Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Synergieeffekte“ im Deutschen Architektenblatt 04.2024 erschienen.
Diese drei Projekte stellen wir vor:
- Feuerwache mit Bauhof in Titz
- Feuerwache mit Kita in Waldshut
- Feuerwache mit Rechenzentrum in Hannover
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Feuerwache mit Bauhof in Titz
Der leuchtend rote Turm des Feuerwehrneubaus ist seit 2021 das Markenzeichen der Landgemeinde Titz im nordrhein-westfälischen Kreis Düren. Er markiert den städtebaulich eher unscheinbaren Ortseingang und bildet den stadtseitigen Höhepunkt eines lang gestreckten, parallel zur Landstraße positionierten Baukörpers.
Auf einer Bruttogrundfläche von gut 2.000 Quadratmetern beherbergt der Neubau neben der freiwilligen Feuerwehr, die zuvor auf mehrere Standorte verteilt war, auch den Bauhof der Gemeinde.
Zusammenfassung war Idee der Architekten
„Die Kommune hatte den Wettbewerb aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgeschrieben. Dass der Bauhof und die Feuerwehr unter einem Dach zusammengebracht werden, war nicht vorgegeben, für uns aber die logische Fortschreibung des Wirtschaftlichkeitsgedankens“, erläutert Architekt Reinhard Lepel (Büro Lepel & Lepel).
Bauhof und Feuerwehr nutzen Räume gemeinsam
Durch einen Zugang im mittleren Teil des Gebäudes werden Umkleiden, Sanitär- und Reinigungsbereiche sowie die Werkstätten erschlossen – diesen Bereich nutzen die Mitarbeitenden des Bauhofs gemeinsam mit den Feuerwehrleuten. Eine Treppe führt zu über den Funktionsräumen angeordneten Büroflächen, Schulungs- und Sozialräumen nebst einer Küche. Bei diesem Konzept können enorme Synergien von den Hausanschlüssen über die Raumnutzung bis zur Gebäudebewirtschaftung genutzt werden“, erklärt Reinhard Lepel.
Zu beiden Seiten des gemeinsam genutzten kompakten Mittelblocks befindet sich je eine Fahrzeughalle: eine für den Bauhof, eine für die Feuerwehr. Die klare Trennung garantiert im Alarmfall reibungslose Abläufe.
Dachlinie mit Dynamik
Neben der Baustruktur gliedern die Materialien der Fassade den Baukörper: Zur Landstraße hin sind die Fahrzeughallen mit transluzentem opakem Glas versehen. „Uns war wichtig, darzustellen, was sich hinter der Fassade in den Wagenhallen verbirgt“, betont der Architekt. „Ein transparentes ‚Schaufenster‘ durften wir jedoch aus Sicherheitsgründen nicht einbauen.“
Im Obergeschoss fasst die schimmernde, vertikal strukturierte Trapezblechfassade alle Gebäudeteile wie eine Klammer zusammen. Die zum Turm hin ansteigende Dachlinie sorgt für Dynamik. Dieser Eindruck wird durch die unterschiedliche Breite der Bleche, vor allem aber durch die Farbgebung unterstrichen.
Rückbaubar dank Vorfertigung
In der flächigen grünen Umgebung lenkt die Komplementärfarbe Rot den Blick auf das Gebäude. „Wir wollten jedoch auf jeden Fall das klassische Feuerwehr-Rot vermeiden. Gewählt haben wir Euramica – Pyrite Copper Orange Gold. Der Grund hierfür: Die Farbe ist stark changierend – je nach Sonnenstand und Perspektive von Gold/Orange zu Rot.“
Nicht nur die robusten, wartungsarmen und langlebigen Materialien kennzeichnen das Gebäude als Werkstatt- und Industriebau, sondern ebenfalls der sehr hohe Vorfertigungsgrad. Er hat zur guten Wirtschaftlichkeit des Projektes beigetragen. Zugleich sind die einzelnen Bauteile leicht rückbaubar.
Gründach und Solaranlage
Nachhaltigkeit hat auch bei der Gestaltung der Außenanlagen eine Rolle gespielt. Parallel zum Baukörper musste im Hof viel Boden für Parkplätze, Rangierflächen sowie Lager- und Schüttgüterflächen versiegelt werden. Das von dort ablaufende Wasser wird gesäubert, geklärt und gelangt dann in eine große Versickerungsmulde im hinteren Bereich des Grundstücks.
Die Freiraumplanung hatte das Büro GTL Landschaftsarchitektur aus Kassel übernommen. Für das 1.700 Quadratmeter große Dach sind noch Grünflächen und eine Solaranlage vorgesehen.
