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Geerbte Baukultur

Acht Architektenkammern nutzen und pflegen Baudenkmäler – von der Renaissance bis zur klassischen Moderne

31.10.20129 Min. Kommentar schreiben

Texte: Cornelia Dörries, Nils Hille, Roland Stimpel

Die Architektenkammern der Länder sind oft nicht nur sehr schöne, historisch wertvolle Gebäude, sondern repräsentieren zugleich die Vielfalt der Architektur des Landes. Von hanseatischer Backstein-Neogotik über eklektizistische Schlösschen bis hin zu den dynamischen Schwüngen der modernen Großstadtarchitektur ist alles dabei. Viele der Häuser stehen unter Denkmalschutz und sind gute Beispiele dafür, wie sich die Bewahrung des Kostbaren mit den Ansprüchen der Nutzer von heute verbinden lässt.

Foto: AK Simone Rosenberg
Foto: Simone Rosenberg / AK Bayern

Bayern: Schlösschen von der Post

Als der Fassholzfabrikant und Kommerzienrat Jakob Kornmann im Jahr 1924 eine großzügige Parzelle in München-Neuhausen erworben hatte, ließ er sich eine Villa im wuchtig-historistischen Stil von Heilmann & Littmann mit Portikus und einer herrschaftlichen Auffahrt errichten. Doch in der Bauzeit ging seine Ehe in die Brüche, sodass 1925 nur Frau Kornmann und die drei Töchter in das neue Haus zogen. Später gelangte es in den Besitz der Deutschen Reichspost und war in München als „Post-Schlösschen“ bekannt. Bei der Privatisierung in den 1990er-Jahren kam die Bayerische Architektenkammer zum Zuge, die das Haus auf behutsame Weise modernisierte, ohne ihm den Charme des ehemaligen Kommerzienrats-Habitats zu nehmen. Wer hier zu Gast ist, bekommt bis heute eine Ahnung von großbürgerlicher Wohnkultur. Aus dem Salon im Erdgeschoss ist ein Seminarraum mit Zugang zum Garten geworden; in den Obergeschossen befinden sich die Büros der Geschäftsstelle. Die Einrichtung versucht nicht, die im Laufe der Jahre vollzogene Entwicklung rückgängig zu machen; sie ist modern und schlicht gehalten, ohne die Geschichte des Gebäudes zu neutralisieren. Mit dem modernen „Haus der Architektur“, das 2002 von den Architekten Drescher & Kubina neben dem Altbau errichtet wurde, entstand ein Ensemble aus Alt und Neu.

Fotos: AK Berlin
Foto: AK Berlin

Berlin: Ikone der Moderne

Kein anderes Kammer-Denkmal ist so jung und prominent wie das in Berlin: 2011 zog die Kammer des Landes in das Haus des Metallarbeiter-Verbandes, das Erich Mendelsohn 1929 für die Gewerkschaft errichtet hatte. Die heutige IG Metall ist nach wie vor Eigentümerin; die Kammer nutzt eine Büroetage und nach Bedarf die Veranstaltungsräume des Hauses.

Vor ihrem Einzug veranstaltete sie für den Umbau ihrer Räume einen europaweiten offenen Realisierungswettbewerb, der zweitplatzierte Entwurf des Berliner Büros urbane prozesse (Daniel Dickmann und Thomas Richter) wurde am Ende umgesetzt. Es war eine Ehrfurcht gebietende Aufgabe, aber keine konfliktträchtige mit dem Denkmalschutz: Äußerlich, in den Treppenhäusern und in den Foyers hatte die IG Metall das Haus schon in den 1990er-Jahren saniert. In den Bürotrakten ging es vor allem um eine feinfühlige Ausstattung. Dickmann und Richter konservierten die vorhandenen Einbauschränke, überzogen aber deren Türen mit dunkelgrauem Filz – eine Reverenz an das Grau der Fenster und der Heizungskörper. Den Linoleum-Fußboden hielten sie in dunklem Anthrazit. Mit honigfarbenen Wänden führten sie den Ton des Treppenhauses weiter, in dem Messing in Türrahmen und Geländern dominiert. Daniel Dickmann berichtet: „Wir haben uns im Vorfeld viele Gedanken über mögliche Denkmal-Restriktionen gemacht. Aber da wir in die Substanz nicht eingegriffen haben, war die Denkmal-Behörde bei diesem Projekt ziemlich entspannt.
Das Haus ist offen und ein beliebtes Ziel an Tagen der Architektur und des offenen Denkmals. Die Kammer residiert in einer Architektur-Ikone und hat das Raumproblem gelöst, das sie an ihrem vorigen Sitz geplagt hatte. Der war übrigens in einem noch jüngeren Denkmal – einem Haus in der Karl-Marx-Allee, das 1953 von Richard Paulick errichtet worden war.

