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Jura-Studien

Erforschung und Restaurierung eines Jura-Hauses im fränkischen Dietfurt brachten erstaunliche Entdeckungen und ein prächtiges Ergebnis.

03.11.20166 Min. Kommentar schreiben

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Text: Christoph Gunßer

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Im „Tenner“ setzte der Architekt Michael Kühnlein freigelegtes Fachwerk und neue Einbauten voneinander ab.

Das Navi kennt Dietfurt etwa 50 Kilometer südöstlich von Nürnberg im Altmühltal, dort aber nicht die Klostergasse 5. Der mächtige Bau neben der Stadtkirche stand viele Jahre lang leer. Die Stadt als Eigentümerin des maroden Baudenkmals von 1715 erwog sogar schon den Abbruch. Doch dann kam Michael Kühnlein junior, frisch diplomierter Architekt aus dem benachbarten Berching, und suchte ein Objekt für seine Masterarbeit in historischer Bauforschung. Das war 2010.

An der Hochschule Regensburg und im väterlichen Architekturbüro hatte er den Umgang mit solch altehrwürdigen Abbruchkandidaten gelernt. Sein Vater, Michael Kühnlein senior, kämpft seit über dreißig Jahren für den Erhalt alter Bausubstanz in der Region, und das mit sehr ansehnlichen Resultaten. „Man muss den Bestand verstehen, bevor man ihn als Architekt anfasst“, lautet ihre gemeinsame Devise.

Vom alten Jurahaus war nur wenig bekannt. Allein die verbauten Hölzer ließen sich auf 1715 datieren. Spätere Umbauten hatten die Bausubstanz offenbar immer wieder verändert; zuletzt war in den 1950er- Jahren die südöstliche Hausecke herausgebrochen worden, um einen neuen Zugang zu schaffen. Ein Schaufenster und weitere große Fenster kamen hinzu, und Steinmauern wie Fachwerkwände wurden im schlichten Duktus der Nachkriegszeit einheitlich verputzt. Alte Fotos vom vorherigen Zustand gab es nicht. So wusste am Ende niemand mehr, wie das Gebäude früher einmal ausgesehen hatte.

Michael Kühnlein junior und seine Studienkollegin Stephanie Bassen vertieften sich monatelang in die bröselnde Substanz. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn Kühnlein grub beispielsweise von Hand alte Schächte aus und förderte den Schutt früherer Abbrüche zutage. Schicht für Schicht erschloss sich so, in Abstimmung mit der Denkmalpflege, ein präziseres Bild. Unter dicker Tünche kamen Details zum Vorschein, etwa Fresken, die es in ganz Bayern sonst nicht gibt. Bald war Kühnlein und Bassen klar, dass sie es mit einem einmaligen Schmuckstück zu tun hatten.

Überformt: Der von Umbauten und Verfall geprägte Zustand ließ vom Ursprungsbau nur noch wenig erahnen. Akribisch wurden Spuren freigelegt.
Der von Ergänzungen, wie großen Schaufenstern, und Verfall geprägte Zustand ließ vom Ursprungsbau nur noch wenig erahnen.
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Akribisch wurden Spuren freigelegt, im Plan festgehalten …

An der Süd- und Ostfassade rekonstruierte Kühnlein anhand von Löchern im Putz ein Fries-Muster, das im Engadin als „Laufender Hund“ bekannt ist. Hatten hier Wanderhandwerker ihre Hand im Spiel, die zur Entstehungszeit im Bistum Eichstätt tätig waren? Die Kirche vis-à-vis wurde damals gerade barockisiert. „Vielleicht waren Künstler im Haus einquartiert und revanchierten sich so für Kost und Logis“, mutmaßt Michael Kühnlein. Belegen lässt sich davon nichts mehr. Auch der Bauherr bleibt bis heute unbekannt. Am Ende der Forschungsarbeit standen ein akribisches, verformungsgerechtes Aufmaß im Maßstab 1 : 20 und ein dickes denkmalpflegerisches Raumbuch.

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… und ein 3D-Modell angefertigt.

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