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Feuerwache mit Kita in Waldshut
Auf dem Dach des 2023 eingeweihten Feuerwehrhauses im baden-württembergischen Waldshut gibt es hingegen bereits ein Gründach, und zwar der ganz besonderen Art: die Außenanlage der Kita Ziegelfeld. Der multifunktionale Neubau wurde vom Konstanzer Büro bächlemeid geplant.
Das Konzept: Feuerwehr und Kita sind zwar unter einem Dach zusammengeführt, ihre Nutzungsbereiche aber strikt voneinander getrennt. Die Fahrzeughalle der Feuerwehr mit Platz für sechs Einsatzfahrzeuge, ein Besprechungs- und Veranstaltungsraum mit Küche und Lager, die Einsatzzentrale und ein Büro bilden das Erdgeschoss. Hallenzufahrten und Eingang befinden sich an der Westseite des Gebäudes.
Synergieeffekte und Wechselwirkungen
Die Kita ist im Obergeschoss untergekommen. Mehrzweckraum, Bistro und Malatelier sind nach Osten ausgerichtet, die Gruppenräume nach Westen. Darin markieren Sitzstufen den Bereich, wo im Untergeschoss die hohe Fahrzeughalle beginnt.
Durch Glastüren gelangen die Kleinen auf den großzügigen, von Stötzer Landschaftsarchitekten aus Freiburg gestalteten Dachgarten. Er ist mit raumhoch aufragenden Stahlpfosten begrenzt und kragt über die Feuerwehrausfahrt aus. Das Kinderhaus wird durch ein Foyer und ein Treppenhaus mit Aufzug auf der Ostseite in Richtung Wohngebiet erschlossen.
Zwischen den beiden Nutzungseinheiten gibt es im Gebäude keine räumlichen Verbindungen, wohl aber viele bauliche Wechselwirkungen. „Durch die kompakte Bauweise ist das A/V-Verhältnis sehr günstig. Außerdem können bei der Haustechnik viele Synergieeffekte genutzt werden“, erklärt Architekt Martin Bächle.
Holzbau auf Betonbau
Die Funktionstrennung wird durch die Materialität und Konstruktion der Gebäudeteile unterstrichen: Das Erdgeschoss ist als massiver Sockel konstruiert. Innen liegt der Sichtbeton frei, außen ist er grobkörnig verputzt.
Das Obergeschoss wurde in Holzbauweise komplett vorgefertigt und innerhalb von zwei Wochen oben aufgesetzt. In den Kita-Räumen sorgen Holzböden, -decken und -möbel zusammen mit Oberlichtern und bodentiefen Verglasungen für eine lichte, wohnliche Atmosphäre.
Zusammenfassung durch Farbgebung und Kubatur
Bei aller Abgrenzung – die einheitliche ziegelrote Farbgebung und die konsequente Linienführung der Fassade, die zugleich die Gebäudefluchten der Nachbarschaft aufnimmt, machen das Gehäuse zu einer stimmigen Gesamtheit.
„Für uns war dieses Projekt eine Chance, nahe der Innenstadt ein ortsbildprägendes Bauwerk zu gestalten“, beschreibt Architekt Martin Bächle. „Das Gebäude bildet den kompakten Schlusspunkt in einer Aufreihung von Gebäuden und zeigt mit dem Gesicht zur Stadt.“
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Feuerwache mit Rechenzentrum in Hannover
Ein solch gewachsenes Umfeld gab es in Hannover-Nord nicht, als die Stadt vor gut zehn Jahren einen Wettbewerb für den Neubau einer Feuer- und Rettungswache samt Regionsleitstelle, städtischem Rechenzentrum und Räumlichkeiten für den Stab Außergewöhnliche Ereignisse (SAE) ausschrieb.
Das Projekt wurde auf Grundlage eines Wettbewerbsentwurfs von struhkarchitekten in zwei Bauabschnitten realisiert: Den ersten Bauabschnitt setzte das Büro struhkarchitekten 2013/14 um. Der zweite Bauabschnitt wurde als Projekt in öffentlich-privater Partnerschaft durch Züblin in Zusammenarbeit mit bbp : architekten und eggersmende architekten errichtet. Struhkarchitekten waren dabei für die Qualitätssicherung seitens des Auftraggebers, der Stadt Hannover, verantwortlich.
Feuerwache als städtebaulicher Anker
„Ein großer Reiz lag darin, in einem bislang zerfransten Umfeld auf einem großzügigen Grundstück eine städteplanerisch prägnante Struktur schaffen und damit einen Festpunkt für das Quartier setzen zu können“, betont Sven Eggers (heute: eggersmende architekten), der an der Entwurfsphase beteiligt war.
