Im Studio „Point“ in Gerlingen sind in einer alten Tennishalle mit 1.900 Quadratmetern im Ring einer Laufbahn ein Freihantelareal und ... (Klicken für mehr Bilder)
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Fit fürs Studio“ im Deutschen Architektenbaltt 09.2022 erschienen.
Auf 9.000 Einwohner kommt ein Sportstudio: Nach Angaben des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen trainieren derzeit mehr als 9,3 Millionen Menschen in Deutschland in rund 9.500 kommerziellen Anlagen – Tendenz steigend. „Die Branche ist mittlerweile stark auf Fitness- und Gesundheitsangebote in ansprechender Atmosphäre – eine Mischung aus Sport und Relax – ausgerichtet“, beobachtet Refit Kamberovic, Hauptgeschäftsführer des Verbands.
Fitness-Discounter vs. Premium-Studios
In den vergangenen Jahren haben sich dabei zwei große Strömungen herausgebildet, so der Experte: „Discounter, die vorrangig von großen Firmen an mehreren Standorten betrieben werden, gehen auf Masse: Sie haben lange Öffnungszeiten, gutes Equipment, günstige und funktionale Ausstattung und wenig Personal. Hauptzielgruppe sind die 18- bis 30-Jährigen. Premium-Anlagen dagegen sprechen vorrangig die über 40-Jährigen an. Sie sind hochwertiger und sehr individuell ausgestattet.“
Schon 100 Fitness-Studios geplant
Vor allem im Premium-Segment sind Innenarchitekten unverzichtbar. Zum Beispiel Rüdiger Klein vom Büro Architektur Design Klein_Pereira in Kirchheim-Teck. Sein Büro hat das erste Sportstudio für einen Betreiber geplant, nachdem es dessen externes Bistro nebenan umgebaut hatte. Das war im Jahr 2002. Danach wurde dieses Tätigkeitsfeld für Rüdiger Klein und seinen Partner zum Selbstläufer. Rund 100 Anlagen haben sie mittlerweile konzipiert. Auftraggeber sind nahezu ausschließlich private Unternehmer. „Die Fitnessstudio-Betreiber kennen sich untereinander, sind in Netzwerken organisiert und tauschen sich sehr kollegial aus – so kamen wir über Empfehlungen vom ersten Umbau zu vielen anderen Studioumbauten“, erzählt Rüdiger Klein.
Einfache Ausführungen mit großer Wirkung
Er kann dabei gut auf seine Schreinerlehre und seine Erfahrungen mit der Einrichtung von Läden, Lokalen und Diskotheken und im Messebau aufbauen. „Einfache bezahlbare Ausführungen, jedoch mit großer Wirkung waren die Grundlage, wie beim Messebau so auch bei den ersten Fitnessstudios“, sagt der Innenarchitekt. Mit dem Wachstum und der Differenzierung der Studiolandschaft sind auch die Anforderungen gestiegen.
In den meisten Sportstudios gibt es heute sehr viele unterschiedliche Nutzungsbereiche: Theke und Empfang, Getränkestation oder gar Bistro, Aktiv-Bereiche mit Cardio-Geräten, ruhigere Zonen für Mobilitäts- und Flexibilitätsübungen, Flächen für funktionales Krafttraining, dazu Büro- und Verwaltung, Sanitäranlagen mit Sauna und Wellnessangebot, oft auch noch Behandlungsräume, Schulungs- und Besprechungsbereiche.
Funktionalität im Fokus
Für Rüdiger Klein macht diese Vielfalt den Reiz des Tätigkeitsfeldes aus: „In allen Räumen darf und soll gestaltet werden, der Betreiber möchte sich von seiner Konkurrenz abheben.“ Seine Auftraggeber wünschen sich eine Gesamtkonzeption unter wirtschaftlichen, nutzungsorientierten und gestalterischen Gesichtspunkten – kurz: ein Rundum-Sorglos-Paket, das die rein architektonische Leistung vielfach übersteigt. Oberste Kriterien sind dabei Funktionalität und Nutzbarkeit. „Damit die Mitarbeiter kurze Wege haben und in möglichst viel Trainingsfläche einblicken können, müssen die Zuordnungen der einzelnen Teilbereiche passen, sowohl fließende Raumstrukturen entstehen als auch einzelne Bereiche zoniert werden, beispielsweise durch Raumteiler.“
Neue Trends und neue Technik
Das kann Rüdiger Klein nur leisten, weil er sich auf Sportstudios spezialisiert hat. Er verfolgt und begleitet die Entwicklung der Branche seit 20 Jahren und ist mit ihr gewachsen. Die Anforderungen an die technische Ausstattung – Lüftung, Klimatisierung, LED-Technik und Raumakustik – werden immer komplexer. Überlegungen zur Energieeffizienz kommen hinzu. Produktneuheiten und frische Trainingskonzepte wollen fortlaufend berücksichtigt werden. „Es sind immer wieder neue Trends und Gestaltungen gefragt“, berichtet Rüdiger Klein. „In einem Takt von etwa sechs bis acht Jahren wird beziehungsweise muss ein Studio neu gestaltet werden. Es kommen daher immer wieder Folgeaufträge – außerdem ist der Markt noch nicht gesättigt.“
Für den Sportpark Luckenwalde gestaltete Architektin Kerstin Heins eine parametrische Wand aus Holzpaneelen. (Klicken für mehr Bilder)
Architektur für Fitness-Studios als Marktlücke
Auch Kerstin Heins, Inhaberin von KerShine Interior Design in Berlin, ist eine Sportstudio-Planerin der ersten Stunde. Sie hat im eigenen Training das Potenzial der Branche erkannt: „Die Gestaltung war oft wenig ansprechend. Die Abläufe und Wegeführungen, im Grunde genommen das komplette Layout, waren meistens nicht funktional.“ Als Diplomarbeit entwarf sie ein Fitnessstudio und beschloss nach der dreijährigen Tätigkeit in einem Architekturbüro ein eigenes, von Anfang an direkt auf Fitnessanlagen spezialisiertes Büro zu gründen.
