Vorteilen und generieren weitere Einnahmen durch gewerbliche Angebote, so von Sass: „Dabei kommen immer mehr Funktionsbereiche, wie Fitness, Wellness und Gastronomie, hinzu.“
Was Mrotzkowski Architektur für den Norden Deutschlands ist, ist SpOrt concept für Baden-Württemberg im Süden. Das Büro mit Sitz in Stuttgart und Reutlingen kann im Dezember dieses Jahres seinen zehnten Geburtstag feiern. Die beiden geschäftsführenden Architekten Cathrin Dietz und Thorismuth Gaiser hatten bereits das klassische Planungsbüro Domino geführt; 2004 gingen sie mit SpOrt concept zunächst als reine Beraterfirma an den Start. Der auch in dieser Region große Hallenbau- und -sanierungsbedarf hatte sie auf die Idee gebracht, verstärkt Standortanalysen und Konzeptstudien für Kommunen und Vereine anzubieten. Sie wurden zum Partner des baden-württembergischen Landessportbunds, was ihnen beste Auftragsmöglichkeiten verschaffte.
Der Bedarf ist ein Unbekannter
Doch schnell stellten sie fest, dass ihre klassischen Architektenkompetenzen ebenso gefragt waren. Mittlerweile arbeiten permanent 20 bis 25 ihrer 120 Mitarbeiter an den Sportstätten. Cathrin Dietz erklärt: „Viele Kommunen wissen nicht, was sie konkret für eine Halle mit welcher Ausstattung brauchen. Oft gehen die Vorstellungen dann deutlich am Bedarf vorbei.“ So gibt es zum Beispiel durch den demografischen Wandel mehr ältere Menschen, die länger Sport treiben. Dafür sind mehrere kleinere Hallen für individuellere Gruppenangebote nötig. Ein riesiger Raum mit hoher Decke würde dem nicht gerecht. Zudem steige seit Jahren der Bedarf nach Fitnessräumen mit einer Geräteausstattung, wie man sie sonst nur aus Sportstudios kennt, berichtet Thorismuth Gaiser: „Immer weniger Berufstätige können regelmäßig pünktlich um 17 oder 18 Uhr bei einem Sportkurs sein. Sie wünschen sich ein zeitlich flexibles Angebot. Darauf müssen auch die Vereine eingehen.“ Sie würden sich aber gerne aus Prinzip standardmäßig eine Dreifach-Halle wünschen, obwohl sie eigentlich gar keine wettkampftaugliche Sportstätte brauchen. „Eine Investition in einen kleinen Wellnessbereich mit Sauna würde aber viel mehr Sinn haben und für mehr Mitglieder sorgen“, sagt Dietz.
Auch bei Sanierungen mischen die Planer als Berater detailliert mit, so Gaiser: „Wir besprechen mit allen Beteiligten, wer wirklich welchen Platz und somit Raum braucht. Wenn es eskaliert, hilft mir meine Zusatzausbildung als Mediator.“ Diese umfassende Leistung vor der eigentlichen Planung nennen sie „Phase 0“, da sie nicht von der HOAI abgedeckt wird. Dietz: „Diese Aufgaben sollten ja auch eigentlich von dem jeweiligen Bauherrn geleistet werden, aber der kann das ohne professionelle Unterstützung meist nicht leisten.“
Leisten sollte sich der Nutzer aber eine Lebenszyklusbetrachtung, so Dietz weiter. Sie empfiehlt, bei der Planung eines Neubaus eine lange Nutzungszeit in den Blickwinkel zu rücken und dementsprechend die Ausstattung sowie die Installationen für beispielsweise die Heiz- und Klimatechnik zu wählen: „Nach unseren Berechnungen fallen oft nur 15 Prozent der lebenslangen Kosten einer Halle beim Bau an. Sie beeinflussen aber 85 Prozent Folgekosten. Hier besteht ein riesiger Optimierungsbedarf.“ Und ein enormer Sanierungsstau, denn auch für baden-württembergische Kommunen bedeutet der Umbau einer Sportstätte meist einen finanziellen Kraftakt.
