
Text: Cornelia Dörries
Deutschlands Zukunft schimmert silbergrau. Binnen 20 Jahren wird der Bevölkerungsanteil der über 65-jährigen von derzeit 25 auf mehr als 36 Prozent steigen, während die Gesamtzahl der hier lebenden Menschen schrumpft. Was vielen als einheitliches Schreckensszenario erscheint, erweist sich bei genauerer Betrachtung als differenziertes Geschehen, das zum einen die Städte und Regionen in sehr unterschiedlicher Weise betrifft und zum anderen auch keine einheitlichen Aussagen über „die Senioren“ als solche erlaubt. Aber der Reihe nach.
Ein aktueller Bericht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) konstatiert eine größer werdende Kluft zwischen wachsenden und schrumpfenden Regionen in Deutschland. Während viele Städte und Gemeinden im Süden einen Bevölkerungszuwachs vermelden können, hält der – mancherorts dramatische – Rückgang der Einwohnerzahl im Osten und in ähnlich strukturschwachen Gebieten der alten Bundesländer an. Die Abwanderung jüngerer Bevölkerungsgruppen beschleunigt den Alterungsprozess in diesen Regionen; sie haben mit Wohnungsleerstand und einer immer aufwendigeren Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge für die verbleibende, relativ alte Bevölkerung zu kämpfen. Denn wo immer weniger Leute leben, kommen auch Ärzte, Einzelhändler, Verkehrsunternehmen oder Energieversorger nur noch schwer über die Runden. „Den Kommunen wird das Kleid zu groß“, sagt die Regionalwissenschaftlerin Heike Liebmann von der Brandenburgischen Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung (B.B.S.M.) in Potsdam. Es gebe bereits Gedankenspiele, die verbliebenen Einwohner ganzer Dörfer umzusiedeln und die Orte aufzugeben. Doch Liebmann hat festgestellt, dass die Verbundenheit der Menschen mit ihrer Region sehr ausgeprägt ist, und erteilt solchen Überlegungen eine klare Absage: „Siedlungsstrukturen lassen sich nicht einfach von oben herab steuern. Aufgabe der Politik wäre es, die Menschen ehrlich über die Kosten aufzuklären, die auf sie zukommen, wenn sie bleiben wollen.“ Liebmann erlebt, dass viele Dorfgemeinschaften den Alltag mit selbst organisierter Hilfe bewältigen. Aber sie fügt auch hinzu: „Die gegenwärtige Rentnergeneration Ost ist noch verhältnismäßig kaufkräftig und in der Lage, die Sicherung ihres Lebensstandards selbst zu finanzieren. Sie kann beispielsweise Geld für die barrierefreie Gestaltung ihrer Wohnumgebung ausgeben.“ Die Senioren von morgen, die es als erste Nachwende-Generation mit Langzeitarbeitslosigkeit und Sozialhilfe zu tun bekamen, verfügen nicht mehr über diese Mittel.
Ob die Zukunft den sogenannten gemischten Mehrgenerationen-Häusern oder homogeneren Seniorensiedlungen gehört, weiß auch Frank Oswald nicht zu sagen. Ein allgemeingültiges, Konzept für das Wohnen im Alter, da ist er sich sicher, wird es jedenfalls nicht geben.