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Drei-Einigkeit

Das „House of One“ in Berlin soll eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche beherbergen. Da wird die Planung zum stetigen Dialog zwischen Theologie und Architektur, bei dem alle Seiten gewinnen.

21.11.20168 Min. 1 Kommentar schreiben
Mehrschichtig: Ganz unten die Ausgrabungen, darüber die Straßenebene, dann die Sakralräume und ganz oben eine Aussichtsterrasse.
Mehrschichtig: Ganz unten die Ausgrabungen, darüber die Straßenebene, dann die Sakralräume und ganz oben eine Aussichtsterrasse.

Von Heiko Haberle

Am verkehrsumtosten Petriplatz im immer noch recht unbelebten historischen Zentrum Berlins soll das House of One als gemeinsames Gotteshaus der drei monotheistischen Weltreligionen entstehen. Wichtige Meilensteine sind nun erreicht: Im September wurde der Trägerverein in eine Stiftung umgewandelt, damit sind feste Strukturen geschaffen. Im August war das Vorhaben zum „Nationalen Projekt der Stadtentwicklung“ erklärt worden, womit 2,2 Millionen Euro Förderung vom Bund und 1,1 Millionen vom Land einhergehen. Insgesamt sind damit und über Spenden etwa 4,33 Millionen Euro eingeworben, was etwa zehn Prozent der erwarteten Gesamtkosten entspricht. Das ermöglicht es, nun in die Entwurfsplanung zu gehen.

Weil das House of One aber ganz und gar kein gewöhnliches Projekt ist, wird auch der Planungs- und womöglich sogar der Bauprozess außergewöhnlich sein, wie Architekt Wilfried Kuehn erklärt, dessen Büro Kuehn Malvezzi 2012 den Wettbewerb gewonnen hatte: kein übliches Raumprogramm, kein klassischer Auftraggeber, keine von Anfang an gesicherte Finanzierung und obendrein verschiedene Nutzer. In der Vorentwurfsphase trafen sich die Planer alle zwei Wochen mit den drei beteiligten Geistlichen. Dabei wurde Kuehn deutlich, „dass man die Zeit zum Material machen muss. Dies ist kein Gebäude, das man einfach hinstellen kann.“ Das passt zu seinem Büro: „Uns interessiert Architektur besonders, wenn sie nicht Produkt ist, sondern soziale Interaktion und gesellschaftliche Leistung.“

Bauen abbilden wie in Jahresringen

Man könnte ja auch in Etappen bauen, so die gemeinsame Idee. Bei einem echten gesellschaftlichen Projekt müssten idealerweise alle mit bauen und jeder seinen Ziegel mitbringen, sinniert Kuehn. Dass diese poetische Szene nicht eintreten wird, ist ihm klar, aber ein Haus, das Wachstumsschübe und Ruhephasen erlebt, Bau- und Verwitterungsperioden wie Jahresringe abbildet, kann er sich gut vorstellen. Und stellvertretend für die Auftraggeber weist Pfarrer Roland Stolte, Vorsitzender des Verwaltungsdirektoriums des House of One, auf die Parallelen zum historischen Sakralbau hin: „Beim Kirchenbau etwa wurde oft zunächst der Chor errichtet und schon gottesdienstlich genutzt, dann folgte das Kirchenschiff und später der Turm.“ Stolte lobt den Entwurf der Architekten, weil schon in frühen Phasen das House of One in seiner Grundidee „fertig“ sei. Darauf will auch Kuehn besonders achten, denn ein gedanklich so komplexes Gebäude könne man nur stückweise bauen, wenn sich der Sinn des Hauses nicht verschiebe.

Etappen: Derzeit wird über einen Bau in Phasen nachgedacht: zum Beispiel erst die archäologische Ebene und das Foyer...
Etappen: Derzeit wird über einen Bau in Phasen nachgedacht: zum Beispiel erst die archäologische Ebene und das Foyer…

Jenseits von historischer Schlüssigkeit und poetischer Idee hat die Realisierung in Phasen auch ganz handfeste Vorteile. Schon jetzt ist das internationale Medienecho gewaltig und das Projekt weltweit Thema auf Veranstaltungen oder Gegenstand von Ausstellungen. Zusätzlich werden Kontakte zu Friedensinitiativen in der ganzen Welt aufgebaut. Gedanklich wächst das Haus also bereits jetzt. Doch für die weitere Kampagne wäre ein begonnener Bau hilfreich, findet Stolte: „Das Friedenssymbol der Religionen wird sicht- und greifbar und so in nochmals neuer Weise Menschen in aller Welt einladen können, Mit-Bauherr des House of One zu werden.“ Hier scheint also durchaus sinnvoll, was wohl kein „normaler“ Bauherr jemals wagen würde: bauen, auch wenn die Finanzierung noch lange nicht steht. Aber das Haus wirbt am besten für sich selbst. Wilfried Kuehn findet ebenfalls, wenn die inhaltliche Überzeugung da sei, „dann soll man es jetzt auch machen“.

