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Hotels in alten Mauern: drei Beispiele für Umbau und Sanierung

Die über Jahrzehnte boomende Hotel-Branche hat in der ­Corona-Krise eine Zwangspause eingelegt. Danach scheint ­vielerorts endlich Qualität vor Quantität zu gehen. So sind kreative ­Umbauten nicht nur nachhaltiger, sondern sie schaffen auch ­unverwechselbare, besondere Orte

Von: Christoph Gunßer
Christoph Gunßer ist für das DAB vor allem in Süddeutschland...

26.11.20219 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Nachtlager“ im Deutschen Architektenblatt 12.2021 erschienen.

Von Christoph Gunßer

Der Bau neuer Hotels versprach lange Zeit sichere Renditen. Allein seit der Finanzkrise verdreifachten sich hierzulande die Investitionen in diesem Sektor, und auch die Zahl der Übernachtungen stieg seit 1992 um das Zweifache. Dann aber drückte Corona den Reset-Knopf. Derzeit ist unklar, inwieweit Geschäftsreisen wieder Alltag werden und wann Touristen aus fernen Ländern wie zuvor die vielen Zimmer füllen. Da besinnt sich mancher in der Branche auf die klassischen Tugenden der Beherbergung – ein Trend, der sich übrigens bereits vor Corona abzeichnete.

Restaurant im Hotel EmiLu
Haus und Mobiliar des Designhotels EmiLu sind „vintage“.

Gerade die kleineren, inhabergeführten Betriebe sind beweglich genug, um rasch auf die veränderte Nachfrage zu reagieren. Sie nutzen geschickt Nischen, die bei den großen Ketten nicht ins System passen. Stichworte sind: der besondere, persönlich geprägte Ort, eine unverwechselbare, oft familiäre Atmosphäre – und herausragende Architektur. Die wird gern aus dem Bestand entwickelt, denn dessen Lage, Patina und Prägung bieten hier von vornherein Pluspunkte.

Hotel EmiLu: unscheinbares Bürohaus in Stuttgart

Dabei muss es sich nicht immer um architektonische Kleinode handeln, wie der Blick nach Stuttgart zeigt. Das dortige „Europahaus“ war ein breiter, hässlicher Bürobau aus den Sechzigern, gleich hinter dem Rathaus. Seine Mono-Nutzung und die sterile Bandfassade trugen wenig zur Belebung des kleinen, von Platanen bestandenen Platzes bei, der hier den Übergang von der ziemlich unwirtlichen City zur winzigen Altstadt markiert, die schon allseits von Kommerzbauten bedrängt wird.

Bauherr will Stuttgart bereichern

Zwar hätten sich vor Ort viele eine gemeinwohlorientierte Entwicklung der stadteigenen Immobilie vorstellen können, doch setzte die Stadtratsmehrheit 2015 durch, dass das Gebäude zum Verkehrswert von gut sechs Millionen Euro direkt an den örtlichen Immobilienmakler Michael Bräutigam veräußert wurde. Der hängt nach eigenem Bekunden sehr an Stuttgart und beklagt, dass „die Innenstädte in der Kakofonie der Handelsketten und Konzerne veröden“. Dagegen wollte er etwas unternehmen. Bislang nicht in der Hotellerie engagiert, verwirklichte Bräutigam hier den lang gehegten Traum vom „Design-Hotel“. EmiLu, der Name des 90-Zimmer-Hotels, verbindet die Namen von Frau und Tochter, die mit ihm den Umbau gestalteten.

Frühstücksraum im Hotel EmiLu
Im Frühstücksraum blieb die Betonkassettendecke der Sechzigerjahre sichtbar.

Fassade von Blocher Partners

Dass der vierstöckige Altbau nicht abgerissen, sondern zu diesem Zweck ausgebeint und um zwei Etagen aufgestockt würde, war Teil des Deals mit der Stadt. Eine Mehrfachbeauftragung klärte die Fassadengestaltung: Blocher Partners fanden eine Form der natursteinverkleideten Lochfassade mit bodentiefen Fenstern und etwas großzügiger verglasten Staffelgeschossen. Sie vergrößert den Baukörper zwar im Maßstab, durch die öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss wirkt er aber urbaner.

Jedes Zimmer mit anderem Design

Auch die Innenarchitektur entwickelten Blocher Partners in Zusammenarbeit mit dem Bauherrn. Jedes der 90 Zimmer ist anders gestaltet. Intensive Farbtöne, edles Nussbaumparkett und Vintage-Möbel machen die geschickt ins Raster des Altbaus eingefügten Räume zu kleinen Kunstwerken. Das Angebot reicht von der 14-Quadratmeter-Klause bis zur 42-Quadratmeter-Suite. Die oberste Etage des Altbaus bietet dazu luftige 3,60 Meter Deckenhöhe. In den zwei aufgesetzten Stockwerken haben die Suiten auch einen schmalen umlaufenden Balkon. Ganz oben gibt es eine – leider bislang nicht öffentliche – Lounge.

