Schon Anfang Juli sind die Eishockeytore für die Berliner Eisbären da, und auch die Bande ist in der O2 World aufgebaut. Als Nächstes kommt das Eis. Nur für die 59 „Entertainment-Suiten“ muss die Innenausstattung aus Holz noch montiert werden. Zwei Monate bevor die Mehrzweckhalle in Berlin Kreuzberg-Friedrichshain am 10. September ihren Betrieb aufnimmt, sind die meisten Arbeiten ausgeführt.
Finanziert wird die Arena von der Anschutz Entertainment Group, einem weltweit tätigen Unternehmen im Bereich Sport und Unterhaltung mit Sitz in Los Angeles, zu dessen Imperium unter anderem das dortige Staples Center und die Color-Line-Arena in Hamburg gehören. In Berlin will das Unternehmen laut Pressesprecher Moritz Hillebrand bereits bei der Eröffnung des 165-Millionen-Euro-Projekts in die Gewinnzone kommen. Möglich wird dies durch den Sponsorenbeitrag des Namensgebers O2
(englisch auszusprechen) und durch die Vermietung der Suiten. „Die Ausstattung der Suiten ist hochwertiger als bei vergleichbaren Arenen etwa in London“, sagt Hillebrand. Denn die Berliner Kunden seien durch den VIP-Bereich des Olympiastadions verwöhnt. Vermietungsprobleme, so Hillebrand, gebe es jedoch keine. Im Gegenteil – Berlin zieht!
Damit vor allem die Premiumgäste aus dem ganzen Land die neue Halle auch gut erreichen können, verfügt sie nicht nur über ICE-Anschluss im nahen Ostbahnhof, sondern ist auch über die 100 Meter entfernte Spree zu erreichen: etwa durch eine Bootstour vom Hotel. Und natürlich gibt es einen gesonderten Parkplatz, von dem es nur ein paar Schritte zum VIP-Eingang sind. Auch sonst wird viel Wert darauf gelegt, dass sich bei den Veranstaltungen das gemeine Sport- und Konzertfußvolk der 17 000-Plätze-Halle und die zahlungskräftigeren Premiumkunden nicht mehr als unbedingt nötig über den Weg laufen.
Umstrittener Städtebau
Das Gebäude wurde in Zusammenarbeit der Architekturfirmen HOK (2 100 Beschäftigte auf vier Kontinenten) und JSK (150 Architekten an acht Standorten) verwirklicht. Es bildet den ersten Ankerpunkt bei der Entwicklung des Areals des ehemaligen Ost-Güterbahnhofs. Noch nimmt sich dort die neue Arena recht massig aus. Doch wer auf die städtebauliche Planung für das Gelände schaut, der merkt, dass der Bau irgendwann zwischen umgebenden Bauten fast versinken dürfte. Deren Realisierung ist aber seit dem Erfolg des Bürgerentscheids „Mediaspree versenken“ vom 13. Juli 2008 ungewiss, auch wenn sie nicht unmittelbar in der Uferzone liegen, die nach diesem Entscheid von Neubauten frei gehalten werden soll.
Derzeit hat das Areal zu beiden Seiten der Spree einen höchst heterogenen Charakter, der in seiner baulichen Unvollständigkeit (noch) ziemlich berlintypisch ist. „Wir haben rund um die Halle Baurecht, damit betreffen uns die Ergebnisse des Bürgerbegehrens nicht direkt“, unterstreicht Hillebrand. In einer noch weitgehend kahlen Umgebung bietet die 02 World jetzt Investorenarchitektur im wahrsten Sinne des Wortes: der Bau ist funktional und ökonomisch (vermutlich) erfolgreich, aber nicht gerade von einem übermäßigen architektonischen Anspruch beseelt.