..., dann die Sakralräume...
…, dann die Sakralräume…

Auch für die Entwurfsplanung erwartet Kuehn viel Austausch zwischen Theologie und Architektur, Weiterentwicklung, Selbstfindung und Vergewisserung. Der Umgang mit dem historischen Ort könnte ein wichtiger Diskussionspunkt sein, denn das House of One wird durchaus selbstbewusst dessen Geschichte fortschreiben und dabei ein ganz eigenständiger Beitrag zur Rekonstruktionsdebatte sein.

... dann der Aussichtsturm.
…, dann der Aussichtsturm.

Auf dem Bauplatz standen zuvor mehrere Kirchen, die erste um 1230 im Zentrum des historischen Cölln errichtet, die Ruine der letzten 1964 abgerissen. Direkt auf ihren Fundamenten soll der Neubau fußen. Trotzdem müsse etwas vollkommen Neues entstehen, damit Juden und Muslime nicht bloß Gäste in einem christlichen Bauwerk seien, sagt Kuehn. Ihm ist besonders wichtig, dass dabei kein religionsvermischender Andachtsraum entsteht, wie man ihn von Flughäfen kennt, sondern die drei Religionen jeweils eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche erhalten. Dabei wird aber nicht jede Gemeinschaft über „ihren“ Raum entscheiden, sondern alle sprechen über alles. Das Miteinander ist schließlich das Thema dieses Hauses.

Gleichgewicht ohne Gleichheit

Wie sich dieses Miteinander räumlich darstellt, war bereits im Wettbewerbsentwurf von 2012 die wichtigste Frage. Kirche, Moschee und Synagoge sollten weder übereinander noch nebeneinander liegen und in keiner Rangfolge stehen, sondern in einem Verhältnis zueinander. Sie haben unterschiedliche Formen, aber gleiche Raumvolumina. „Sie stehen im Gleichgewicht, ohne gleich zu sein“, sagt der Architekt. Dafür braucht es aber unbedingt einen vierten, neutralen Raum im Zentrum, der Distanz und Autonomie ebenso gewährt wie Nähe und Kommunikation. Für die drei Religionen wirft das auch die Frage auf, was die eigene Liturgie im Kontext der anderen bedeutet. „Das steht in keinem Buch, sondern das muss auf der Ebene der Theologie durch die Wechselwirkung mit der Architektur diskutiert werden“, findet Kuehn. Ob der vierte Raum vor, nach oder gleichzeitig mit den anderen dreien gebaut werden soll, ist eine weitere Frage. Ebenso, inwieweit er auch jenen Besuchern dienen kann, die zwar Transzendenz suchen, aber nicht in ihrer religiösen Form.

Multi-religiös: Links die Moschee, oben die Kirche, rechts die Synagoge. Der neutrale vierte Raum im Zentrum setzt die drei „Gotteshäuser“ in Beziehung zueinander.
Multi-religiös: Links die Moschee, oben die Kirche, rechts die Synagoge. Der neutrale vierte Raum im Zentrum setzt die drei „Gotteshäuser“ in Beziehung zueinander.

Was schon jetzt überzeugt, ist die hybride Form des House of One, die sich aus der Anordnung der drei Gebetsräume um den Kern ergibt und sich seit dem Wettbewerb kaum verändert hat. Das Haus ist als Sakralbau erkennbar, aber nicht einer Religion zuzuordnen. Der zentrale Turm ist eindeutig kein Kirchturm. Der sandige Farbton wirkt nahöstlich, das Baumaterial Ziegel ist aber zugleich heimisch. Bewusst wollte man ein ganz „ordinäres“ Material, denn, so Kuehn: „Ziegel gibt es in allen Kulturen – ebenso wie Brot. Der Vorgang des Backens ist ebenso universell wie ortsspezifisch.“ Damit wollen die Architekten auch ein Haus bauen, das nur Material ist, ein Haus mit „minimaler Technik, aber maximaler Solidität und Trägheit“. Ohne tragende Stahlbetonstruktur soll das House of One mit Wänden von einem Meter Stärke hochgemauert werden. Heizung und Kühlung sollen dann keine Rolle spielen.