Trotz allen Kostendrucks versucht auch SpOrt concept möglichst individuell zu arbeiten. „Wir haben zum Glück starken Einfluss auf die Gestaltung und die Materialität, auch wenn wir Kompromisse eingehen müssen“, sagt Gaiser. Und Dietz ergänzt: „Klar gibt es gewisse Module, die sich wiederholen, aber die Fassade variiert und der Umgang mit Themen wie Licht und Farben ist jedes Mal ein anderer.“ Ansonsten scheuen sich die beiden Planer auch nicht vor der klaren Aussage, dass Budgetvorstellung und Qualitätswünsche nicht zusammenpassen – auch wenn sie dann den Verlust des Auftrags riskieren. Ihre Offenheit kommt an. Dietz und Gaiser werden regelmäßig zu Vorträgen eingeladen und bekommen stetig neue Aufträge. Um sich noch weiter bekannt zu machen, schreiben die beiden Planer redaktionelle Beiträge im Vereinsblatt des Landessportbundes und nehmen an Fachveranstaltungen teil.
Körperspannung im Umspannwerk
Landesweit geht Alexander Rocho nicht auf Akquise. Klar, meint der Wuppertaler Architekt, würde er auch überall anderswo bauen und hat dies auch teilweise schon für Kunden getan. Der 50-Jährige setzt aber vor allem auf seine guten lokalen Kontakte im Bergischen Land. Vor 23 Jahren hat er Rocho Architekten, das Büro seines Vaters, übernommen. Schon dieser hatte Tennishallen gebaut und dann einen entscheidenden Kontakt zu zwei Wuppertaler Brüdern bekommen: Die Dreschers ließen den Senior 1989 ihren ersten „Sportpark“ bauen. Hier gab es zunächst ebenfalls Tennis- und zusätzlich Squashhallen. Dann kamen die Räume für Badminton und schließlich für einen immer größer werdenden Fitnessbereich hinzu – alles gebaut von den Rochos. Anschließend durfte Alexander Rocho für denselben Auftraggeber eine alte Papierfabrik im Stadtteil Elberfeld umbauen. Dank des erhaltenen alt-industriellen Charakters mit Backsteinen und Stahlträgern ist sie bis heute eine der beliebtesten Wuppertaler Sport- und Veranstaltungsstätten. Nur das eigene, ambitionierte Restaurantgeschäft versprach wenig langfristigen Erfolg und wurde von den Betreibern nach kurzer Zeit an einen Franchise-Nehmer weiterverpachtet.
Ein paar Jahre später sorgte Rocho wiederum für ein Fitnessstudio der Dreschers – diesmal einen Neubau am Neumarkt, dem zentralen Platz in der Wuppertaler Innenstadt. „Es war ein Standort, den die Bauherren einfach nicht ablehnen konnten, auch wenn ihr Herz mehr für die vielen alten Industriebrachen in Wuppertal schlägt“, erzählt Rocho. Auf einer solchen hat er für sie ein altes Umspannwerk zu einem weiteren Fitnessstudio umgebaut. Schon vor der Eröffnung veranstaltete der Betreiber einen Besichtigungstag. Die Resonanz war gewaltig: Nicht nur bei der Veranstaltung waren die unzähligen Besucher begeistert von dem zeitgemäßen Umbau, bei dem Rocho etliche alte Elemente wie Eisentüren, Stromverteiler und einen Lastenkran erhalten ließ. Begeistert seien sie auch von dem geschickt ergänzten Anbau gewesen, der beim schweißtreibenden Trainieren an den Geräten durch die großen Fenster einen Ausblick bietet, der bei gutem Wetter bis in den Düsseldorfer Medienhafen reicht. Innerhalb von nur drei Wochen beantragten daraufhin über 1.300 Wuppertaler eine Mitgliedschaft, sodass die Anmeldung frühzeitig gestoppt wurde. „Lokale Betreiber wie meine Bauherren müssen sich von den großen Fitnessstudioketten abgrenzen und Orte finden, die so ungewöhnlich und nicht austauschbar sind, dass sie möglichst viele Menschen für das Sporttreiben begeistern können“, erklärt Rocho sein Konzept.
Der gestaltete Raum soll auch bei dem nächsten Projekt wieder eine der Hauptrollen übernehmen. Nur wenige Monate nach der Eröffnung suchen die Betreiber jetzt im Stadtteil Barmen nach einer Industriebrache für ein weiteres Fitnessstudio. Mehrere Standort-Ideen haben sie schon. Welche davon sie umsetzen, wissen sie noch nicht. Nur eines steht schon fest: Der Architekt wird wieder Alexander Rocho sein.
Bedarfsgerechte Bewegungsräume: Neubau einer Zweifach-Sporthalle mit Tribünenblock in Oldenburg von Mrotzkowski Architektur