Umnutzung aufwendig aber lohnend

Dass der Bau recycelt wurde, ist nur im Entree offensichtlich. Dort hat man die originale Kassettendecke aus Beton nicht wie sonst abgehängt, sondern mit einem weißen Brandschutzanstrich sichtbar belassen. Das passt gut zu den Midcentury-Möbeln der Lobby, deren Frühstücksraum tagsüber auch dem Laufpublikum offensteht. Im südlichen Teil wartet eine trendig gestaltete Bar auf Nachtschwärmer. Die Hotelzimmer kosten ab gut 100 Euro die Nacht und richten sich an Touristen und Geschäftsreisende gleichermaßen – in diesen unsicheren Zeiten gewiss eine weise Entscheidung, streut sie doch das Risiko.

Orangenes Hotelzimmer im EmiLu
Im Hotel EmiLu ist jedes Zimmer anders.

Für das Quartier ist der urbane Hotelbau ebenso ein Gewinn wie für die Umwelt – auch wenn der Bauherr im Gespräch andeutet, dass er nach vier Jahren Bauzeit (Planung: Wolf Architekten und Ingenieure, Backnang) die Unwägbarkeiten des Gebäude-Recyclings anders einschätzt als zu Beginn.

Hotel Röhrl: altes Brauhaus in Eilsbrunn

Vielleicht ist eine nicht durch Erfahrung getrübte Unerschrockenheit wie in Stuttgart tatsächlich die beste Voraussetzung für das Retten alter Substanz. Zumindest hatten auch die jungen Bauherren des Hotels Röhrl in Eilsbrunn bei Regensburg keine Erfahrung als Hoteliers, als sie sich entschlossen, ein seit fünfzig Jahren leer stehendes Sudhaus umzubauen – einen ortsbildprägenden Bau neben der Brauerei-Gaststätte, die die Großfamilie in elfter Generation betreibt. Eilsbrunn liegt direkt an der Autobahn, da schien ein Hotel in dem 1.100-Seelen-Dorf lohnend.

Michael Kühnlein kämpft für alte Bausubstanz

Sie beauftragten den ebenfalls jungen Architekten Michael Kühnlein aus dem 20 Kilometer entfernten Berching, der zwar auch noch kein Hotel im Portfolio hatte, aber schon andere wertvolle Substanz auf vorbildliche Art gerettet hatte. Sein Vater, Michael Kühnlein senior, kämpft seit vierzig Jahren für den Erhalt alter Bausubstanz in der Region, und das mit sehr ansehnlichen Resultaten.

„Man muss den Bestand verstehen, bevor man ihn als Architekt anfasst“, lautet ihre gemeinsame Devise. Also war das baufällige, nicht denkmalgeschützte Sudhaus in guten Händen. Ursprünglich 1764 errichtet, hatte der 27 Meter lange und drei Geschosse hohe Giebelbau diverse An- und Umbauten durchgemacht. Dass er nicht abgerissen worden war, hatte auch pragmatische Gründe: Ein Ersatzbau hätte ganz andere Abstandsflächen einhalten müssen.

Hotel EmiLu von außen
Das Hotel EmiLu lässt nicht mehr das Bürohaus der 1960er erkennen, das es vorher war.

Neue Decken für Brandschutz und Stabilität

Nun gewann der Industriebau, aus dessen Dach schon die Bäume wuchsen, ein zweites Leben als Herberge. Den Brandschutz verbesserten die Architekten mit neuen Betondecken, die die Gebäudehülle zudem stabilisieren. Die Ankerplatten integrierten sie selbstbewusst in die Fassadengestaltung. Ohne Denkmalschutz hat man da eben mehr Spielraum – allerdings auch keine Fördermittel. Nur im Umfeld, am Dorfplatz, profitierte das Projekt von der Städtebauförderung.

Originale Brauereitechnik erhalten

Schon die „Lobby“ des Hotels erzählt sehr eindrucksvoll die Geschichte des Ortes: In der ehemaligen Brauereihalle sind die lediglich gereinigten Kessel samt Motoren und Leitungen original erhalten. Der Ziegelboden besteht aus Abbruchziegeln. Von dort geht es in den geradezu sakralen Gewölbekeller des Frühstücksraums, wo früher das Malz keimte. Die Feuchte machte dort umfassende Bauarbeiten nötig: Die Stützen wurden neu unterfangen, die originalen Kalkplatten danach wieder eingebracht – ein Kraftakt.

Spuren der Vergangenheit in jedem Zimmer

Im Sudhaus gibt es insgesamt 25 Zimmer. Die alte Malzdarre, wo das Malz trocknete, wurde zur zweistöckigen Suite, störende Zwischenböden ließen die Architekten entfernen. Selbst die

Brauburschenzimmer im Obergeschoss sind heute Hotelzimmer, erschlossen über Eisenstege über der Brauereihalle. Jeder Raum bewahrt Spuren seiner Vergangenheit: mal alte Tapeten, mal ein rundes Oberlicht oder einen historischen Klappladen (die recht kleinen originalen Holzfenster wurden durch Aufdoppelung zu Kastenfenstern). In den Fluren lugt durch breite Risse im Putz das Ziegelmauerwerk.