Foto: AK Brandenburg

Brandenburg: Logenplatz

Architekten und Freimaurer – das ist historisch eine nahe liegende Verbindung. Englands mittelalterliche „freemasons“ sind die Vorläufer beider. Seitdem haben sie sich getrennt entwickelt, doch in Potsdam ins selbe Haus gefunden: Die Brandenburgische Architektenkammer ist Mieterin im Logenhaus, 1881 gegenüber vom Holländischen Viertel gebaut. Hundert Jahre später wurde es als Kulturhaus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft genutzt; nach dem Mauerfall bekam die freimaurerische Weltkugel-Stiftung das Haus zurück. Neben ihr und der Kammer gibt es hier ein Restaurant und das „Café Hundertwasser“ – den Namen hat definitiv nicht die Architektenkammer ausgesucht.

Foto: AK Bremen

Bremen: Backstein-Pracht

An der Straßenfassade zeigt das Haus der Bremer Kammern für Architekten und Ingenieure die ganze Pracht der Weser-Renaissance. Alles dahinter stammt von 1926. Damals wurde aus dem Kaufmannshaus eine Umformer-Station mit neuen Geschossdecken, Stahlbetonrahmen und einer breiteren Durchfahrt. 1985 baute es der Bremer Architekt Gert Schulze zum Kammersitz um. Ins Obergeschoss zogen Büro- und Sitzungsräume ein; die Transformatorenhalle ist nunmehr Ausstellungs-, Versammlungs- und Seminarraum. Ganz oben ist eine Mietwohnung. Erst vor zwei Jahren hat sich das jetzige Büro Schulze Pampus Architekten erneut des Hauses angenommen: Nicht zu rettende historische Fenster wurden denkmalgerecht nachgebaut – mit Wärmeschutzglas als Konzession an die heutige Zeit. Seit fünf Jahren behauptet sich das Haus sehr achtbar neben dem viel größeren und schlichter geformten Neubau von Radio Bremen direkt nebenan.

Hessen: Starker Auftritt

Schon der frühere Sitz der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen in Wiesbaden war denkmalgeschützt – ein ehemaliges großbürgerliches Wohnhaus. Als Fläche und Zuschnitt nicht mehr stimmten, erwarb die Kammer im Jahr 2004 ein früheres Hotel vom Ende des 19. Jahrhunderts. Mit dem Atelier 30 aus Kassel gewann ein damals noch sehr junges Büro den Wettbewerb für die weiteren Umbauten. In den oberen Geschossen waren diese eher moderat. Eines der Treppenhäuser wurde erweitert; ein Aufzug erschließt nun alle Räume barrierefrei. Die breiten Flure dienen auf den Büroetagen als Kommunikationsinseln für die Mitarbeiter und im Untergeschoss als Pausenzone für die Besucher der Akademie. Im historischen Bau gibt es einen modernen Seminar- und Veranstaltungsbereich. Dieser ist wie eine herausgezogene Schublade nach außen hin geöffnet, was Platz und Licht bringt. Damit gelingt dem Haus ein starker Auftritt: Es zeigt, dass hier nicht irgendeine Berufsvereinigung sitzt, sondern die Architektenkammer. Das Denkmalamt hatte bei seiner Zustimmung nicht nur die Bewahrung der Substanz, sondern auch die Nutzung im Blick.

Mecklenburg-Vorpommern: Gediegenheit auf Holzpfählen

Direkt am Pfaffenteich, sozusagen der Binnenalster von Schwerin, steht die cremefarbene Stadtvilla. Und zwar auf jenen Holzpfählen, auf denen sie im Jahr 1895 errichtet wurde. Die Architektenkammer belegt ein Drittel der Räume; im Haus haben auch die Ingenieurkammer des Bundeslandes und deren Versorgungswerk ihren Ort gefunden. Vor sieben Jahren kaufte die Hamburger Immobilien Entwicklungsgesellschaft, kurz imeg, das Gebäude. Da war dessen Sanierung bereits mitten im Gange. Viel verändert wurde in dem Denkmal seit seiner Errichtung nicht. Jedoch sorgt jetzt ein Fahrstuhl für das hürdenfreie Erreichen der einzelnen Etagen. Ansonsten sind Neuerungen schwer machbar, wie der Eigentümer erklärt. Eine Dämmung der Wände ist wegen des Stucks außen und der historischen Bemalung innen nicht möglich. Immer wieder werden kleine Risse ausgebessert, die durch die leichte Bewegung des Gebäudes auf dem Holzpfähle-Fundament entstehen.

