Die Zukunft des elektronischen Hauses ist in österreichischen Projekten weit gediehen – von der High-Tech-Katzenschleuse bei Matthias Horx über verschiebbare Fassaden bis zum vernetzten Seniorenheim
Von Wojciech Czaja
Es sind zwei ganz hübsche Kisten, die da oben auf der Wiese stehen. In der einen gibt es laut Homepage des prominenten Bewohners Räume zum Wohnen, Lieben und Gäste empfangen. In der anderen, etwas kleineren Box wird emsig gearbeitet, wie die vier Blockbuchstaben WORK an der Fassade verkünden. Doch vor allem ist das Domizil des Trendforschers Matthias Horx ein Exempel für technologisches Wohnen. Seit rund einem Jahr lebt er mit seiner Frau Oona Horx-Strathern und seinen beiden Söhnen in diesem neu errichteten „Future Evolution House“ am Stadtrand von Wien. Die besten und neuesten High-Tech-Geräte am Markt wurden in dem vom lokalen Architekten Hans Peter Wörndl geplanten Einfamilienhaus eingesetzt. Und Horx rührt für einen Teil der Produzenten auf seiner persönlichen Homepage eifrig die Werbetrommel.
„Nein, das ist kein vor Elektronik strotzendes Konzepthaus, in dem sich Türen vollautomatisch öffnen und Kühlschränke zu Ihnen sprechen“, sagt Horx, der als Jugendlicher immer davon träumte, in einem Raumschiff zu leben. „Es ist ein Gebäude für eine ganz normale vierköpfige Familie, die einen modernen, von Netzwerkmedien geprägten Lebensstil pflegt.“
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Der Kamin heizt das Waschwasser
Und das sieht so aus: An der Fassade und auf dem Dach gibt es integrierte Photovoltaik-Module und Sonnenkollektoren. Durch den offenen Kamin im Wohnzimmer verlaufen Wasserschlangen. Sobald im Winter das Feuer lodert, wird automatisch das Wasser für die Waschmaschine und die Fußbodenheizung aufgeheizt. Und in der Garage stehen zwei Elektroautos, die eines Tages als Energiespeicher und Back-up-System des Hauses dienen sollen.
Elektronik gegen die Kampfkater
Doch nicht nur Energiespartechniken sind im Hause Horx eingesetzt. Auch diverse spielerische Gadgets sind darin zu entdecken. So wie etwa die elektronische Haussteuerung des Tiroler Unternehmens Lifestyle Foundation, die per grünen Laserstrahl ein Interface an die Wand projiziert und mit einem iPod beziehungsweise iPad „instinktiv“ gesteuert werden kann. Das digitale Spielfeld reicht von der Temperaturregelung über Jalousien- und Lichtsteuerung bis hin zum Ein- und Ausschalten von Stereoanlage und TV. Auch die Hauskatze Isis wurde von der Zukunft nicht verschont. In ihr Fell ist ein Chip implantiert, der direkt mit einer in die Fassade integrierten High-Tech-Katzenschleuse kommuniziert. Matthias Horx: „Nur Isis kann durch. Die Kampfkater aus der Nachbarschaft bleiben stecken.“
Dass aber High-Tech-Wohnen nicht zwingenderweise einer Horx’schen Marketingkeule bedarf, beweist ein futuristisches Penthouse in der Wiener Innenstadt, entworfen von Project A.01. Im Fußboden des Dachgeschosses befindet sich ein 14 Quadratmeter großes Aquarium mit 80 Goldfischen, Kois und Putzern. Die bunten Schwimmer und die LED-Beleuchtung verleihen dem Loft einen Hauch von Karibikflair anno 2100.
Doch das eigentliche Highlight dieses Projekts befindet sich in der Dachhaut. Im Frühling und im Sommer genügt ein einfacher Druck auf den Touchscreen – und hinter der Arbeitsplatte rückt plötzlich ein üppig bepflanzter Kräutergarten ins Blick- und Riechfeld. Gleichzeitig schiebt sich ein Teil des Glasdachs nach oben und verwandelt die Küche in ein immobiles Luxus-Cabriolet.
