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Zurück Schönheit und Technik

„Eleganz für alles!“

Schönheit als Wert, als die einer Sache innewohnende Qualität, gehört natürlich zum guten Bauwerk.

30.11.20174 Min. Kommentar schreiben
Perfekte Symmetrie: Das Seildach über dem Warschauer Nationalstadion wirkt wie eine filigrane Linienzeichnung.

Als Venustas ist sie ein Teil der Trias, die nach Vitruv gutes Bauen beschreibt. Aber man tut sich schwer mit ihr, wohl weil es so viele Definitionen gibt und sie dem Zeitgeist unterworfen ist. Eleganz ist davon befreit. Der gute Entwurf, das elegante Tragwerk, entsteht meist aus der intensiven Auseinandersetzung mit dem Ort und den vielfältigen Randbedingungen.

Das Wort Eleganz stammt vom lateinischen Verb eligere = „auswählen“ ab. Eleganz wird manchmal als oberflächlicher, modischer Luxus missverstanden, und dann verliert der Begriff seinen Charme. Ich bringe Eleganz eher mit ausgewählter Schönheit in Verbindung. Dabei ist sie im Bauwesen viel mehr als die elegante äußere Erscheinung des „Endproduktes“: Auch Berechnungsansätze, Konstruktionen und Baumethoden können elegant sein.

Eleganz erreichen wir, wenn die Lösung der anspruchsvollen Aufgabe des guten Bauens unangestrengt erscheint – wenn wir zwar spüren, dass etwas mit großem Aufwand und Mühen erbaut wurde, wir diese aber nicht (mehr) sehen. Das Ergebnis scheint ganz natürlich, kann fast nicht anders sein. Sieht man einem Tragwerk an, dass die Kräfte „spazieren geführt werden“ – wenn eine schwere, biegebeanspruchte Struktur verbaut wird, nur um ein paar Quadratmeter leichte Membran zu tragen –, ist es mit der Eleganz nicht weit her. Erfolgreich entworfene Tragwerke zeichnen sich oft durch einen ablesbaren Kraftfluss aus, vielleicht auch, weil wir das, was wir verstehen, gerne haben.

Eleganz für alles! Bauingenieure tun sich oft schwer mit der Gestaltung ihrer Tragwerke. Aber auch Brücken, Türme, Tunnel und Kanäle – die gesamte gebaute technische Infrastruktur – müssen als funktionale, ökologische und ästhetische Gesamtkunstwerke mit wirtschaftlichem und kulturellem Wert angegangen werden. Alle Bauwerke verdienen aufmerksame Gestaltung – nicht nur Repräsentationsbauten. Durchdachte und ansprechende Tragwerke sind ein wichtiger Bestandteil des guten Bauens, das wiederum einen wichtigen Beitrag zu besserer Lebensqualität und zur Baukultur leistet.

Mike Schlaich, Ingenieur und Professor, Berlin


„ Harmonie gehorcht festen Gesetzen“

Schön ist, was uns Freude bereitet und was uns gefällt! Dabei ist die Harmonie ein wichtiger Bestandteil des Schönen. Der Begriff Harmonie (von griechisch harmos = verbinden) geht auf Pythagoras zurück. Der Legende nach bemerkte er in einer Schmiede, dass sich bestimmte Töne, hervorgerufen durch das Hämmern des Schmieds, „harmonisch“ zu anderen Tönen verhalten. Er probierte seine Entdeckung an einer Lyra aus und fand heraus, dass zwei Saiten besonders angenehm zusammenklingen, wenn sie gleich lang sind oder die eine halb, zwei Drittel oder drei Viertel so lang wie die andere ist. Das bedeutet, dass Harmonie nicht der Willkür unterliegt, sondern festen Gesetzen gehorcht.

Für Heraklit ist das Schöne, als Teil der sichtbaren Harmonie, eine Offenbarung einer höheren unsichtbaren Gesetzmäßigkeit, einer Weltvernunft, die alles Sein als geistige Kraft durchdringt. Harmonie wird so zum symbolischen Ausdruck des ordnenden Geistes. Sokrates sieht allerdings in der Zweckmäßigkeit die Schönheit der Dinge. Er meint, gut sei, was brauchbar sei, also sei es auch schön. Aristoteles unterscheidet das Schöne vom Guten. Das Schöpfertum des Künstlers wird von ihm erstmals erkannt und gewürdigt. Er stellt dem Entwickeln von innen heraus (Funktion) das künstliche Bilden von außen gegenüber (Kunst). Übrigens argumentiert Le Corbusier ähnlich, wenn er davon spricht, dass ein Gebäude innen eine funktionale Wohnmaschine sei und außen ein reiner Körper unter der Sonne.

In Malerei, Plastik und Architektur finden wir harmonische Proportionen, wie den Goldenen Schnitt, über alle Kulturen und alle Zeiten hinweg angewandt. Es scheint so, dass die Geometrie die Sprache der Menschwerdung war und immer noch ist. Sie ist eine Struktur, ein geistiges Netz, das uns auffängt in Zeit und Raum. Sie schafft Brücken zu anderen Lebensbereichen wie Mathematik, Biologie, Musik, Poesie, Religion und Astronomie.

Erich Esch, Architekt und Stadtplaner, Singen am Hohentwiel


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