Fotos: AK Niedersachsen
Foto: Fotodesign Andreas Braun / AK Niedersachsen

Niedersachsen: Baumeister-Haus

Der klassizistische Bau bewahrt die Erinnerung an Hannovers bedeutendsten Baumeister Georg Ludwig Friedrich Laves, den Zeit- und Gesinnungsgenossen des Berliners Schinkel und des Müncheners Klenze. 1824 baute Laves für sich eine repräsentative, hell verputzte Villa am Friedrichswall 5, die dann lange als privates Wohnhaus der Familie diente. Genau genommen ist der Begriff „Laveshaus“ aber eine Erfindung des Fremdenverkehrsamtes. Als dieses in den 1950er-Jahren einzog, versetzte es das durch diverse Anbauten entstellte Anwesen in seine ursprüngliche Form zurück und benannte es kurzerhand nach seinem Architekten und ehemaligen Besitzer. Seitdem zählt es zu den Sehenswürdigkeiten Hannovers – erst recht, seit es 1998 nach aufwändigen Restaurierungs- und Umbauarbeiten als Sitz der Architektenkammer Niedersachsen wiedereröffnet wurde.
Umbau und Erweiterung lagen in den Händen von gleich drei Hannoveraner Büros: Das Haus selbst wurde nach Plänen von Wolfgang-Michael Pax und Thomas Hadamczik mit Anja Brüning modernisiert; für das daneben errichtete Ateliergebäude waren Kai-Michael Koch und Anne Panse mit Nicola Deindl verantwortlich, und die gesamte Inneneinrichtung oblag Bernd Rokahr. Die Gestaltung der Außenanlagen übernahm Thomas Mudra (Edesbüttel). Die Wiederherstellung der Räume orientierte sich an den vorgefundenen historischen Farben und Materialien – immer mit dem Ziel, die Identität der historischen Architektur wiederzubeleben. Insbesondere die haustechnischen Anlagen erforderten planerische Fantasie. So wurden in sensiblen Bereichen anstelle von Heizkörpern Wandflächenheizungen eingebaut, und Kabelkanäle verschwanden in speziell gefertigten Holzsockelleisten.
Zu dem Anwesen gehören neben dem denkmalgerecht modernisierten Haupthaus das 1855 entstandene Ateliergebäude und ein neuer, gläserner Semi-nartrakt im Hof. Er war nötig, weil der Einbau von Schulungsräumen im Haupthaus massive Eingriffe erfordert hätte. Daher entschied man sich für einen dezidiert modernen Neubau, der sich respektvoll auf den strengen Klassizismus des Hauptgebäudes einlässt, ohne sich zu ducken. Laves würde das gefallen.

Foto: F.-H. Müller/AK Sachsen

Sachsen: Villa im Grünen

1928/29 ließ sich der Dresdner Zigarettenfabrikant Carl Bergmann vom Architekten Bruno Paul eine Villa mit Elementen des Klassizismus und des Jugendstils errichten. In der DDR-Zeit diente sie verschiedensten Zwecke und wurde über die Jahre hinweg nicht sehr liebevoll verbaut. 1993 erwarb sie die Architektenkammer Sachsen; Dorothea Becker und Thomas Strauch-Stoll bauten sie anschließend um. Da die aufwendige Inneneinrichtung verloren und eine neue Nutzung vorgesehen war, kam eine Rekonstruktion des Urzustands nicht infrage. Mit Zustimmung der Denkmalpfleger gewann das Haus verlorene räumliche Qualität zurück und erhielt sparsame, aber konsequent eingesetzte zeitgemäße Gestaltungsmittel. Besonders deutlich wird das bei einem Alt-Neu-Vergleich im Vestibül. Dort führt nun am alten Ort der Treppe eine neue, viel filigranere nach oben, die auch das Gartengeschoss mit seinem Versammlungsraum erschließt. Beckers und Strauch-Stolls Büro h.e.i.z.Haus betreute das Gebäude noch viele Jahre weiter. Inzwischen ist es von der Kammer ins Eigentum der Stiftung Sächsischer Architekten übergegangen und bildet deren Anfangsvermögen.

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