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„Ich mach das ja nicht für mich“

Der Architekt Christoph Mäckler aus Frankfurt ist einer, der Haltung zeigt und auch die Auseinandersetzung mit anderen Positionen nicht scheut. Ein Gespräch über Vorurteile, falsche Fassaden und starke Meinungen.

31.07.20157 Min. Kommentar schreiben
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Hält die Stadt im Gespräch: Der gebürtige Frankfurter Christoph Mäckler, Jahrgang 1951, engagiert sich weit über seine Verpflichtungen in Büro und Hochschule hinaus.

Interview: Cornelia Dörries

Wer Christoph Mäckler in Frankfurt besucht, muss erstmal hoch hinaus in den 33. Stock des City-Hauses 1 der DZ-Bank. In den hellen, weitläufigen Räumen herrscht konzentrierte Betriebsamkeit. Umso überraschender das stille, fast klösterliche Büro von Christoph Mäckler: ein kleiner Raum mit Bücherwand, dunkler Nadelfilz auf dem Boden, eine Arbeitsplatte voller Unterlagen, davor ein schlichter Holzdrehstuhl. Mittendrin ein Podest mit zwei LC1-Sesseln, von denen aus man einen Blick weit über den Schreibtisch und den Papierkram hat. Hochhäuser, Horizontlinien, Flugzeuge – das ganz große Stadtbaumeister-Kino. Der Gast muss dann doch mal Luft holen; so sieht man Frankfurt ja nicht alle Tage. „Eigentlich“, sagt Mäckler, „müsste jeder Architekt in dieser Stadt so einen Arbeitsplatz haben, damit er sieht, was er anrichtet.“

Herr Mäckler, Sie sind als meinungsfreudiger Architekt bekannt. Wie erleben Sie die Streitkultur innerhalb des Berufsstandes?

Die Streitkultur in der Architektur liegt im Argen. Und zwar deshalb, weil man heute Angst davor hat, Position zu beziehen. Zu Recht, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Denn das öffentliche Bekenntnis zu einer bestimmten Haltung erzeugt automatisch Widerspruch. Nun wäre offener Widerspruch ja grundsätzlich eine gute Sache, doch man bekommt diesen Dissens oftmals leider nur indirekt zu spüren. Zum Beispiel im Zusammenhang mit Wettbewerbsverfahren, bei denen Preisgerichte Architekten lediglich aufgrund einer anderen Haltung ausschließen. Auch wenn Sie mir das jetzt vielleicht nicht glauben, für mich persönlich ist das manchmal sehr schwer nachvollziehbar. Ich erwähne das, weil mich viele in eine Stein- und Retro-Schublade packen und gar nicht verstehen, dass es mir eigentlich um etwas anderes geht. Mir geht es um eine Architektur, die sich mit dem Ort beschäftigt, an dem sie zu stehen kommt. Doch es gibt Kollegen, die bauen überall gleich, entweder mit geknautschtem Blech, ausschließlich in Glas, in Stein oder nur in einer Farbe – doch jeder Ort hat seine eigene Kultur, seine Tradition und seine Geschichte. Das muss erstmal wieder in die Köpfe hinein, dieser kulturelle Bezug zum Ort.

Als Professor können Sie die nächste Architektengeneration für diese Fragen sensibilisieren. Streiten Sie auch mit Ihren Studenten?

Ach je. Die Studenten sind inzwischen sehr uniform und haben eigentlich keinen Widerspruchsgeist mehr. Die ziehen ihr Studium in Nullkommanichts durch, als würden sie eine Banklehre machen. Doch wir vermitteln an der TU Dortmund Handwerk. Wer bei uns studiert, lernt, wie man mit Stadt und ihren Häusern umgeht. Dazu gehört beispielsweise auch, dass man weiß, wie ein Dach zu bauen ist. Für mich ist das keine ideologische Frage, sondern erneut die Frage nach der Fähigkeit, sich mit einem Ort auseinandersetzen zu können. Dann kommt man nämlich ganz von selbst darauf, dass nicht immer ein Flachdach die Lösung ist.

Wollen Sie damit sagen, der Dächerstreit der 1920er-Jahre wird immer noch ausgefochten?

Ja, das ist ja das Verrückte. Studenten kriegen nach wie vor vermittelt, dass alles, was nicht Flachdach ist, automatisch retro sein muss. Doch es gibt Hoffnung. Denn die heute 40-jährigen Architekten haben zum Glück kein Problem mehr mit Dächern. Es ist meine Generation, die sich daran aufreibt. Wir sind noch an den ideologischen Frontlinien sozialisiert worden.

Bei welchem Thema kracht es denn Ihrer Meinung nach am heftigsten?