<<< Jump Mark: eilsbrunn >>>

Originelles Recycling bis ins Detail

An allen Ecken treffen die Gäste auf originelles Recycling: Noch verwendbare Eichenhölzer tauchen in Dielenböden wieder auf, Kupferrohre aus der Bierkühlung in Garderobenstangen und Armaturen, Bieretiketten auf den Glastüren der Bäder. Die überall sichtbaren rohen Betondecken, weißer Putz und das neue Parkett bewahren das Ambiente aber stets davor, in die im Tourismus leider gängigen Klischees zu verfallen.

Neubau für Nebenräume und Erschließung

Für Haustechnik, das Treppenhaus samt Aufzug und weitere Nebenräume dockte man auf der gen Norden gelegenen Rückseite einen schlichten Quader ans Gebäude an. Innen in Ortbeton belassen, verkleiden ihn außen vertikale Latten in dezent bunter Tönung. Teile des Anbaus sind als Terrasse begehbar. Auf der Ostseite musste ein weiteres Treppenhaus als zweiter Fluchtweg angebaut werden.

1.110 Quadratmeter höchst originelles Hotel, konstruktiv fast ein Neubau, kosteten am Ende nur rund drei Millionen Euro. Eine Nacht in diesem stimmigen alt-neuen Ambiente lässt sich ab 64 Euro buchen. Eine gelungene Rettungsaktion, der man nur Nachahmer wünschen kann.

Restaurant Weinstock
Weinstube plus Hotel: In Volkach wurde das Traditionshaus Zur Schwane einem behutsamen Lifting unterzogen. Kern der Umgestaltung ist das Sterne-Restaurant „Weinstock“ im ersten Stock.

Zur Schwane: Frischer Wind im Traditionsgasthaus

Weniger dramatisch lief die Umgestaltung des Hotels Zur Schwane in Volkach im Herzen Mainfrankens – eines „Urgasthauses“, wie es Architekt Michael Jung nennt. Gemeinsam mit seiner Partnerin, der Innenarchitektin Yvonne Klemke, hat er für den Hotelier und Winzer Ralph Düker das noble Traditionshaus einem behutsamen Lifting unterzogen. Das Äußere des gelb verputzten Altstadt-Hauses wurde dabei nicht angetastet.

Hotelzimmer in der Weinstube
Die Gestaltung der Zimmer spielt thematisch passend mit dem Thema Weingeister.

Restaurant „Weinstock“ ist das Herzstück

Kern der Umgestaltung ist das Sterne-Restaurant „Weinstock“ im ersten Stock. Das experimentierfreudige Lokal verfügt über nur sechzehn Plätze und ist ständig ausgebucht. Seiner Besonderheit wollten die Gestalter Ausdruck verleihen und nahmen dem Raum allen Muff. Von einer „Symbiose aus Zeitgeist und Romantik“ spricht der Hausherr. Während der alte Dielenboden und die Stuckdecken vertraut sind, sorgen die wolkig-blaue Wandtönung mit integriertem Lichtband und moderne Designelemente für Kontrast: Schmale goldene Pendelleuchten rücken die Speisen in den Fokus, Lederbespannung ersetzt die Tischdecken, Polsterstühle und Bänke sorgen für eine Lounge-Atmosphäre.

Pferdeskulptur in der alten Gendarmerie
In der alten Gendarmerie erinnern eigenwillige Details an die einstige Nutzung.

Hotel wurde schon erweitert

Passend dazu wurde das Hotel um zwei Zimmertypen erweitert (Preise ab 120 Euro). Das Farbkonzept ist gleich, auch die indirekte Beleuchtung kehrt dort wieder. Allerdings verläuft das Lichtband hier schräg im Raum, und auch die dunkelblau profilierte Wandtextur kippt hinterm Bett nach unten, wohl um die Enge des Raumes etwas zu überspielen. Eine großformatige Allegorie der Weingeister ziert das Bad-Modul.

Die Zimmer scheinen gut anzukommen – jedenfalls wartete auf die Innenarchitektin und den Architekten direkt ein Folgeauftrag: die Erweiterung des Hotels in ein benachbartes Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, die ehemalige Gendarmerie. Hier ist das Design sehr streng, die Flure sind schwarz-weiß gestreift. In den Zimmern kontrastieren freigelegte Bruchsteinmauern mit dunkelblauen Decken. Auch die neuen Räume sind gut gebucht. Eigensinn bei der Gestaltung – das belegt unsere kleine Auswahl – zahlt sich offenbar aus, gerade in unsicheren Zeiten wie diesen.

 

Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Nachts.

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