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Grüne Städte: Ideen, Beispiele und Umsetzungsprobleme

Mehr Schatten, mehr Luft, mehr Grün und ein intelligenter Umgang mit Wasser: Sinnvolle Maßnahmen zur Anpassung der Städte an den Klimawandel liegen auf dem Tisch. Unser Autor forscht nach, warum trotzdem wenig passiert – und wo es schon gut funktioniert.

Von: Frank Maier-Solgk
Frank Maier-Solgk ist von der Gartenkunst auf die Architektur gekommen....

29.08.20248 Min. 1 Kommentar schreiben
Wupperpark mit runden Grünflächen, Bäumen und Sitzbänken

Auf nur 2.500 Quadratmetern bietet der Wupperpark einen öffentlichen Raum mit Bäumen, Sitzgelegenheiten, einem Infopavillon und einem Café.
Gereon Holtschneider

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Verbesserung des Betriebsklimas“ im Deutschen Architektenblatt 09.2024 erschienen.

Unsere Städte werden immer dichter – und ihre Freiräume werden immer weniger. Was im Sinne eines verringerten Flächenverbrauchs erst einmal zu begrüßen ist, stellt die Ballungsräume vor neue ökologische Herausforderungen. Will man die Städte als attraktiven Lebensraum für Jung und Alt, aber auch für Flora und Fauna, erhalten, tun mehr sommerliche Kühlung und ein verbessertes ­Wassermanagement not.

Konzeptpapiere und Empfehlungen

Nun sind die Stichworte für eine präventive Klimaanpassungspolitik bekannt: Renaturierungen, Schwammstadtkonzepte (das heißt Vermeidung der schnellen Abführung von Wasser), generell die Entwicklung blau-grüner Infrastrukturen in Städten, Baumneuanpflanzungen im großen Stil, Kühlschneisen und so weiter.

Sie finden sich unter anderem in Papieren wie den „20 Empfehlungen für eine konsequente Klimaanpassungspolitik mit Schwerpunkt auf Stadtlandschaften“, die der bdla 2002 formulierte (2023 ergänzt durch „Empfehlungen baurechtlicher Art“).

Preise und Titel für grüne Städte

Auch an Absichtsbekundungen und Förderung mangelt es nicht: Auf EU-Ebene wird seit 2010 als Ansporn der Titel „Grüne Hauptstadt Europas“ vergeben (den in diesem Jahr das spanische Valencia mit seinem gesamtstädtischen Grün-Blau-System trägt). In Deutschland wird 2024 zum dritten Mal der Bundespreis Stadtgrün mit insgesamt sechsstelligem Preisgeld verliehen, seit Kurzem existiert sogar ein neues Klimaanpassungsgesetz.

Das Wissen für grüne Städte ist da

Und das BMBF fördert Projekte wie die „Grüne Stadt der Zukunft“ der TU München oder BlueGreenStreets 2.0 der HafenCity Universität Hamburg, das eine für die Praxis vielversprechende Toolbox für einen „multifunktionalen klimaangepassten Straßenumbau“ entwickelt.

Das Wissen ist also da – und auch konzeptionell tut sich etwas. Viele Städte können auf Klimaanpassungskonzepte verweisen, es existieren Analysen zu Hitzeinseln und Temperaturkarten, Baumstandortspotenzialanalysen und vieles mehr.

Busbahnhof Wuppertal mit vielen Bussen und Autos, dahinter Häuser

Wo heute der kleine Wupperpark ist, war zuvor der völlig versiegelte Busbahnhof.
Kurt Keil/WZ Westdeutsche Zeitung

Umsetzungsdefitiz in den Planungsämtern

Jedoch: Papier ist geduldig. Und selbst wenn es die Ambitionen bis in eine konkrete Wettbewerbsausschreibung geschafft haben, helfen manchmal auch die schönsten Siegerprojekte nichts.

Beispiel Düsseldorf: 2019 schrieb die Stadt einen internationalen städtebaulich-freiraumplanerisch-künstlerischen Wettbewerb für einen „Blaugrünen Ring“ rings um die Altstadt aus, der historische Grünanlagen aufnehmen, deren Lücken schließen, Kultureinrichtungen miteinander verbinden und gegebenenfalls erweitern sowie die Position der Stadt auch im Sinne einer grünen Stadtentwicklung demonstrieren sollte.

Die Ergebnisse wurden in einer Ausstellung präsentiert, Preise vergeben. Seitdem aber passierte: nichts. Die Pläne verschwanden – ob aus Kostengründen oder aufgrund offener Flächennutzungsfragen – in den Schubladen der Ämter.

Die Gründe für das Umsetzungsdefizit, das Düsseldorf mit vielen Städten bundesweit teilt, liegen außer in hohen Kosten nicht zuletzt in einer aktuellen Verschiebung der politischen Prioritäten. In vielen Kommunen haben Wohnungsneubau und die Erneuerung von Bildungsbauten derzeit Planungsvorrang vor Klimaanpassungsmaßnahmen.

