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Forschung im Atrium

Austausch, Konzentration und Transparenz: Zwei Bauten von hammeskrause regen die Kommunikation unter Wissenschaftlern an.

Von: Frank Maier-Solgk
Frank Maier-Solgk ist von der Gartenkunst auf die Architektur gekommen....

01.12.20167 Min. Kommentar schreiben

Am Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns in Köln forschen derzeit rund 250 Wissenschaftler. Für ihren Neubau auf dem Campus der Uniklinik hatten hammeskrause architekten aus Stuttgart den Wettbewerb gewonnen. Das Büro ist auf Forschungsbauten spezialisiert und hat die Wissenschaftslandschaft in Deutschland mit bisher rund 30 Projekten geprägt. Dazu gehören das Forschungslabor für Windturbulenzen in Oldenburg, das DLR-Zentrum für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen und die Dresdner Musikhochschule mit ihrem von Scharoun inspiriertem Konzertsaal.

Der Kölner MPI-Bau zeigt, worauf es der Forschung heute ankommt: Er bildet die Interdisziplinarität der heutigen Forschungsarbeit räumlich ab und wird dem Bedarf an Austausch ebenso gerecht wie dem an Technik und Sicherheit – vergisst aber dabei nicht die Kommunikation nach außen.

Das Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns in Köln.
Das Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns in Köln.

Forschung heute, so viel ist jedenfalls Konsens, hat als Leitbild nicht mehr die isolierte Arbeit im stillen Kämmerlein, sondern im vielfältigen, manchmal auch zwanglosen Austausch von Personen auf verschiedenen Ebenen – was für den Architekten in erster Linie bedeutet, unterschiedliche Arbeitszonen innerhalb eines integrativen Komplexes intelligent zu verbinden.

Wie dies einfach, funktional durchdacht und zugleich gestalterisch ansprechend gelingen kann, zeigt der Bau in Köln: Schon das eher zurückhaltende äußere Erscheinungsbild, das auf spektakuläre Signale verzichtet, dürfte dem aktuellen Zeitgeist dabei entsprechen. Das zurückversetzte und verglaste Erdgeschoss des 60 mal 60 Meter großen Quaders gibt sich nach außen einladend. Darüber folgen in horizontaler Reihung zwei Etagen für die Büros: schmale, raumhohe Fenster, die sich mit vertikalen Lamellen aus einer kupferhaltigen Messinglegierung (Tombak) abwechseln, wobei das Material, das ähnlich wie Corten-Stahl die Spuren der Alterung widerspiegelt, symbolhaft mit der Tätigkeit vor Ort verknüpft ist. Hinter den geschlossenen Weißbetonflächen der oberen beiden Geschosse liegen die Gebäudetechnik sowie die Tierhaltung. Transparenz und eine halböffentliche Atmosphäre bestimmen auch im Inneren das Erdgeschoss. Dort sind ein holzvertäfelter, akustisch gedämpfter Hörsaal für 190 Zuhörer und die seitlich eingerichtete Cafeteria mit offener Terrasse auch für das Publikum zugänglich. In den obersten beiden Geschossen hingegen findet sich die hermetische und pathogenfreie Hygienewelt, in der Fadenwürmer und Mäuse, die Fruchtfliegen und seit Kurzem besonders auch der türkisfarbene Killifisch aus dem südlichen Afrika ihren Dienst für die Wissenschaft leisten. Dazwischen liegen die Laborbereiche, während im Untergeschoss ein Blockheizkraftwerk für Wärme- und sichere Stromversorgung sorgt.

Forschung transparent: Offenheit und Kommunikationsfreundlichkeit prägen die Atmosphäre im Lichthof des Kölner Max-Planck-Instituts...
Forschung transparent: Offenheit und Kommunikationsfreundlichkeit prägen die Atmosphäre im Lichthof…

Ein Haus im Haus im Atrium

Räumliches Zentrum ist das gebäudehohe Atrium, in das man gleich nach dem Durchqueren der Eingangsdrehtür gelangt. Es besitzt die Form eines gleichschenkligen Dreiecks und wird von einem oberhalb der zweiten Ebene eingesetzten gitterförmig gerasterten Glasdach erhellt. In der Mitte des Lichthofs, quasi als Haus im Haus eingestellt, befindet sich eine wiederum dreieckige zweistöckige und verglaste Blase mit Teeküche und vier Besprechungsgondeln, die mit den umlaufenden Galerien durch drei Stege verbunden ist. Dieser optisch herausgehobe Kern dient als kommunikative Verknüpfung der drei bisher eingerichteten Forschungsbereiche, deren Arbeit hinter den Galerien in verdichteten Laborclustern erfolgt. Diese sind ihrerseits durch einen Gang von den an der Außenfassade liegenden und mit natürlichem Licht versorgten Büros getrennt. Das Zonierungsschema umfasst somit (von außen nach innen) das klassische Einzelbüro, die halboffenen und gebündelten Laboreinheiten, sodann ihnen zugeordnete Auswertungsplätze, die innen zum Lichthof hin liegen, und schließlich das Atrium mit den Kommunikationsinseln – ein fein austariertes System von Arbeitsbereichen, die auf kürzestem Weg miteinander verbunden sind.

...und in den Büros.
…und in den Büros.

