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Fußgerecht geplant

Zu selten stehen Fußgänger im Mittelpunkt der Planung. Wir zeigen gelungene Straßenumbauten aus Hamburg, Kassel und Wien

30.03.20194 Min. Kommentar schreiben

Von Heiko Haberle

Wien, Mariahilfer Straße

In Wien wurde mit der Mariahilfer Straße zwischen 2013 und 2015 die wichtigste Einkaufsstraße außerhalb der Altstadt verkehrsberuhigt und neugestaltet. Nach den Plänen von Bureau B + B aus Amsterdam sollte die monofunktionale Straße in einen multifunktionalen shared space verwandelt werden, was jedoch in Politik und Öffentlichkeit höchst umstritten war. Daher wurden Diskussionsrunden und eine Ausstellung der Planung veranstaltet und die Straße schließlich testweise für ein ganzes Jahr für den Durchgangsverkehr gesperrt. In dieser Zeit konnten sich die Bürger den neuen Freiraum und die aufgestellten Prototypen der neuen Stadtmöbel bereits provisorisch aneignen.

Nach der geglückten Testphase begann der Umbau: Von Fassade zu Fassade wurde die Straße auf einer Ebene angelegt. Die mittlere Zone ist geteilt und kann auch von Fahrradfahrern genutzt werden, wobei Fußgänger stets für alle anderen Verkehrsteilnehmer das Tempo vorgeben. Dort, wo Busse oder Autos fahren dürfen, begeben sie sich auf Ebene der Fußgänger hinauf, nicht umgekehrt. Die Randbereiche sind den Fußgängern und der Außengastronomie vorbehalten. Auch ohne konsumieren zu müssen, laden Sitzinseln, Baumbeete und Wasserspiele dazu ein, sich länger in der Straße aufzuhalten, als es vor dem Umbau angenehm gewesen wäre.

Hamburg, Osterstraße

Die Gestaltung der 1,3 Kilometer langen Osterstraße in Hamburg-Eimsbüttel folgte noch dem Primat der Autogerechtigkeit. Dabei ist sie mit ihren etwa 250 Läden und vielen Wohnungen in den Obergeschossen auch als Aufenthaltsort prädestiniert, zumal 75 Prozent des Verkehrs als Quell- oder Zielverkehr ausgemacht wurden. Doch Grünflächen wirkten ungepflegt, die Bürgersteige waren zugestellt und für Fahrradfahrer kein Bereich definiert.

Die Überlegungen zur Neugestaltung hatten 2008 mit einer Ideenwerkstatt begonnen und wurden von der eigens ins Leben gerufenen Quartierszeitung „Fokus Osterstraße“ begleitet. Zwischen 2015 und 2017 wurden dann die Planungen (arge Kontor Freiraumplanung, SBI Beratende Ingenieure und ARGUS Verkehrs- und Stadtplanung und steg) realisiert. Die Fahrbahnfläche wurde um etwa ein Viertel verkleinert und die Zahl der Pkw-Parkplätze auf 110 halbiert. Zugleich verdreifachte man annähernd die Anzahl der Fahrradabstellmöglichkeiten auf 820. Hinzu kamen außerdem neue Sitzbänke und Bäume. Fußgänger haben nun großzügigere Bewegungsflächen auf beiden Straßenseiten und können die Fahrbahn dank eines niveaugleichen Mittelstreifens einfacher überqueren.

Kassel, Vorderer Westen

Im gründerzeitlichen „Vorderen Westen“ von Kassel wurden mehrere wichtige Verkehrsverbindungen im Sinne von mehr Fußgängerfreundlichkeit und Aufenthaltsqualität umgebaut (Planungsgruppe Landschaft und Freiraum, Oppermann Ingenieure, SHP Ingenieure). Zwischen 2010 und 2013 erhielt der Straßenverlauf von Germaniastraße und Goethestraße eine neue Gestaltung, die sich insbesondere im Mittelteil auf der breiten Goethestraße bemerkbar macht: Hier wurden die zwei Richtungsfahrbahnen beidseits eines kaum nutzbaren Grünstreifens zu einer Fahrbahn für beide Richtungen zusammengefasst. Diese wird auch von der Straßenbahn genutzt, die zuvor zur Hälfte ein eigenes Bett hatte. Parkplätze wanderten von der Nordseite der Straße in die Straßenmitte. Der gewonnene Platz kommt nun vor allem dieser Nordseite zugute, wo der Bürgersteig nur 2,25 Meter breit und die Südausrichtung verschenkt worden war. Heute liegt hier direkt vor den Häusern eine 16 Meter breite, baumbestandene Promenade mit Sitzmöbeln und Fahrradspur. An den Kreuzungen wurden die Verkehrsflächen für das Auto minimiert, um platzartige Aufweitungen der Bürgersteige zu schaffen.

Als zweiter Bauabschnitt folgte bis 2015 die Umgestaltung der Friedrich-Ebert-Straße, die eine Hauptverbindung von der Innenstadt Richtung Wilhelmshöhe darstellt und exemplarisch für die autogerechte Stadt steht. Auch hier wurden die Fahrbahnen verschmälert und die vormals mittigen Gleise der Straßenbahn in die Fahrbahnen integriert. Ein neuer Mittelstreifen ermöglicht Fußgängern das Überqueren der Straße. Außerdem wurden die Gehwege verbreitert und in sie barrierefreie Haltestellen integriert. Erstmals kam auch ein Fahrradstreifen hinzu und der vormals unbegrünte Straßenraum erhielt 75 Bäume. Für diese radikale Verwandlung wurde 2016 der Deutsche Verkehrsplanungspreis verliehen.

Wie man fußgängerfreundliche Städte plant, lesen Sie auch hier

 

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