Auf einer Baugrundfläche von mehr als 21.000 Quadratmetern entstand ein s-förmiger Baukörper mit zwei Innenhöfen. Im mittigen dreigeschossigen Gebäuderiegel samt Nebengebäude sind Fahrzeughallen sowie darüberliegende Büro-, Besprechungs- und Ruheräume der Feuer- und Rettungswache untergebracht.
Regionsleitstelle als Herzstück
Dieser gesamte erste Bauabschnitt wurde im Passivhausstandard realisiert, erklärt Bernd Paliga-Könneke von struhkarchitekten: „Um eine ausreichend gute Dämmung zwischen den Fahrzeughallen und den darüberliegenden Räumen zu erreichen, haben wir eine verlorene Schalung aus Holzwolleplatten in die Decke eingebaut. Diese sorgen zugleich für eine gute Akustik in den Hallen.“
Im zweiten Bauabschnitt kamen weitere Hallen, Werkstätten, Büros und Schulungsräume für die Berufsfeuerwehr, eine Mensa sowie die Räumlichkeiten für die weiteren Nutzer hinzu. Herzstück ist die Regionsleitstelle. „In der Leitstelle wird 24/7 gearbeitet. Uns war wichtig, eine großzügige, offene und humane Arbeitsumgebung zu schaffen“, erläutert Sven Eggers.
Biochronologisches Licht
Dazu tragen im Betriebsraum neben der Raumhöhe, die zwei Regelgeschossen entspricht, vor allem die organisch geformte, akustisch wirksame Holzlamellenverkleidung der Wände und der hohe Tageslichtanteil durch die großzügige Glasfassade und Tageslichtfallen im Dach bei.
An der Decke sind Spezialleuchten mit einer Lichtstärke von bis zu 10.000 Lux angebracht. „Mithilfe des Lichtplaners vogtpartner wurden die Beleuchtungsszenarien so gestaltet, dass Helligkeit und Lichttemperatur biochronologisch steuerbar sind“, erklärt Sven Eggers.
Kritische Infrastruktur mit redundanter Technik
Vom Betriebsraum der Leitstelle aus werden jährlich bis zu 300.000 Einsätze koordiniert. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsanforderungen. Rund um die Leitstelle sind nach dem Zwiebelprinzip Sicherheitszonen errichtet – ein äußerer Sicherheitszaun mit zentral gesteuerten Schiebetoranlagen, erhöhter Perimeterschutz der Fassade, Alarm, abgestufte Sicherheitszonen im Gebäude mit Zutrittskontrollen, Sicherheitsschleusen und Alarmüberwachung.
Mit der Regionsleitstelle wurde das gesamte Gebäude als kritische Infrastruktur eingestuft. Um die Funktionsfähigkeit zu sichern, musste redundante Technik installiert werden. Diese hohe Versorgungssicherheit kommt nun auch den anderen Nutzern zugute.
Funktionsmischung an der Fassade ablesbar
Die räumliche Anordnung der unterschiedlichen Nutzungen spiegelt sich in der Fassade wider. In den Bürobereichen gliedern anthrazitfarbene Leichtmetallfensterbänder die mit regional typischem rotem Ziegelmauerwerk verblendete Stahlbetonkonstruktion.
Die Fassaden der Fahrzeughallen bestehen aus transparenten Pfosten-Riegel-Konstruktionen und dunklen Metallteilen. „Stahlbetonriegel aus Sichtbeton markieren die Abgrenzung zwischen Fahrzeughallen und technischen Bereichen einerseits und öffentlichen Bereichen sowie Verwaltungs- und Ruheräumen andererseits“, beschreibt Architekt Bernd Paliga-Könneke. Durch diese Linienführung an der Fassade werde zugleich der mäandernde Grundriss aufgenommen.
Feuerwachen mit Mehrwert für die Stadt
An der städtebaulich prominenten, dem Stadtzentrum zugewandten Ecke bildet der asymmetrische Bau mit fünf Geschossen seinen höchsten Punkt. Hier befindet sich der Haupteingang, unter einer weiten Auskragung. Durch sie wird der Vorplatz optisch ins Gebäude hineingezogen. „Das architektonische Konzept beinhaltet die Öffnung des Gebäudes zum Stadtraum hin“, sagt Bernd Paliga-Könneke.
Hier, wie bei den beiden anderen Beispielen auch, haben die Architekten damit eine städtebauliche Landmarke in Rot geschaffen, die sich eben nicht abschottet. Auch – und gerade – durch ihre multifunktionalen Nutzungen bieten die Projekte so einen Mehrwert für die Bevölkerung.
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