Dieser Beitrag ist in gekürzter Fassung unter dem Titel „Gesundholzbau“ im Deutschen Architektenblatt 10.2021 erschienen.
Von Christoph Gunßer
Das Nagoldtal ist eines jener waldreichen Täler im Nordschwarzwald, wo immer schon viel mit Holz gebaut wurde. Heute spielen hier Erholung und Gesundheit eine wichtige Rolle. Was läge da näher, als das lokale Material auch für moderne Fachkliniken zu verwenden und diese so zugleich anheimelnder und nachhaltiger zu gestalten? Ein erster Pionierbau, der fast ganz aus Holz errichtet wurde, ist nun in Ebhausen gut 50 Kilometer südwestlich von Stuttgart zu besichtigen.
Das dortige „Lebenszentrum“ ist eine kleine Suchtklinik, in der Patienten nach dem Entzug rund sechs Wochen lang auf die Rückkehr in den Alltag vorbereitet werden. Da die Nachfrage nach ihren Therapie-Angeboten ständig steigt und ihr Baubestand, eine alte Villa samt Anbau, etwas in die Jahre gekommen war, beschloss die von der evangelisch-methodistischen Kirche getragene Einrichtung 2015, einen Annex mit 24 Wohnplätzen zu errichten.
Den Einladungswettbewerb konnte buerohauser aus dem nahen Altensteig für sich entscheiden. Mit Gesundheitsbauten hatte sich das heute dreißigköpfige Team, das deutschlandweit tätig ist und auch eine kleine Dependance in Berlin unterhält, bereits einen Namen gemacht. Durch die Zusammenarbeit mit einer regionalen Zimmerei setzt das Büro nicht nur im Wohnbau, sondern auch bei Sozialbauten verstärkt auf den Holzsystembau.
Ein Geschoss pro Tag mit Holzmodulbau
Der dreistöckige, L-förmige Annex wurde, abgesehen vom massiven Sockel und dem Treppenhaus, komplett aus regionalem Holz errichtet. Ein Geschoss pro Tag war die Taktung des effizienten Modulbaus. Neun weitgehend identische Einzelzimmer pro Etage, an einem geraden Flur aufgereiht, erleichterten die serielle Konstruktion. 1.538 Euro brutto pro Quadratmeter Nutzfläche (KG 300 + 400), das ist denn auch spektakulär günstig.Dennoch erweckt das Gebäude nirgends den Eindruck eines Leichtbaus oder gar Provisoriums, für die Holzmodulbauten sonst gern verwendet werden.
Projektleiter Ulrich Fischer von buerohauser ist überzeugt: „Der Holzmodulbau unterstützt Hygienestandards und Genesung.“ Tatsächlich belegen Studien, dass Holz raumklimatisch wie psychisch das Wohlbefinden Kranker fördern kann. Mineralische Putze und Farben tragen zum antibakteriellen Klima des Holzbaus bei, so der Projektleiter. Das Holz in den Innenräumen sichtbar zu belassen, wäre indes wegen der häufigen Reinigung der Oberflächen nicht sinnvoll gewesen.
Dämmung mit Holzweichfaserplatten
Die Dämmlage bilden Holzweichfaserplatten, auf die in den zwei Obergeschossen zu Straße und Vorhof hin eine hinterlüftete Lärchenschalung montiert wurde. Am geschützten, zur Nagold orientierten Innenhof ist es ein weißer Putz, der mit hölzernen Brüstungselementen kontrastiert. Der angrenzende Altbau wurde ebenfalls umgebaut und in die Gestaltung miteinbezogen.
Der informelle Charakter des Hauses, seine „Wohlfühlatmosphäre“ (Fischer), ist beabsichtigt. Patientinnen und Patienten dürfen sich frei bewegen. Um das skulpturale Treppenhaus herum entwickelt sich das Erdgeschoss weitgehend offen und hell. Sitzgruppen und Speisesaal gehen ineinander über, sind aber derzeit coronabedingt verwaist. Jedoch fanden hier auch schon Fachtagungen statt.