Doch das soll sie ja vermutlich auch gar nicht sein, denn die 02-World ist zielgruppenorientiert. Und was hält der durchschnittliche Manager, der hier zu einem Event in die Loge eingeladen wird, für gute Architektur? Wohl am ehesten jenen gebrauchsrobusten Mainstream, der ihm bei den meisten Unternehmenszentralen und Shoppingmalls begegnet. Natürlich betreibt die Anschutz-Gruppe Marktforschung, um zu erfahren, was ihre Kunden wünschen. Doch über die Ergebnisse schweigt Hillebrand: „Das ist für uns wie das geheime Coca-Cola-Rezept.“
Dabei beweisen gerade die neuen Sportstadien von Herzog & de Meuron in München und Peking, dass auch eine ambitionierte Architektur im Sport- und Unterhaltungssektor denkbar wäre. Allerdings wohl nicht zu diesem Preis. Die neue Halle streckt sich mit ihrer mächtigen schräg gestellten Front aus Glas und Stahl den Besuchern und der Spree dickbäuchig entgegen. LED-Leuchten mit 300 000 Lichtpunkten sollen die Fassade dabei passend zur jeweiligen Veranstaltung bespielen. Hinter der Glas-Stahl-Konstruktion schließt sich das lichte Hauptfoyer mit den Treppen an. Gleich mehrfach prangt zudem der Name der Arena auf der Fassade, so als habe man Angst, der Bau könnte sonst verwechselt werden. Und als krönender Abschluss prangt ein O2-blauer Schirm auf der Halle, so wie einst die Prinz-Heinrich-Mütze auf Altkanzler Helmut Schmidts Kopf – hier freilich ohne Kordel und Stickerei.
Der Star ist die Veranstaltung
An der wenig inspirierten Seitenansicht trägt die Halle eine helle Verkleidung mit Sandstein aus Portugal über einem schwarzen Sockel mit chinesischem Granit. Im Inneren bietet die Arena Platz für maximal 17 000 Besucher – je nach Bestuhlung. Um eine uneingeschränkte Sicht auf Spielfeld oder Bühne zu ermöglichen, ist die Dachkonstruktion an zwei mächtigen Trägern aus Stahl befestigt, die auf jeweils zwei Betonpfeilern aufliegen. Und während die unteren Sitzplatzreihen nur sanft ansteigen, sind sie im oberen Bereich weitaus steiler angeordnet.
Dazwischen erstreckt sich die Zone mit den Suiten, die das Halleninnere wie ein Gürtel untergliedern. Über dem Haupteingang wird zudem künftig ein Restaurant zahlungswillige Gäste anlocken – natürlich mit Spielfeldblick. Die unteren Tribünenbereiche sind derweil durch Teleskopbühnen flexibel gestaltbar, je nach Bedarf und Veranstaltung.
Dabei wurde die Halle so konzipiert, dass möglichst wenige Plätze verloren gehen, wenn an der Rückseite die Bühne für Konzerte aufgebaut wird. Zudem sind die Wandoberflächen so ausgelegt, dass sie für eine gute Akustik in der Halle sorgen sollen. Schließlich stehen mit Konzerten von Coldplay und Elton John bereits in diesem Jahr die ersten Großveranstaltungen mit Riesenbühnen an – aber auch der Dalai Lama wird in der Arena auftreten. Und auch die Basketballer von Alba Berlin sind dem Lockruf der O2 World erlegen.
Erst jüngst waren sie nach langer Durststrecke wieder deutscher Meister geworden. Ob sie aber nicht nur bei Spitzenduellen mehr als 10 000 Stimmung machende Fans in die Halle locken können, bleibt abzuwarten. Wenn sich die erste, fast schon legendäre Berliner Besichtigungsneugier gelegt haben wird, werden die Stars der O2 World wohl ohnehin die Veranstaltungen sein – die Architektur ist es eher nicht.
Wenn der Investor vergleicht:
„Der Bruttorauminhalt entspricht circa 100 Einfamilienhäusern. Somit bietet die O2 World fünf Mal mehr Platz als das Bundeskanzleramt. Der Berliner Funkturm könnte der Länge nach in der O2 World liegen. Auch das Brandenburger Tor passt in die neue Arena. Die Hängelast des Daches trägt 93 Smart-Autos oder 24 Maybachs, zwei leere Transrapidzüge oder den Hauptrumpf eines Space Shuttles.“
- (Quelle: www.o2world.de)
Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.