Es ist häufig die Kombination aus Ökologie und Fassadenspiel, womit die neuen Technologien am meisten punkten können. Bei den Gebäuden des Grazer Architekten Ernst Giselbrecht genügt ein plötzlicher Wechsel von Sonnenstand und Temperatur, und schon beginnen sich die Verschattungselemente an der Fassade im Kanon zur Seite oder nach oben und unten zu schieben. Auf dieses bewegliche High-Tech-Spiel greifen vor allem öffentliche Bauträger und Unternehmen zurück. Am Laborgebäude der TU Graz (Biokatalyse) ist die Südfassade des Hauses mit gelochtem Aluminiumblech verkleidet.
Ebenfalls in Graz befindet sich das Wohn- und Geschäftshaus Rondo, das von Architekt Markus Pernthaler nicht nur entworfen, sondern auch von der Pike auf entwickelt und vermarktet wurde. Es ist eines der komplexesten Bauvorhaben, das in Österreich in den letzten Jahren realisiert wurde. „So ein Projekt kann man nur abwickeln, wenn alle Ressourcen innerhalb eines Büros gebündelt werden“, sagt Pernthaler. Outsourcing kommt für ihn nicht infrage. Jedes Detail entwickelte er eigenständig im Büro, von der Nutzung alter Betonfundamente als Erdwärme-Tauscher über den Einsatz von Solarthermie und Photovoltaik bis hin zur Reanimierung eines alten Kleinkraftwerks aus dem Jahr 1928. Nicht einmal die Abwärme der Turbinen bleibt ungenutzt. Sie wird den Wohnungen zur Beheizung zugeführt.
Palmen wachsen aus dem Kies
Im Haus selbst regiert die hohe Kunst der Naturwissenschaft. Gezielt ausgesuchte Pflanzen sorgen dafür, dass hinter der 3.000 Quadratmeter großen Membran aus Polycarbonat ein angenehmes Mikroklima herrscht. Birken, Bambus und Palmenstauden wachsen in unmittelbarer Nachbarschaft aus dem Kies. Es ist wie Urlaub. Möglich wird der städtische Garten Eden durch die Wahl des richtigen Polycarbonats. Verschiedene Farben hatte man im Labor ausprobiert. Weil die gesetzten Pflanzen zum Gedeihen rote und blaue Lichtanteile benötigen, fiel die Wahl schließlich auf einen leichten Lavendelton.
Die größten Überraschungen jedoch lauern in den ungeahnten Wohn- und Projekttypologien, die quer übers Land verstreut sind. In der oberösterreichischen Stadt Wels errichten die Architekten Luger & Maul eine hypermoderne Kirche, deren Gebetsraum je nach Anforderung und je nach Wetter variiert werden kann. Ein Knopfdruck auf den Touchscreen von Sankt Franziskus genügt, und es offenbart sich ein bewegliches Schaustück, das zwischen Bauphysik und psychischer Wärme oszilliert. Der Pfarrer ist entzückt.
Das gute Gefühl, überwacht zu sein
Nur wenige Kilometer weiter sitzt Paula Lengauer in ihrem Wohnzimmer und steuert ihren digitalen Butler. Das ist keine virtuelle Szene aus einem Vortrag von Matthias Horx, sondern gegenwärtige Realität. Die rüstige 75-jährige Pensionärin ist Anhängerin digitaler Medien und hat vor kurzer Zeit beschlossen, in ein Wohn- und Pflegeheim mit elektronischer Betreuung zu ziehen. Es ist das erste, komplett vernetzte Smart Home, das nicht nur in den Köpfen von Forschern und Entwicklern existiert, sondern auch im Alltag ganz normaler Bewohnerinnen und Senioren.
„Meine Bekannten fragen mich manchmal, ob ich mich in dieser Wohnung denn nicht rund um die Uhr überwacht fühle“, sagt Lengauer. „Aber nein, ganz im Gegenteil. Ich sehe das mehr als ein Stück mehr Sicherheit. Man wird ja nicht jünger.“ Das Projekt der Wiener Ingenieur- und Informatikfirma Beko zeigt, wo die neuen Technologien wirkliches Potenzial haben: Nicht in den mentalen Spielzimmern von Wahrsagern, sondern im ökologischen Massenwohnungsbau sowie im Sozial- und Pflegebereich. Hier liegt das Potenzial, auf breiter Ebene etwas zu verändern.
Wojciech Czaja ist freier Architekturjournalist in Wien.
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