Text: Michael Krödel
Moderne Gebäude sind gut gedämmt und mit einer effizienten Anlagentechnik ausgestattet. Doch was nutzt das alles, wenn während der Heizperiode gleichzeitig über die Fenster gelüftet wird? Was nutzt eine hocheffiziente Lüftungsanlage, die auch arbeitet, wenn ein Teil des Gebäudes nicht benutzt wird? Oder wie hilfreich ist eine energieeffiziente LED-Beleuchtung, die den ganzen Tag im Büro eingeschaltet bleibt? Trotz modernster Anlagentechnik wird also noch immer viel zu viel Energie verschwendet. Das soll sich ändern, indem die technischen Anlagen mithilfe der Gebäudeautomation optimiert werden. Einen ersten Schritt dahin hat der Gesetzgeber bereits mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014 vollzogen. Neu ist, dass erstmals Fragen zum Automationsgrad des Gebäudes gestellt werden und somit die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs, der im Energieausweis ausgewiesen wird, beeinflusst werden kann. Grundlage hierfür bildet die EU-Richtlinie EPDB 2010 (Energy Performance of Buildings Directive), die mit der EnEV 2014 in nationales Recht umgesetzt wurde. Darin sind erstmals auch Forderungen zu „intelligenten Messsystemen“, „aktiven Steuerungssystemen“ sowie „Automatisierungs-, Regelungs- und Überwachungssystemen“ enthalten.
Der von der EnEV 2014 erwartete Automationsgrad, konkret die Ausstattung des sogenannten Referenzgebäudes, ist dabei relativ gering und wird von heutigen Neubauten bereits erfüllt. Es fließen jedoch Maßnahmen positiv in die Effizienz-Ermittlung ein, die mehr automatisieren, als das Referenzgebäude vorgibt. Das wird vor allem mit der Verschärfung der EnEV 2014 zum 1. Januar 2016 wichtig, wenn sich der Jahres-Primärenergiebedarf um weitere 25 Prozent reduziert. Allein mit dickeren Dämmstoffstärken ist dieses energetische Niveau kaum noch zu realisieren, auch die Anlagen sind technisch weitestgehend ausgereizt. Einfacher und sinnvoller ist es, durch Gebäudeautomation die Effizienz des Gebäudebetriebes zu erhöhen.
Zur Ermittlung des Primärenergiebedarfs ist zunächst die DIN V
18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden“ heranzuziehen. Um die Gebäudeautomation zu berücksichtigen, wurde die Norm im Dezember 2011 um den Teil 11 ergänzt. Der in diesen Teil 11 eingeflossene Inhalt stammt aus der Europanorm DIN EN 15232 „Energieeffizienz von Gebäuden – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“, die in Wohn- und Nichtwohngebäude unterscheidet. Allerdings wurde die Norm nicht komplett übernommen. Vor allem bei Wohngebäuden ist vieles entfallen, so dass sich hier das Energiesparen durch Automatisierung im Wesentlichen auf die Heizung und Lüftung begrenzt. Die unvollständige Übernahme führte auch dazu, dass sich die Inhalte der DIN EN 15232 und des Teils 11 der DIN V 18599 zwar ähneln, aber nicht identisch sind (siehe Übersicht auf Seite 50). Der Unterschied: Mit der DIN EN 15232 lassen sich die Auswirkungen von Automation auf die jährlichen Betriebskosten ermitteln. Die DIN V 18599 und insbesondere der Teil 11 legen dagegen fest, welche Automationsvarianten in die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs einfließen.
Vier Effizienzklassen für Gebäude
Die DIN EN 15232 ermöglicht es, das energetische Einsparpotenzial durch Gebäudeautomation zu ermitteln. Sie enthält im Wesentlichen eine Checkliste, die die Gewerke Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung, Verschattung und Managementfunktionen systematisch hinterfragt. Zu ihrem Gebrauch ist kein Fachwissen über spezielle Technologien der Automation erforderlich. Je nach ihrem Ergebnis werden Gebäude einer von vier Effizienzklassen zugeordnet:
Klasse A: Gebäudeautomation und Energiemanagement
Klasse B: Gebäudeautomation
Klasse C: Standardregelausstattung
Klasse D: keine Energieeffizienz
Dazu ein Beispiel für die Beleuchtung eines Nichtwohngebäudes: Wird das Licht mit einem manuell bedienbaren Lichtschalter ein- und ausgeschaltet, erfolgt die Zuordnung in die Effizienzklasse D, denn das Licht bleibt hier oft unnötig eingeschaltet. Die Möglichkeit, alle Leuchten über ein zentrales Signal auszuschalten, führt zur Effizienzklasse C. Lässt sich das Licht bedarfsgerecht automatisch ein- und ausschalten, erfolgt die Einstufung in die höchste Effizienzklasse A. Da sich diese Varianten theoretisch durchspielen lassen, kann das energetische Einsparpotenzial unterschiedlicher Automationsgrade bereits in der frühen Planungsphase miteinander verglichen werden. Dazu wurden die Fragen der Checkliste in ein kostenloses Tool übertragen, das unter www.Gebäude-IQ.de/tool/ zum Download zur Verfügung steht. Ohne sich in technischen Details zu verlieren, werden darin Anregungen und Handlungsempfehlungen gegeben, in welchem Rahmen sich die Automatisierung des Gebäudes lohnt. Denn gleichzeitig ermittelt das Programm das Einsparpotenzial bei Umsetzung der Maßnahmen. Die Ergebnisse können Architekten mit dem Fachplaner diskutieren und ihre Auswertung dem Bauherrn zur Entscheidung vorlegen.
