Das Minimalhaus von Atelier Stocker wurde im Bestand eines alten Gehöfts gebaut (Klicken für mehr Bilder)
Reine Bauwerkskosten von gut 1.000 Euro brutto pro Quadratmeter für ein Einfamilienhaus, noch dazu im teuren Großraum Stuttgart – das muss man dem Architekten Florian Stocker aus Remshalden erstmal nachmachen. Doch der gibt sich bescheiden: Das Geheimnis des „Schnäpple“ liege zwischen Recycling und Industriebau, und die Kunst sei einfach, Dinge wegzulassen. Zudem half der praktisch begabte Bauherr, ein Werkzeugmacher, der „eigentlich nur ein günstiges Haus bauen wollte“, bei dessen Entstehen kräftig mit.
Scheune gekauft und abgerissen
Doch der Reihe nach: Die junge Familie mit zwei kleinen Kindern kaufte eine baufällige alte Scheune mit 99 Quadratmetern Garten im Ortskern von Leutenbach. Auf der Ostseite war sie an den Wohnteil einer alten Hofstelle angebaut, der als etwas schmuddeliger Putzbau überdauert hat. Die Scheune jedoch riss man ab. Ihr Ersatzbau wagt radikal Neues, ohne dabei allzu weit vom ländlichen Nutzbau entfernt zu sein, den die Scheune zuvor ja darstellte.
Rohbau gleich Ausbau
Stocker, der in Stuttgart und Harvard studiert und zum Beispiel mal beim Industriebau-affinen Büro Benthem Crouwel in den Niederlanden gearbeitet hat, wählte eine originelle Mischkonstruktion für den Neubau, der seinem Vorgänger nur im Umriss etwas gleicht. Satteldach und Nordwand bestehen aus Trapezblech-Sandwichpaneelen, wie sie im Hallenbau gängig sind – Rohbau ist hier gleich Ausbau. Die Tragstruktur des im Grundriss etwa quadratischen Hauses ist ein Betonskelett aus Halbfertigteilen, das heißt, dass nur noch die Fugen zwischen Standardstützen und -platten vor Ort vergossen wurden. Das erinnert an Le Corbusiers Domino-Konzept aus den Zwanzigern. Auch die zwei einläufigen Raumspartreppen sind Fertigteile.
Fenster in Fassade gestanzt
Das zweistöckige Dach mit seiner markanten Gaube, die eine mächtige alte Eiche im Garten visuell ins Haus holt, ist eine offene Stahlkonstruktion. Die Südfassade und auch das Ostgiebeldreieck sind vollständig in Glas aufgelöst – das ging ohne weiteren Sonnenschutz, da ja die Eiche Schatten spendet. Auf der Nordseite wurden nur drei kleine Fenster zum Hof ins Trapezblech gestanzt, womit man zur Lochfassade des Altbaus nebenan ein Pendant schafft. Die Terrasse über dem Garten entstand aus einer alten Hebebühne, das filigrane Geländer schweißte der Bauherr selbst.
Edle Arte Povera
Roh blieben auch die Untersichten der Decken sowie die Treppen. Im Obergeschoss, dem Hauptwohngeschoss, entfallen Trennwände, sodass ein offener Allraum entsteht, den nur die Treppe gliedert. Erst unterm Dach gibt es Zimmer. Das Erdgeschoss ist als Garage und Werkstatt thermisch abgekoppelt und auch gestalterisch abgesetzt: Billige krumme Holzabschnitte, sogenannte Schwarten, kontrastieren in der Fassade mit dem perfekten Blechkleid und dessen schwarzer Lackierung.
Einfache Haustechnik
Ziemlich simpel ist auch die Haustechnik: Ein wasserführender Kaminofen im Wohnbereich speist zusätzlich die Fußbodenheizung unterm Eichenparkett; eine Gastherme deckt die Spitzenlast. Sogar eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung passte noch ins Budget. Die gesamte Elektrik verschwand in einem Kabelkanal vor den Wänden.
So ist ein im Ortsbild ziemlich unauffälliger und unaufdringlicher Annex von hohem Wohnwert und edler Anmutung entstanden. Und während im Ort fast niemand das Haus kennt, freut sich Architekt Florian Stocker über eine große fachliche Resonanz von außen. Er hofft, dass diese innovative Nachverdichtung einen Impuls für die 2027 geplante IBA in Stuttgart setzen wird, die ja das 100 jährige Bestehen der Weißenhofsiedlung ebendort zum Anlass nimmt, um nach neuen Wegen im Wohnungsbau zu suchen.
Die Gesamtkosten des 184 Quadratmeter großen Hauses beliefen sich letztendlich auf 337.000 Euro brutto, wobei der Grunderwerb daran einen Anteil von 90.000 Euro ausmachte, die Planungsleistung gut 40.000 Euro. Die Ausstattung ist in den Kosten nicht berücksichtigt.
Also der Versuch ist ja aller Ehren wert,
aber ein paar energetische Bemerkungen sollten erlaubt sein :
Fußbodenheizung unter Eichenholz ist ein NoGo – schon allein aus Gründen der Wärmeleitfähigkeit von Holz,
Sie machen die FBH ja noch träger als sie schon ist. Wandheizungselemente wäre baubiologisch besser gewesen und deutlich billiger. Lüftungsanlagen braucht dagegen kein Mensch.
Wenn schon nachhaltig heizen, dann Solarthermie aufs Dach und 5000 Liter Puffer – kostet auch nicht mehr als die Gasthermengeschichte und wäre wirklich nachhaltig gewesen. Aber nicht die Vakuumabsorber aus Glas sondern die günstigere aus Plastik.
Kosten ca. ein Viertel von den anderen.
Wieso braucht eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung kein Mensch? Sehe ich vollkommen anders.
Eigentlich finde ich das Haus und auch den Anspruch sehr gut. Besonders das Terassengeländer ist super!!!
Nur sehe ich die Grundrissaufteilung etwas kritisch.
Möchte ich wirklich neben der Treppe schlafen, die vom Keller bis ins DG offen durchgeht?
Vielleicht hat auch der minimalistische Bau auf die Darstellung des Architekten abgefärbt,
und es gibt doch Türen oder Trennwände?