Glas ist das am häufigsten verwendete Material. Hinzu kommt das nüchterne Weiß der Treppen und Stege, in einzelnen Passagen auch Sichtbeton; die Atmosphäre ist, wie man es von einem Bau dieses Typs erwartet, sachlich-nüchtern. Man kann den Architekten daher dankbar sein, dass sie die Strenge durch die geschwungenen und abgerundeten Ecken der Galerien sowie des eingestellten Kerns gemildert haben; dadurch erhält das Atrium einen organisch wirkenden Schwung fast Zaha Hadid’scher Handschrift. Ebenso haben die Wissenschaftler ihrerseits gut daran getan, einen orangenfarben leuchtenden Kautschuk als Bodenbelag für die Laborbereiche und Gänge zu wählen. Knapp 60 Millionen Euro betrugen die Baukosten. (Im Vergleich: Der Massenspektrometer zur Sequenzierung von RNA im Erdgeschoss kostet allein rund drei Millionen Euro.) Insgesamt ist an dem Gebäude kaum etwas zu kritisieren; die zentralen eher traditionell eingerichteten Besprechungsräume wirken etwas beengt, was letztlich jedoch auf den insgesamt knappen zur Verfügung stehenden Raum zurückzuführen ist. Zu den vielen Pluspunkten gehören auf alle Fälle die Freiraumanlagen (hammeskrause architekten mit Ostap Ogrodnik, Landschaftsarchitekt in München), die rund um das Gebäude abwechslungsreich und erfreulich pflanzenintensiv gestaltet wurden.

Das Äußere erinnert an die funktionalistische Sprache der 1960er-Jahre.
Das Forschungszentrums CBBM in Lübeck erinnert an die funktionalistischen 1960er-Jahre.

Neurobiologie in Lübeck

Lebenspraktische Belange, in diesem Fall Diabetes und Übergewicht, sind Forschungsgegenstand im Center of Brain, Behavior and Metabolism (CBBM) auf dem Campus der Universität Lübeck. hammeskrause architekten haben diesen Bau, für den sie einen öffentlichen Teilhabewettbewerb 2008 gewonnen hatten, Anfang 2016 fertiggestellt. Auch hier bestand die Aufgabe darin, eine Forschungseinrichtung zu entwickeln, die mehrere Institute zu einer interdisziplinären Einheit räumlich-funktional zusammenbindet. 350 Mitarbeiter arbeiten hier in der neurobiologischen Forschung in den Bereichen Radiologie, Endokrinologie und Pharmakologie.

Großzügig: Auffälligstes Element im Inneren des Lübecker Forschungszentrums CBBM ist die zentrale Freitreppe.
Auffälligstes Element ist die zentrale Freitreppe.

Im Vergleich zu Köln ist das Lübecker Forschungszentrum äußerlich noch eine Spur sachlicher. Der quaderförmige Bau, dessen verglaste Fassaden durch horizontale Fassadenbänder gegliedert sind, erinnert an die funktionalistische Sprache der Bürohausarchitektur der 1960er-Jahre. Bei der räumlichen Anordnung der Funktionen sind die Architekten jedoch einer ähnlichen Idee wie in Köln gefolgt. Auch hier ist in einem quaderförmigen 40 mal 60 Meter großen Baukörper ein in diesem Fall langrechteckiges, in der Mitte geteiltes Atrium eingeschnitten. Es wird im Erdgeschoss sowie den drei Obergeschossen von Galerien gerahmt, auf denen die Labors der Forscher liegen. Diese sind zu den Atrien hin wiederum verglast und auf diese Weise visuell mit ihm verbunden, während die Büros auch hier an der Gebäudeaußenseite angeordnet sind.

In Laborräumen dominiert wissenschaftliche Nüchternheit.
In den Laborräumen geht es wissenschaftlich nüchtern zu.

In Lübeck ist die Anmutung des Atriums strenger und weniger beschwingt als in Köln. Dafür ist man bei dem in die Mitte des Gebäudes eingestellten Kommunikationszentrum andere, ungewöhnlichere Wege gegangen: Hier dominiert eine breite Freitreppe. Sie ist mit blauem Nadelvlies ausgelegt und lädt zum Sitzen ein. Die Treppe führt auf die erste Etage und einen Steg, der die beiden Längsseiten des Atriums verbindet. Über schmalere Treppenaufgänge kommt man in einen weiteren Riegel, aus dem einzelne kleine kubenförmige Besprechungskapseln hervorragen. Wie gut die Freitreppe, auch mit den Sitzgruppen auf ihrer oberen Ebene, als informeller Austauschtreffpunkt langfristig funktioniert, wird sich zeigen. Keine Frage ist, dass sie die Aufenthaltsqualität innerhalb der ansonsten kühlen Atmosphäre des Atriums erhöht.

2013 haben hammeskrause architekten in räumlicher und funktionaler Anknüpfung an das CBBM mit dem Bau eines weiteren biomedizinischen Forschungszentrums für 350 Mitarbeiter begonnen, das bisher verstreut liegende Einheiten auf dem Campus zusammenfassen und auf 7.000 Quadratmetern ein Zentrum für Infektion und Entzündung sowie für klinische Forschung bilden wird. Der Neubau, der 2019 eröffnen soll, schließt an der Schmalseite des CBBM an und wird, wenn fertiggestellt, diese nach Entfernung einer Wandscheibe in der Längsrichtung des Gebäudes weiterführen.

Aus dem Foyer des CBBM wird man dann direkt in den biomedizinischen Neubau gelangen können; die Idee des Austauschs zwischen unterschiedlichen, sich ergänzenden Forschungseinheiten wird mithin räumlich weitergeführt, aber in größerem Maßstab. Auch für diesen Bau haben die Architekten eine im Grundsatz ähnliche Lösung für die Anordnung der wesentlichen Funktionen entwickelt. Zwei getrennte Atrien, in Längs- und Schmalrichtung im Gebäudeinneren gelegen, werden dann die kommunikativen Zentren bilden, um die herum sich die Labore und Büroarbeitsplätze mit vielfältigen Sichtbeziehungen zueinander gruppieren.

Frank Maier-Solgk ist Publizist zu Architektur- und ­Kulturthemen in Düsseldorf.

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