Energiebedarf berechnen
Die DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden“ enthält die Berechnungsverfahren zur Ermittlung des Jahres-Primärenergiebedarfs, wie er im Energieausweis auszuweisen ist. Wie beschrieben, regelt der Teil 11 den Einfluss der Gebäudeautomation, der aus der DIN EN 15232 überführt worden ist. Das stellt sich zum Beispiel für die Beleuchtung so dar: In der DIN V 18599 ist festgelegt, dass die Automation der Beleuchtung in Wohngebäuden zu ignorieren ist. In Nichtwohngebäuden hingegen muss erfasst werden, wie das Licht ein- und ausgeschaltet wird. Ähnlich der DIN EN 15232 werden zunächst die Varianten „manueller Schalter“ oder „zentrales Ausschaltsignal“ angeboten. Im Falle von weiterer Automation wird unterschieden, ob die Automation das Licht nur ausschalten oder auch ein- und ausschalten kann. Die beste Bewertung erhält man übrigens nicht bei der Vollautomation „automatisch ein und aus“ sondern bei der Variante „manuell ein und automatisch aus“.
An diesen Beispielen zeigt sich, dass beim Übergang der Automationsfragen von der DIN EN 15232 auf die DIN V 18599 einige Fragen gestrichen und einige erweitert wurden und sich die Bewertungsreihenfolge teilweise geändert hat. Auch die Gebäudeautomationsklassen A bis D werden nur ansatzweise verwendet. Das EnEV-Referenzgebäude ist zwar so ausgestattet, dass es der Effizienzklasse C entspricht. Im konkreten Fall können den Gewerken jedoch unterschiedliche Klassen zugeordnet werden. Dazu muss lediglich die in der DIN V 18599 enthaltene Checkliste abgearbeitet werden. Die Antworten auf die darin gestellten Fragen zeigen auch, welche Konsequenzen sich daraus für die Bewertung ergeben.
Tabelle für schnellen Überblick
Die Tabelle zeigt, ob und welchem Umfang die Automation der unterschiedlichen Gewerke für Wohn- und Nichtwohngebäude Einfluss auf die Berechnungen hat, die für den Energieausweis notwendig sind. Die Haken geben an, ob die EnEV 2014 oder der Teil 11 der DIN V 18599 Forderungen hinsichtlich der Automation enthalten. Ist das der Fall, sind in einer weiteren Spalte die Verweise auf die entsprechenden Textpassagen angegeben. Sobald auch nur eine der Passagen eine verbindliche Anforderung aus der EnEV oder eine verbindliche Auswirkung auf die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs hat, ist der Haken grün hinterlegt. Falls die Automation des Gewerks zwar abgefragt wird, bei der Berechnung des Energiebedarfs für den Energieausweis aber nicht weiter betrachtet werden muss, ist der Haken eingeklammert und gelb hinterlegt. Dennoch kann eine Betrachtung der Automationsvarianten grundsätzlich hilfreich sein. Schließlich tragen die Maßnahmen zur Reduzierung der Energiekosten bei. Wenn keine Forderungen zur Automation erhoben werden, ist dies durch einen Strich mit roter Hintergrundfarbe gekennzeichnet.
Automatisierung nicht übertreiben
Damit nicht der Eindruck entsteht, Gebäude funktionierten zukünftig nur noch voll automatisiert, ist vor allem die Auseinandersetzung damit wichtig. Denn nicht alles, was die Automatisierung heute ermöglicht, ist sinnvoll. Auch sollten bereits bei der Planung die Auswirkungen auf die Nutzer beachtet werden, so dass diese später die Möglichkeit haben, die Automation selbst zu beeinflussen.
Michael Krödel ist Professor für Gebäudetechnik und -automation an der Hochschule Rosenheim und Leiter des In-stituts für Gebäudetechnologie in Ottobrunn bei München
Michael Krödel
Die EnEV 2014 und deren Bedeutung für die Gebäudeautomation
In diesem Fachbuch wird erstmals die Verknüpfung zwischen EnEV und Gebäudeautomation untersucht und allgemein verständlich dargestellt. Neben der Erläuterung und Bewertung der relevanten Normen sind Checklisten zur Bestimmung des energetischen Einsparpotenzials enthalten. Zusätzlich werden Hinweise gegeben, wie Gebäudeautomation technisch sinnvoll ist und nutzergerecht umgesetzt werden kann.
1. Auflage 2015, 124 Seiten, ISBN 978-3-7347-7312-9, Bezugsquelle Amazon, 29,90 Euro
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