Beim Material. Jeder, der mit Stein baut, gilt von vornherein als konservativ, und jeder, der mit Glas und Blech baut, ist per se fortschrittlich. Aber auch bei der Fassade wird es manchmal schwierig. Wenn ich für einen Wettbewerb eine gut proportionierte, unaufgeregte Fassade gezeichnet habe, ist mir das schon oft auf die Füße gefallen. Bei einem Wettbewerb für ein großes Kongresszentrum habe ich mir den Spaß erlaubt, mich nur um die Funktionen zu kümmern, und die Fassade meinen Mitarbeitern überlassen. Und prompt haben wir einen Preis bekommen. So oberflächlich ist Architektur inzwischen geworden.

Weil man Fassaden durchwinkt, die mit dem Gebäude und seiner inneren Struktur nichts mehr zu tun haben?

Seit Behnisch geht das ja. Behnisch hat abstrakte Fassaden gezeichnet, horizontale und vertikale Striche, mit Pflanzen ergänzt, und damit hat er viele Wettbewerbe gewonnen. Eine Aussage zur Fassade musste er nie treffen. Heute kann man das mit Medienfassaden machen. Ist das modern oder gestrig? Unsere Architektur ist Teil des Ortes, an dem sie entsteht. Schönheit setzt voraus, dass man sich mit seinem Umfeld und seinen Materialien auseinandersetzt. Wenn man nun wie Hadi Teherani aus Hamburg am ältesten Stadttor Frankfurts aus dem 12. Jahrhundert eine Blechkiste baut, dann zerstört man diesen Ort, weil man nicht erkannt hat, was er für die Stadt bedeutet.

Haben Sie dagegen protestiert?

Nein. Wenn ein Städtebaubeirat und auch das Stadtplanungsamt der Meinung sind, dass so eine Architektur dort richtig ist, dann ist die Entscheidung vielleicht zu akzeptieren.

Welchen Vorwürfen sehen Sie sich selbst ausgesetzt?

Ich gelte als Retro-Architekt. Selbst der Opernturm hier in Frankfurt wird in diese Schublade gesteckt. Das tut mir dann schon weh. Ich werde trotzdem nicht aufhören, meine Meinung zu sagen und für meine Überzeugung zu kämpfen. Denn ich mach das ja nicht für mich. Und ich stelle mich auch gerne jeder Diskussion, höre zu und respektiere die Meinungen anderer. Ich bin doch nicht unbelehrbar. Sie glauben gar nicht, wie oft ich erlebe, dass Kollegen mir sagen: Hör mal, dich hätte ich mir ganz anders vorgestellt.

Wissen Sie noch, wo Sie sich zum ersten Mal so richtig unbeliebt gemacht haben?

Ja, das war im Städtebaubeirat der Stadt Frankfurt. Da habe ich den Anbau an das hiesige Theater gegeißelt, weil dieser die preisgekrönte Architektur des Gebäudes zerstört hat. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass auch der Anbau vom selben Büro sein könnte. Doch so war es. Der Architekt saß direkt neben mir, als ich da vom Leder gezogen habe. Natürlich hat das für Unmut gesorgt.

Sie sind einer, der Haltung bekennt und sich, auch öffentlich, Widerspruch aussetzt. Warum muten Sie sich das zu?

Weil ich immer noch daran glaube, dass man ernsthaft miteinander streiten und darüber zu Positionen finden kann. Weil ich es bedenklich finde, dass wir uns immer mehr zu Designern entwickeln und uns von der eigentlichen Aufgabe der Architektur entfernen, nämlich Räume zu schaffen und Häuser mit baukonstruktiven Details zu erarbeiten. Dagegen wehre ich mich. Doch ich tue das mit allem Respekt vor meinem Gegenüber. Oder sagen wir so: Wer als Architekt Qualität schafft, verdient in jedem Fall meinen Respekt, auch wenn er ganz andere Positionen als ich vertritt.

Wie meinen Sie das?

Ich respektiere Kollegen, die eine Qualität schaffen, die mir Achtung abverlangt, und mit denen streite ich auch gern. So habe ich beispielsweise zu Schneider + Schumacher, auf deren Turm ich von meinem Arbeitsplatz im Büro immer schaue, ein sehr gutes Verhältnis. Wir respektieren uns, wir diskutieren miteinander und arbeiten bisweilen sogar gemeinsam an Projekten. Das überrascht wahrscheinlich viele. So ein Verhältnis habe ich auch zu Christoph Ingenhoven, der schon Gast auf unserer „Konferenz zur Schönheit und Lebens­fähigkeit der Stadt“ in Düsseldorf war. Er kommt zwar aus einer ganz anderen Ecke als ich, und natürlich streiten wir uns. Doch genau das ist wichtig. Solche Leute sind stark genug, um sich mit einer un­bequemen Meinung auseinanderzu­setzen, und suchen diese Auseinander­setzung auch.

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