Interview: Nils Hille
Herr Völcker, Sie sind selbst seit 40 Jahren Hotelier, unterstützen Investmentgesellschaften, Bauherren und Betreiber bei Entwicklungen, Restrukturierungen und Sanierungen. Und auch Architekten lassen sich von Ihnen beraten. Wie passt das zusammen?
Die Bandbreite der Ratsuchenden in dieser Branche ist groß. Die einen haben ein Grundstück und überlegen, darauf ein Hotel zu bauen, das schnell Gewinn macht. Und dem anderen, also dem Planer, kann ich erklären, wie die Branche tickt. Ich kenne die baulichen und gestalterischen Notwendigkeiten, um dem Personal und damit auch dem Gast möglichst reibungslose Abläufe vom Empfang bis zur Endreinigung zu ermöglichen. Dieses Wissen gebe ich an den Architekten weiter, denn dieser ist indirekt auch für die Wirtschaftlichkeit eines Hauses verantwortlich, weil der Ertrag aus der Bewirtschaftung den Immobilienwert bestimmt.
Sie behaupten, bei zwei Drittel der wirtschaftlich Not leidenden Hotels wurden gravierende Architektenfehler gemacht. Wie kommen Sie auf diesen Zusammenhang?
Viele Architekten nehmen einfach alle Aufträge entgegen. Sie glauben, weil sie schon einmal 14 Tage im Urlaub in einem Hotel waren, könnten sie selbst auch eines planen und bauen. Das ist viel zu kurz gedacht. Sie müssen sich länger mit der Branche und vor allem mit den Wünschen der Gäste beschäftigen. Schließlich geht es dem Hotelier in allererster Linie darum, diese zu erfüllen.
Und Architekten geht es Ihrer Meinung nach nicht darum?
Zwischen dem Betreiber und dem Planer funktioniert einfach sehr oft die Kommunikation nicht. Dabei müssen die beiden Fachleute von der ersten Skizze bis zum letzten Pinselstrich auf der Baustelle permanent in enger Abstimmung zusammenarbeiten – und nicht jeder allein für seine Ideen kämpfen. In 85 Prozent der Fälle gehen die Planer aber einfach ohne konkrete Zielformulierung ans Werk, anstatt wirklich von innen nach außen zu planen. Das muss der Architekt erkennen und dem Hotelier erklären, dass er konkretere Vorgaben benötigt. Dieser sieht das oft nicht als seine Aufgabe, hat keine Lust auf Diskussionen und lässt den Planer einfach machen. Aber so ist es reine Glückssache, ob Bau und Betrieb später zusammenpassen.
Was geht denn dabei konkret schief?
Ein eklatantes Problem sind häufig falsche Raumgrößen. Wenn zum Beispiel ein Saal nur einen Meter zu schmal ist, bleibt dem Hotelier nicht anderes übrig, als bei Veranstaltungen eine gesamte Tischreihe weniger in den Raum zu stellen. Das bedeutet weniger Plätze und somit für ihn einen geringeren möglichen Umsatz. Oder wenn das Haus 200 Zimmer haben wird und vor allem von Tagungsgästen gebucht werden soll, sollten auch im größten Veranstaltungsraum 400 Gäste gut Platz finden können. Zudem erwarten Veranstalter mindestens noch einmal so viel Platz in anderen Räumen, sodass alle Teilnehmer auch in kleineren Gruppen konferieren können. Doch so weit denken die Planer oft leider nicht. Und der Hotelier glaubt, der Architekt wird das doch als erfahrener Planer schon machen, was sich später rächt.
Wie würden Sie diesen Schulterschluss schaffen?
Wenn ich ein Hotel bauen würde, würde ich mit dem Architekten zwei Wochen lang herumreisen und ihm erst einmal die gelungenen Beispiele und die Herausforderungen dieser Spezialimmobilie erklären – und dafür gerne einen großzügigen Tagessatz bezahlen. Das zahlt sich für mich hundertfach wieder aus. Und der Architekt könnte sich zahlreiche Nachbesserungen an seinen Entwürfen sparen, weil er die Anforderungen begriffen hat.
Rechnet sich denn diese ausführliche Beschäftigung vorab auch langfristig für den Planer?
Mit Sicherheit. Die Branche setzt auf gute Kontakte. Wenn ein Architekt oder Innenarchitekt einmal einen Auftrag zur Zufriedenheit eines Hoteliers erfüllt hat, spricht sich das ganz schnell herum. Da sind Folgeaufträge vorprogrammiert. Schließlich werden allein pro Jahr weltweit 3.000 neue Hotels gebaut und weitere Tausende bestehende Häuser saniert. Da lohnt eine Spezialisierung allemal. Es fehlt hierzulande auch eindeutig ein Lehrstuhl für Hotelarchitektur. Der dort gut ausgebildete Nachwuchs hätte allerbeste Chancen auf dem Arbeitsmarkt.