Bisher nur wenige Einzelprojekte

Begibt man sich auf die Suche nach Best-Practice-Beispielen in Deutschland, so sind jedenfalls großflächige Stadtplanungsprojekte dünn gesät. Selbst erfolgreiche Beispiele urbanen Hochwasserschutzes wie in den Mittelstädten Arnsberg (landschaftliche Renaturierung der Ruhr) und Siegen („Zu neuen Ufern“) oder in der von Teichen umgebenen Kreisstadt Tirschenreuth liegen bereits zehn oder gar 20 Jahre zurück.

Ansonsten stößt man auf eine Vielzahl kleiner lokaler Maßnahmen mit der Tendenz zu neuen integrierten Planungsansätzen, bei denen zunehmend die Bevölkerung vor Ort einbezogen wird.

Naturbelassener Park mit Stegen über Bahngleisen

Park als Kaltluftschneise: In Mannheim wurde als Teil der BUGA 2023 aus einer Kaserne ein „Klimapark“. Die von Bebauung befreite, baumlose Mitte reduzierte die Stadttemperatur um drei Grad.
Roman Mensing

Konversion von Kasernen

Für großflächige Projekte kommen heute meist Konversionsflächen an den Stadträndern infrage, wobei sich in den letzten Jahren ehemalige Kasernengelände als besonders geeignet erwiesen. Münster (York-Quartier und andere), Augsburg (Westpark) und zuletzt Mannheim (Grünzug Nordost) bieten Anschauungsmaterial für in klimarelevanter Hinsicht durchaus unterschiedlich ambitionierte Lösungen.

In Mannheim diente die Bundesgartenschau 2023 dazu, eine von der Stadt bereits seit Längerem verfolgte Klimaanpassungsstrategie in Form eines Freiraumkorridors von der Stadtmitte bis in die Peripherie zu konkretisieren. Zentrum war das 80 Hektar große Gelände der ehemaligen Spinelli-Kaserne, die im Blick auf die Frischluftzufuhr zurückgebaut wurde (bis auf einen denkmalgeschützten Hallenbau, der als Gerippe erhalten blieb) – ein „Klimapark“ mit einer ausgedehnten baumlosen Mitte (s.o.).

Grüne Städte sind politische Entscheidungen

„Eine Temperaturreduktion von drei Grad hat man hierdurch erreichen können“, erzählt Landschaftsarchitekt Stephan Lenzen, der die BUGA 2023 auf dem Gelände der Spinelli-Kaserne konzipiert hat. Neben der Schaffung von miteinander vernetzten Biotopen war die von Bebauung frei gehaltene Schneise der entscheidende Gedanke, um in diesem Fall kühlere Luftströmungen aus dem östlichen Odenwald bis in die inneren Stadtbereiche zu führen.

„Die Stadt“, so Stephan Lenzen, „hätte ohne Weiteres dem Engpass auf dem Wohnungsmarkt, der hier so groß wie in den anderen Zentren des Landes ist, durch Ausweisung als Bauland begegnen können. Erfreulicherweise hat sie sich hier anders entschieden.“ Klimaanpassungsmaßnahmen, das zeigt das Beispiel, sind politische Entscheidungen.

Zahl der Bäume mindestens verdoppeln

Das gilt auch für kleinteiligere Eingriffe wie Baumpflanzungen – denn im Innenstadtbereich herrscht bekanntlich Nutzungskonkurrenz. Stephan Lenzen schätzt, dass „wir die Zahl der Bäume in den Städten bis 2050 mindestens verdoppeln müssten“.

Das Ziel erscheint derzeit allerdings in weiter Ferne, zumal nicht viele Städte über großflächige Konversionsflächen wie Mannheim verfügen. Suchte man systematisch, so kämen neben den meist vergessenen Innenhöfen (Privatbesitz), neben Flussläufen und Bahngleisen letztlich in erster Linie doch Straßenzüge für Begrünungen infrage, mit entsprechenden Konkurrenzen zu Verkehrs- und Sicherheitsbelangen und hohen Anforderungen an Standort, Wurzelraum, Pflege/Bewässerung und Baumarten.

Baumpflanzungen für grüne Städte

Trotzdem scheint hier viel Potenzial zu liegen, betrachtet man das Beispiel der Stadt Leipzig, die 2019 ein Straßenbaumkonzept einführte, dessen avisierte Ziele – jährlich 1.000 neue Bäume, 600 Ersatzbäume, Erhalt der 57.000 vorhandenen Straßenbäume und Identifizierung von potenziellen Standorten für weitere 45.000 Baumanpflanzungen – ambitioniert sind.

Ansonsten sollte man sich nichts vormachen: Die von vielen Grün- und Gartenämtern stolz vermeldeten neuen Baum­anpflanzungen muss man mit der Zahl an Fällungen gegenrechnen; dann fällt die Bilanz meist nicht mehr beeindruckend aus.