„Damals gab es noch wenige Planer für Fitness- und Wellnessanlagen. Das war eine richtige Marktlücke. Der Hauptgrund für meine Spezialisierung war jedoch, dass ich mich mit Fitnessanlagen gut auskannte und deren Bedürfnisse beurteilen konnte.“ Anfangs entwickelte Heins vorrangig Stellpläne für die Geräteaufstellung im Auftrag eines Geräteherstellers. „Früher kamen die Studiobetreiber zu den Geräteherstellern nach dem Motto ‚Ich hab hier eine Fläche, plan mir mal, wie ich sie gestalten soll.‘. Dafür hatten die Hersteller in der Regel keine Kapazitäten und auch nicht ausreichend Know-how“, erklärt die Planerin.
Innenarchitektur muss zum Publikum passen
Heute sind die inhaltlichen Prioritäten und die Herangehensweise anders: Der Studiobetreiber beauftragt Heins mit der Planung, die Auswahl des Herstellers der Geräte ist eher sekundär. „Wichtig ist, dass sich die Kunden wohlfühlen. Dafür muss das Ambiente der Anlage stimmig sein. Sie darf weder zu kalt und steril noch zu schrill wirken. Es gibt immer wieder Bauherren, die hier und dort etwas gesehen haben und dann all diese Inspirationen in ihrem Studio umgesetzt sehen wollen. Das funktioniert nicht.“ Hippe Bilder von durchtrainierten Sportlern seien beispielsweise bei jungen Leuten angebracht, Best Ager hingegen bevorzugten eine ruhigere Gestaltung. Diese Mitglieder kennen sich auch oft schon lange. Damit gewinnt der Loungebereich an Bedeutung.
Gute Lüftungsanlage gegen Schweißgeruch
Die Innenarchitektin arbeitet bevorzugt mit Eyecatchern, die einen hohen Wiedererkennungswert haben, und – wo es räumlich möglich ist – mit Galerieebenen. Sie gliedern hohe Räume und nehmen ihnen das Lagerhallenflair, machen optisch einiges her und sorgen für eine bessere Nutzung der vorhandenen Fläche. Zum Wohlfühlambiente gehört für Kerstin Heins jedoch mehr als die Optik: „Die Bedeutung einer guten Lüftungsanlage ist nicht zu unterschätzen. Die Kunden empfinden Schweißgeruch als unangenehm, im Unterbewusstsein oder auch ganz bewusst führt das dazu, nicht mehr gerne in die Anlage zu gehen und über kurz oder lang zu kündigen.“
Bei Fitnessketten geben das Corporate Design und gleiche Trainingsbereiche in derselben Anordnung den Sportlern Orientierung (hier Berlin). (Klicken für mehr Bilder)
Corporate Design für Fitness-Studios
Bei den Betreibern großer Ketten sieht die Aufgabenstellung für die bei diesen Unternehmen angestellten Innenarchitektinnen und -architekten ganz anders aus: „Uns ist der Wiedererkennungswert sehr wichtig. Dafür nutzen wir zum einen unser Corporate Design. Zum anderen haben wir in jedem Studio die gleichen Trainingsbereiche, die nach dem gleichen Schema angeordnet sind, sodass sich unsere Mitglieder sofort gut orientieren können“, erläutert Klarissa Saalmann, Teamlead Architectural Planning bei FitX. „Individualisierungen ergeben sich zwangsläufig daraus, dass jede Fläche andere Gegebenheiten hat.“
Trend weg von Industrial hin zur Natur
Die Innenarchitektinnen und -architekten sind für die notwendigen Konzeptanpassungen, aber auch für Überarbeitungen des Designs und der optischen Gestaltung zuständig. Die sind auch in diesem Marktsegment regelmäßig notwendig. „Die Fitness-Branche ist unglaublich schnelllebig“, bestätigt Philipp Adam, Operation Manager Performance bei Easyfitness. Die Kunden erwarteten Fitness zu einem günstigen Preis, ohne dabei auf Komfort und Leistung zu verzichten. „Wir stehen ständig vor der Frage: Wie sieht das Design von morgen aus?“
Als Beispiel verweist Adam auf den aktuellen Nachhaltigkeitstrend: Noch vor wenigen Jahren war im Discount-Bereich ein sehr urbanes Ambiente mit coolem Industriecharakter und eher dunklen Farben angesagt. Heute werden verstärkt Farben und Materialien, die natürlich anmuten, eingesetzt – ein Trend, der auch bei den individueller gestalteten Studios der kleineren Betreiber unübersehbar ist.
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