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Flutschäden im Ahrtal: Architektin hilft beim Wiederaufbau

Auch nach einem Jahr ist die Zerstörung im Ahrtal noch groß. Eine sanierungserfahrene Architektin vom Bodensee ist mit Rat und Tat vor Ort, zusammen mit einer mobilen Jugendbauhütte  

Von: Christoph Gunßer
Christoph Gunßer ist für das DAB vor allem in Süddeutschland...

08.07.20225 Min. Kommentar schreiben

 

Von Christoph Gunßer

Vor einem Jahr, am 14./15. Juli 2021, zerstörte nach sintflutartigen Regenfällen das Hochwasser weite Teile des rheinland-pfälzischen Ahrtals. 134 Menschen kamen hier ums Leben. Die Schäden an der Bausubstanz waren und sind immer noch enorm. Allein in der 27.000 Einwohner zählenden Doppelstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler müssen 18 Brücken neu errichtet werden. Doch Hilfe benötigen vor allem die privaten Eigentümer.

Architektin und Jugendbauhütte als Team

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat eine mobile Jugendbauhütte organisiert, die vor Ort mit anpackt. Corinna Wagner steht dabei mit Rat und Tat zur Seite – unentgeltlich. „Ich fühlte mich angesichts der Flutschäden sehr betroffen und wollte gern helfen“, sagt die sanierungserfahrene Architektin aus Überlingen am Bodensee. „Die Idee, dass ich am besten mit dem helfen kann, was ich richtig gut kann, führte dazu, dass ich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz angeschrieben und angeboten habe, sowohl planerisch wie restauratorisch vor Ort mit meinem Büro und meinem Partner zu unterstützen.“

Im Oktober 2021 vermittelte die Stiftung die hilfsbereite Planerin an eine besonders schwer betroffene Bauherrin: Im Jahr 2007 hatte die junge Goldschmiedin Petra Hagenau ihr Atelier mit viel Elan im ehemaligen Zunfthaus von Ahrweiler eingerichtet, einem imposanten Fachwerkhaus aus der Zeit um 1700. Wie viele Gebäude in der Altstadt wurde auch das Zunfthaus von der Flutwelle stark beschädigt, das Erdgeschoss unbenutzbar. Und in einem Fachwerkbau ist es da mit einer Trocknung bei weitem nicht getan.

Viele Arbeitsschritte parallel

Corinna Wagner und ihr Partner, der Restaurator ist, erfassten den Ernst der Lage vor Ort: „Nach einer längeren Klärungsphase haben wir Pläne für die zukünftige Nutzung des Erdgeschosses erstellt, die dann zum Beispiel mit der Elektroplanung ins Detail gingen. Parallel haben wir die Genehmigung eingeholt, Details ausgearbeitet, bauphysikalische Fragen geklärt und Angebote eingeholt, die auch als Grundlage für die beantragten Fördergelder der verschiedenen Fördergeber dienen.“

Wiederaufbau auch gegen das Trauma

Doch auch andere Unterstützung war gefragt: „Der Eigentümerin Mut zu machen, ihr Haus wieder benutzbar zu machen und den kaum ertragbaren Zustand der Zerstörung jeden Tag zu sehen und auszuhalten, war und ist eine wichtige Aufgabe. Partner wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die schnell und unbürokratisch reagieren, sind dabei extrem wertvoll“, resümiert die Architektin. Tatsächlich sind viele der Geschädigten nämlich auch psychisch traumatisiert und fragen sich oft, ob nicht Wegziehen der bessere Weg wäre.

Mobile Jugendbauhütte schnell einsatzbereit

Da war es enorm motivierend, dass die Stiftung die mobile Jugendbauhütte ins Zunfthaus schickte.  So konnte das fünfköpfige Team aus jungen Erwachsenen im freiwilligen sozialen Jahr bereits im Frühjahr unter fachkundiger Leitung die historisch wertvolle, stark beschädigte Decke über dem Erdgeschoss wiederherstellen – die Materialkosten übernahm die Stiftung.

Die jungen Erwachsenen stehen oft an der Schwelle zum Berufsleben und finden hier ein praktisches Kontrastprogramm zur „verkopften“ Schulzeit. Unter fachkundiger Anleitung bekommen sie ein Gespür für handwerkliche und auch planerische Tätigkeiten. Nicht wenige verfolgen diesen Pfad im Anschluss professionell weiter.

Angeleitet wurden sie von Andreas Schenk, der als Sachverständiger für Schadenssanierung beste Voraussetzungen als Bauleiter für das Projekt mitbrachte, die Materialbestellungen und die Arbeiten vor Ort koordinierte.

Historische Bauweise am Objekt verstehen

Die Gefache der Außenwände wurden im Frühsommer freigelegt und neu hergerichtet. Beim Lehmputz halfen auch Mitarbeiterinnen des Architekturbüros von Corinna Wagner samt Familie im Rahmen einer „Projektwoche“ in den Schulferien. Wagners schon mehrfach preisgekröntes Büro hat stets den Bezug zur Praxis sehr wichtig genommen und regelmäßig „Praxistage“ für ihr Team veranstaltet, bei denen der Kontakt zu den Techniken und Materialien hautnah gepflegt wird.

„Selbst zu sehen, wie die einzelnen Schritte eines fertigen Wandaufbaus aufeinander folgen und wie viele verschiedene Arbeitsgänge dafür erforderlich sind, trägt wunderbar dazu bei, ein Verständnis für die Abläufe auf den Baustellen zu bekommen“, findet Selina Armbruster vom Büro Wagner. Und mit Jugendbauhütten hatte Corinna Wagner bereits in Baden-Württemberg im Donautal gute Erfahrungen gesammelt.

Ein Jahr nach der Flut ist im Ahrtal noch viel zu tun

Für die Planerin war es indes aus der Entfernung nicht immer leicht, sich einzubringen. Darum ihr Aufruf: „Ich würde mich freuen, wenn Kollegen und Kolleginnen Lust hätten, sich im Ahrtal zu engagieren. Immer noch fehlt es an Planerinnen und Planern, und auch fachlich versierte Handwerkerinnen und Handwerker sind sehr schwer zu bekommen.“ Die Orte sind aus ihrer Sicht noch längst nicht aus dem Gröbsten heraus: „Auch nach knapp einem Jahr sind die Menschen am Kämpfen, äußerlich wie innerlich, und bei jedem Starkregen ist eine hohe Anspannung zu spüren.“

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