Vereint im Experiment

Architekten, die das Experiment wagen, und ein Auftraggeber, dem das auch noch gefällt: Beim House of One scheinen sich Traumpartner gefunden zu haben. „Eine Theologie ohne Scheuklappen trifft auf eine Architektur voller Neugier“, findet auch Pfarrer Stolte. Dabei konnten Kuehn Malvezzi nur über ein Bewerbungsverfahren am Wettbewerb teilnehmen, weil sie noch keinen Sakralbau im Portfolio hatten. Aber so ein Haus habe sowieso noch niemand gebaut, merkt Kuehn an. Fehlende Erfahrung ist für ihn kein Problem: „Nur dabei entstehen echte Innovationen. So sehr man Professionalität braucht, braucht man auch die Freiheit von ihr.“ Der Sakralbau sei eine tolle, aber auch eine schwierige Aufgabe, weil kaum diskutiert werde, welche Bedeutung Religion in unserer Gesellschaft eigentlich hat. Die Architektur sieht Kuehn als eine Möglichkeit, dieses Gespräch zu führen: „Wir behaupten nicht, die perfekte Lösung zu kennen. Sondern wir sehen ein interessantes Problem, das wir definieren möchten, um damit gesellschaftliche Fragen neu zu erörtern. Diesen Prozess wollen wir zu unserer Arbeit machen.“ Wie bei vielen ihrer Projekte, sehen sich die Planer also auch beim House of One eher in einer Kuratorenrolle jenseits aller Leistungsphasen. „Das Gespräch miteinander ist für alle Beteiligten faszinierend und verleiht diesem Prozess einen eigenen Wert“, findet Roland Stolte. Für ihn hat Architektur eine besondere symbolische Kraft, die überall auf der Welt erlebt werde. „Beim House of One vermag sie der Sehnsucht und Hoffnung vieler Menschen auf allen Kontinenten eine verheißungsvoll-konkrete Gestalt zu geben.“

Baubeginn: Wenn es gut geht, 2019
Mit der Anerkennung als „Nationales Projekt der Stadtentwicklung“ sind nun ausreichende Mittel vorhanden, um 2017 in die Entwurfs- und Genehmigungsplanung zu gehen. 2018 soll die Ausführungsplanung stattfinden und 2019 der Bau beginnen. Dieser wird zum Großteil auf den Fundamenten der jüngsten Petrikirche aufbauen, wobei die Gründung vermutlich durch Bohrpfähle verstärkt wird. Die Grundmauern der verschiedenen Petrikirchen sollen im Untergeschoss des House of One zu besichtigen sein. Im Erdgeschoss, das über eine Terrasse erreicht wird, befinden sich Café und Foyer. Von hier gelangt man in den darüber liegenden zentralen Kuppelraum. Um ihn gruppieren sich Moschee, Kirche und Synagoge und deren Nebenräume, etwa die Sakristei und eine Fußwäsche. Ganz oben dient eine „Stadtloggia“ als Aussichtsterrasse, in deren Zentrum eine gläserne Kugel Licht einfängt, das sie als Strahl in den Kuppelsaal darunter wirft.

Die drei Gebetsräume können zeitgleich genutzt werden, im Alltag wie an Feiertagen. Bei drei Religionen ergibt sich eine fast tägliche Nutzung. Im gemeinsamen Kuppelsaal können multireligiöse Andachten, Lesungen, Konzerte und Ausstellungen stattfinden. Darüber hinaus wird ein Bildungsprogramm für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aufgebaut.

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1 Gedanke zu „Drei-Einigkeit

  1. Im Zentrum Berlins soll das „House of One“ als gemeinsames Gotteshaus (mit einem zentralen Turm) der drei monotheistischen Religionen entstehen. Die Bausumme liegt bei ca. 45 Mio. Euro, 3,3 Mio. Euro sind vom Bund und Land aus Steuergeldern schon zugesagt, ca. 1 Mio. Euro sind über Spenden eingeworben. Die restlichen ca. 40 Millionen Euro sollen über Crowdfunding, z.B. bei Friedensinitiativen, in der ganzen Welt eingeworben werden. Obwohl die Finanzierung absolut nicht steht, wollen die Initiatoren anfangen zu bauen, um das Gebäude evtl. in Etappen zu bauen. Hier erinnere ich mich an Studenten aus dem arabischen Raum, die in Erinnerung an ihre Heimat in meinem Baukonstruktionsseminar zu Geschossbauten an der TU-Berlin auf der jeweils letzten oberen Decke Anschlusseisen anordneten, für den Fall, dass in späteren Zeiten jemand weiterbauen wollte.
    Allerdings müsste der christliche Teil der Initiatorengruppe, die mittlerweile in eine Stiftung umgewandelt ist, folgende Bibelteile kennen: „Lukas 14 28 Wer ist aber unter euch, der einen Turm bauen will, und sitzt nicht zuvor und überschlägt die Kosten, ob er’s habe, hinauszuführen? 29 auf dass nicht, wo er Grund gelegt hat und kann’s nicht hinausführen, alle, die es sehen, fangen an, sein zu spotten, …“
    Das Gebäude in Etappen zu erstellen, wird städtebauliche Fragen aufwerfen; allerdings scheint die Motivation zur Baustelle in Schüben eher zu sein, in der Öffentlichkeit einen Druck aufzubauen, um weitere und höhere Steuergelder zu aktivieren.
    Fraglich wird auch sein, ob die Bauaufgabe lösbar sein wird: der muslimische Partner gehört der Fethullah-Gülen-Bewegung an. Für den überwiegend türkischen Teil Berliner Muslime wird ein Besuch der Moschee durch ihre Moscheenvereine und der türkischen Regierung nicht goutiert werden.

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