Auf der einen Seite steht das individuelle und kontroverse Attribut „Schönheit“ und auf der anderen Seite das Produkt eines schöpferischen Prozesses. Aus meiner Erfahrung wird die Frage nach der Schönheit immer dann gestellt, wenn der Betrachter eigentlich nicht weiterweiß. Da bleibt der Ausweg der Schönheit – wohl wissend, dass hier im Grunde jede Diskussion aufhört.
Mir gefällt da die Frage: „Ist das Architektur oder kann das weg?“ besser. Denn geht es nicht im Kern um die Qualität von Architektur? Darüber kann man inhaltlich diskutieren und deren Maßstäbe festlegen. So müssen wir zum Beispiel einen Rolls-Royce nicht „schön“ finden, werden aber zugeben, dass dieses Auto eine außergewöhnliche Qualität besitzt.
Ich rede mit meinen Bauherren nicht über Schönheit, sondern versuche sie davon zu überzeugen, dass das Gebäude oder ein Detail Qualität besitzt. Das nimmt der schnell emotional geführten Diskussion ihre Spannung und gibt allen die Möglichkeit, die Frage mehr sachlich zu beantworten. Ich als Architekt habe damit auch die geeignete Plattform, meinen Entwurf zur Diskussion zu stellen. Erstaunlicherweise wird das auch schnell verstanden. Kennen Sie die Steigerung von „Ist nicht schön!“? „Kann man nicht putzen!“
Klaus Heselhaus, Architekt, Klütz
„Gegen gute moderne Architektur ist nichts einzuwenden, aber …“
Leider spielt Schönheit heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Es geht eher um Effizienz, Praktikabilität und Zeitgeist. Gegen gute moderne Architektur ist nichts einzuwenden, aber warum gibt man nicht auch schöner, klassischer Architektur wieder einen Raum, anstatt sie automatisch mit vormodernen Einstellungen zu verbinden? Jeder liebt doch Altstädte oder Gründerzeitviertel und es stört nicht, dass viele Häuser eigentlich keine Meisterwerke sind. Wir haben im Krieg viel schöne Bausubstanz verloren, ich finde sie als identitäts stiftenden Ankerpunkt aber wichtig, gerade im Zusammenspiel mit moderner Architektur. Jedoch ist Architektur, wie so vieles heutzutage, auch ein Wegwerfprodukt. Anstatt noch den letzten Cent aus einem Vorhaben herauszupressen, sollte auf langfristige Werte geachtet werden. Das wäre, wie man so schön sagt: nachhaltiger.
Michael Müller, Student der Raumplanung, Dortmund
„Die Schönheit eines Objekts umfasst zunächst einmal dessen Zweck und anschließend seine Proportion. Sie ist dann vollkommen, wenn die Komposition aus Charakter, Qualität und Raum harmonisch ist. Schönheit ist die Summe dieser Komplexität. Sie ist ein Lebensbedürfnis.“
Amir Abadi, Architekt und Möbeldesigner, Berlin
Schön
Was finden Sie schön?
Unterschätzte Hässlichkeiten, die von Abriss bedroht sind.
Gibt es eine objektive Schönheit in der Architektur?
Es gibt objektiv gute Architektur, doch ob sie schön oder hässlich ist, empfindet jeder anders.
Was darf Schönheit in der Architektur kosten?
Schlechte Architektur kostet die gute Laune. Schönheit liegt in jedem Ding und kostet nur die Mühe, sie zu entdecken.
Ist Altes immer schöner als Neues?
Na klar. Und wenn nicht: Abwarten, dann stimmt es wieder.
Daniel Fuhrhop, Buchautor und Blogger, Oldenburg
„In abgelegenen Winkeln“
Schönheit ist auf den ersten Blick etwas Oberflächliches. Bei genauem Hinschauen sagt ihr Empfinden viel aus über den Einfluss, den ein Objekt auf den Betrachter ausübt. Was jemand für schön hält, hängt von seiner Grunddisposition, Affinität und Gewohnheit ab. Schönheit entsteht, wo jemand das Erlebte mit einer positiven Vorstellung verbindet. Erst damit erhält die Betrachtung eines Gebäudes eine tiefere Dimension. Schönheit ist sehr emotional und menschlich. Als Architekten begeben wir uns deshalb gerne im Alltäglichen auf die Suche. Oft finden wir die Schönheit gerade in irgendwelchen abgelegenen Winkeln, in denen vor uns noch keiner nachgesehen hat!
Dionys Ottl und Matthias Haber, Architekten, München
Mehr Informationen und Artikel zum Thema „Schön“ finden Sie in unserem DABthema Schön
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