Luftbild Wupperpark mit Bäumen und Grünflächen zwischen Straßen und Autos

Der Wupperpark ist eine kleine grüne Oase inmitten von immer noch sehr viel Asphalt.
Gereon Holtschneider

Wupperpark: mehr Grün auf schwierigem Terrain

Ein weiterer Knackpunkt sind die Zuständigkeiten. Kennzeichnend für städtische Projekte ist die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Beteiligten, wobei es auch im Hinblick auf die Nutzung gemeinsame Perspektiven herauszuarbeiten gilt – das jedenfalls ist das Credo von Landschaftsarchitektin Hiltrud Lintel, die mit scape Landschaftsarchitekten kürzlich ein prämiertes Projekt in der Wuppertaler Innenstadt realisieren konnte (gemeinsam mit arntz erke architekten).

Hier drehte es sich um einen schmalen, etwa 2.500 Quadratmeter großen Streifen zwischen der Wupper und der B7, für den die Stadt 2018 einen nicht offenen Wettbewerb ausgelobt hatte. Auf dem ehemaligen Busbahnhof und lokalen Drogenumschlagplatz, der mit einem Luftschutzbunker unterbaut war, konnte es nur darum gehen, ein hybrides Platzkonzept zu entwickeln, das die unterschiedlichen Anforderungen – mehr städtisches Grün, Aufenthaltsqualität und soziale Funktion – austariert.

Grüne Oase und urbaner Anlaufpunkt

Es galt, so Lintel, die jeweiligen Maximalforderungen der Akteure einzufangen, worunter auch die verschiedenen städtischen Ämter mit ihren technischen und verkehrlichen Anforderungen zu verstehen sind. Am Ende entstand ein grün geprägter Aufenthaltsort am Fluss mit großen Vegetationsinseln, die als Wasserspeicher dienen, den Bäumen guten Wuchsraum bieten und von langen Bänken für 80 Personen eingefasst sind, also viel Raum für eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzergruppen bereitstellen.

In Hitzeperioden sorgt der Platz für angenehme Kühle, darüber hinaus zeichnet ihn Transparenz, sprich Einsehbarkeit, aus und er schafft eine Heimat für zwei urbane Anlaufpunkte, einen „Infopavillon“ der Stadt und ein Café für suchtkranke Menschen.

„Es ist uns gelungen, den Ort durch Begrünung und Offenheit als grüne Oase in der Stadt einladend zu gestalten und ihm den Angstcharakter weitgehend zu nehmen – nach langen Diskussionen auch zwischen Bürgerschaft und Politik, unter anderem zum Standort des Cafés“, so die Landschaftsarchitektin Hiltrud Lintel.

Freiraum Typ E, analog zu Gebäudetyp E

Einig sind sich heute fast alle, dass frühe Absprachen zwischen Tiefbauamt, Grünämtern und anderen Verantwortlichen im Blick auf eine stärker integrierte Planung nötig sind. Um wirklich weiterzukommen, wäre darüber hinaus nach Hiltrud Lintel auch ein „Freiraum Typ E“ analog zum Gebäudetyp E eine gute Idee, der weniger Regulierungen vorgibt und mehr Spielräume zulässt.

Ob dies ein Weg ist oder ob neue Kooperationen von Architektinnen und Landschaftsarchitekten die Lösung sind, um eine Integration von Landschaftsraum und Siedlungsentwicklung weiterzuführen – wie es ganz aktuell beispielsweise bei einem städtebaulichen und freiraumplanerischen Wettbewerb für die nördliche Kalkumer Schlossallee am Rande von Düsseldorf wieder einmal vielversprechend konzipiert ist –, wird man sehen.

Erkennbar aber ist, dass die Umsetzungsfrage gerade in Sachen klimagerechte Stadt erfordert, dass die verantwortlichen Gruppen über ihren berufsbedingten Schatten springen.

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1 Gedanke zu „Grüne Städte: Ideen, Beispiele und Umsetzungsprobleme

  1. Im Artikel heißt es, Zahl der Bäume in den Städten bis 2050 verdoppeln.

    Wenn jede Kommune einem neuem Bauherrn wenn er anfängt sein Einfamilienhäuschen zu bauen, dahingehend verpflichtet, als Ersatz für diese Versiegelung einen Laubbaum zu pflanzen, erledigt sich das von selber. Dies muss ja nicht unbedingt im eigenen Garten sein, wenn dies aufgrund seiner Größe nicht passt. Dazu kann die Kommune ja entsprechend vorgeschriebene Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen, oder geeignete Pflanzbereiche auf großen Parkplätzen in der Innenstadt. Was Investoren mit Mehrgeschoss-Bauten angeht, ( Siedlungsbau ) so sind hier 1 Laubbaum pro Wohnung verpflichtend auf diesem Areal oder in den natürlichen Ausgleichsflächen der Kommune anzupflanzen. Dies sollte von den Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben werden, oder Kommunen mit grüner Weitsicht ordnen es selber an. Dann dürfte es kein großes Problem bis 2050 sein.

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