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„Eine Frage des Willens“

30.11.20173 Min. Kommentar schreiben
Berührend: Sind die „Voids“ im Berliner Jüdischen Museum schöne Räume?

Die Ansicht, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegen soll, ist jenseits der Experten fast allgemein anerkannt. Dies führt jedoch dazu, dass der Begriff des Schönen kaum noch tauglich für einen sachlichen Diskurs ist. Die Beurteilung von Schönheit ist jedoch keine Geschmacks-, sondern eine Bildungsfrage. Darüber hinaus beschreibt Schönheit nur einen kleinen Teil der möglichen Erscheinungsbilder von Architektur. Sind die Voids in Libeskinds Jüdischem Museum „schöne“ Räume, sind die Bruder-Klaus-Kapelle von Zumthor oder Brandlhubers Antivilla schön? Gleichzeitig sind sie auch nicht hässlich, denn sie verfügen über einen hohen ästhetischen Wert.

Es bedarf daher einer Professionalisierung innerhalb der Debatte: weg von nebulöser „Schönheit“, hin zu ästhetischen Qualitäten. In der Philosophie spricht man seit gut 250 Jahren kaum mehr von Schönheit, sondern von Ästhetik. Polemisch könnte man verlangen, die Architekturdebatte möge begrifflich endlich im 18. Jahrhundert ankommen.

Objektive Schönheit – oder Ästhetik – ist der Ausdruck allgemeiner Wahrheiten; so sprechen Mathematiker von der Schönheit einer Gleichung, wenn in dieser komplizierte Zusammenhänge abschließend dargestellt werden. Das „schöne“ Gebäude ist der materielle Ausdruck von intellektuellen Prozessen im Bezug auf den natürlichen, gebauten, historischen und gesellschaftlichen Kontext – oder auch, so nötig, seiner Negation. Dieser materielle Ausdruck darf sich aber nicht in einem Stilkanon verlaufen. Es bedarf eines ehrlichen materialgerechten Umgangs mit den Baustoffen und deren Detaillierung sowie einer tief gehenden Planung. Dienst nach Vorschrift reicht nicht aus.

Allgemeinheiten? Vielleicht. Jedoch drängt sich einem beim Blick darauf, was heute so alles gebaut wird, ein anderes Bild auf: Billige Riemchenflächen auf WDVS-Fassaden, beliebig platzierte Fallrohre, albern banale Grundrisse; einfallslose, triste Häuser von der Stange. Gebauter Minimalkonsens, gerade noch vermarktbar. Architektur? Kaum noch. Bessere Architektur könnte teurer sein, jedoch nur, wenn man von einer Standzeit von 20 Jahren bis zur Abschreibung und zum Weiterverkauf ausgeht. Dieser erste Pflock der Nachhaltigkeit wird gern vergessen, zuweilen auch von Architekten.

Gleichsam braucht es Bauherren, die um ihre Verantwortung für die gebaute Umwelt wissen, und eine interessierte und informierte Öffentlichkeit. Solche Bauherren fallen aber nicht vom Himmel, sie entstehen durch professionelle Lobbyarbeit außerhalb der eigenen Käseglocke. Vorarlberg und die Schweiz sind hierfür gute Beispiele. Es ist eine Frage des Willens zur (ästhetischen) Architektur.

Levin Koch, Architekt im Praktikum, Stuttgart


„So subjektiv das Sehen von Proportionen, Materialien und Farben ist, so subjektiv ist auch die Beurteilung von ‚Schönheit‘. Trotzdem einigen sich Menschen interkulturell bei manchem darauf, dass etwas ‚schön‘ sei. Ich denke, hier spielt Wissen, auch unbewusstes, um historische, sozioökonomische und soziokulturelle Zusammenhänge eine Rolle. ‚Man sieht nur, was man weiß. Eigentlich: Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht‘, sagte Goethe. Deswegen denke ich schon, dass Schönheit objektivierbar ist. Übrigens habe ich den Begriff der Schönheit in der Architektur bisher nicht als Tabu empfunden.“

Margit Tappeiner, Architektin, Bad Homburg


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