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Flexibilität und Nachnutzung
Flexibilität ist indes auch in den oberen Etagen erwünscht. Auch wenn momentan der Bedarf an Therapieplätzen hoch ist, forderte der für die Abrechnung der Leistungen zuständige Rentenversicherungsträger ein gegebenenfalls nachnutzbares Raumkonzept. Also wurden die Zimmer so zugeschnitten, dass auch eine Nutzung für betreutes Wohnen möglich ist. Eine kleine Wohnküche lässt sich nachrüsten, und auch ein Lichtruf von Pflegekräften ist möglich. Die Möbel, eine Eigenentwicklung des Büros, sind mit allen nötigen Leitungen vorinstalliert. „Wir haben eine große Freude daran, solche Dinge selbst zu entwickeln“, sagt Ulrich Fischer.
Trotz des engen Budgets blieb die Nachhaltigkeit bei dem knapp vier Millionen teuren Projekt (mit Umbau) nicht auf der Strecke. Die nach Süden und Westen orientierten Dachflächen sind vollflächig mit Photovoltaik und Solarthermie bestückt, sodass die Einrichtung ihren Bedarf zumindest rechnerisch selbst deckt.
Begeisterung für den Holzmodulbau
Die Begeisterung für den Modulbau ließ die Tüftler vom buerohauser sogar eine eigene Produktlinie entwickeln: Mohab ist ein ähnlich wie im Automobilbau individualisierbares, per Lkw fix und fertig lieferbares Raummodul. Keine Kiste, eher eine durchdachte, auf die inneren Abläufe hin optimierte Kapsel von etwas schrägem Zuschnitt. Als das Team der Architekten wuchs, erweiterten sie ihren eigenen Holzsystembau in Altensteig um zwei solche Module. Auch ein Studentenwohnheim und einen Hotel-Umbau in Franken konnten die Planerinnen und Planer damit schon realisieren.
Doch ihr Kerngeschäft bleiben vorerst die größeren Sozial- und Gesundheitsbauten. Auf Fehmarn konnte buerohauser zuletzt die Ostseeklinik für Suchttherapie um einen Funktionsbau und vier Bettenhäuser erweitern. Die auf das dörfliche Umfeld abgestimmte, kleinteilige Anlage besteht hier aus zweigeschossigen Holzsystembauten.
Brandschutz bei Fachkliniken
Die genannten Suchtkliniken gelten mit ihrer Holzbauweise als Pionierbauten. Da es sich um Fachkliniken handelt, unterliegen sie nicht der strengen Krankenhausbauverordnung. Aufgrund seiner Bauhöhe ist das Lebenszentrum – nach der in Bezug auf den Holzbau liberalisierten Landesbauordnung Baden-Württemberg – als Sonderbau in Gebäudeklasse 4 eingestuft, was die Feuerwiderstandsklasse F60 beinhaltet. Dies wurde konstruktiv durch eine entsprechende feuerhemmende Verkleidung der Konstruktion und die Unterteilung in Brandabschnitte erreicht.
Im nahen Baden-Baden wurde unlängst sogar eine Reha-Klinik mit dreistöckigem Holzaufbau realisiert (von Haas Fertigbau mit abc-modul als Planer) – sie erfüllt die Anforderungen der Gebäudeklasse 5 und damit F90. Nach Auskunft von Ulrich Fischer sind Fachkliniken dieser Art inzwischen bundesweit in Holzbauweise genehmigungsfähig.
Im Betrieb erweisen sich die Konstruktionen als ebenso dauerhaft und hygienisch einwandfrei wie Massivbauten. Gerade wegen der vorteilhaften Energiebilanz von Holz, seiner regionalen Verfügbarkeit und breiten Akzeptanz ist der Baustoff dazu prädestiniert, auch bei Gesundheitsbauten das Stadium der temporären Container-Lösungen zu verlassen und ein gleichwertiger, wenn nicht sogar überlegener Player zu werden.
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