Roland Stimpel
Gestaltungssatzungen sind bei vielen Architekten nicht beliebt: Beim Entwurf engen sie ein und scheinbar spielen sie ältere Architektur gegen neue aus. Käme man nicht ohne diese Gängelung auf viel raffiniertere Lösungen und könnte das Stadtbild auf zeitgenössische Weise bereichern, statt sich nur ans Alte anzupassen?
Im Glücksfall passiert das. Aber Gestaltungssatzungen sind wegen der vielen Unglücksfälle da, den weder raffinierten noch innovativen Neuerungen. Sie kommen weniger von Architekten als von Investoren und Nutzern, zum Beispiel per Reklame. Zudem sind Gestaltungssatzungen auf Areale beschränkt, in denen die Qualität des Vorhandenen hoch und der Bedarf an andersartigem Neuen relativ gering ist. Diese Areale sind nicht sehr ausgedehnt: Selbst in einem Extremfall wie dem kleinen Wismar mit seiner großen Altstadt gilt die Satzung nur für 1,5 Prozent des Gemeindegebiets.
In Berlin wird gerade eine neue für Unter den Linden und Umgebung erarbeitet, die nicht einmal 0,1 Prozent der Stadtfläche abdecken soll. Und selbst hier ist ja zeitgenössische, gar avantgardistische Architektur nicht verboten, sondern nur gewissen Regeln unterworfen. Was dann in einem solchen Gebiet noch möglich ist, beweist zum Beispiel David Chipperfield mit dem Galeriebau gegenüber seinem Neuen Museum. Dieser ist älter als die jetzt diskutierte Satzung, wäre aber auch unter ihr noch möglich.
Städte vertragen und brauchen nicht an jeder Stelle das gleiche Maß an gestalterischer Veränderung. Sondern sie brauchen stabile, über die Zeit eher gleichförmige Gebiete, denen eine gute Gestaltungssatzung guttut. Und sie brauchen Räume, an denen Platz für das Neuartige ist. Hier kann der Mut zum Experiment sogar größer sein, wenn es für den anderen Ort den stabilen Anker gibt.