Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Warenhauswandel“ im Deutschen Architektenblatt 04.2025 erschienen.
Erst waren es repräsentative Belle-Époque-Kaufhäuser, dann großflächige Konsumtempel im Stil des Neuen Bauens und der ersten Nachkriegsmoderne: Seit den 1880er-Jahren prägten Warenhäuser Metropolen und Mittelstädte. Mit ihrer Angebotsfülle bildeten sie Anziehungspunkte in den Zentren – bis die Käufer nach gut einem Jahrhundert begannen, zunächst in den filialisierten Einzelhandel und zu Shopping-Centern abzuwandern, später ins Internet.
Das „Stay at home“ der 2020er beschleunigte das veränderte Konsumverhalten. Der Aufstieg, die Fusionen und der häppchenweise Zerfall von Galeria Karstadt Kaufhof stehen stellvertretend für diese Entwicklung. Von den rund 220 Filialen im Jahr 2006 wurden bis Ende 2024 gut 130 geschlossen.
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Kaufhof am Berliner Ostbahnhof wird zum Bürohaus Up!
Eine davon war das 1979 eröffnete ehemalige Centrum-Warenhaus neben dem Berliner Ostbahnhof, ein siebengeschossiger Betonskelett-Quader mit einer Kantenlänge von 80 Metern. In rund vierzig Jahren hatte das Gebäude mit der markanten orange-türkisen Pixel-Fassade aus Mosaikfliesen viele Eigentümer erlebt – von Hertie über Galeria Kaufhof bis zum Signa-Konzern.
Der lobte 2016 einen geladenen Architektenwettbewerb aus. Die Ziele: die Entwicklung eines zeitgemäßen Nutzungskonzeptes und eine bauliche Umgestaltung. Signa entschied sich für den Entwurf von Jasper Architects (Berlin). Er sah einen Start-up-Hub mit der Teilung der Geschossflächen in bis zu acht Mieteinheiten vor. Mit der Umplanung beauftragte Signa das Architektenbüro in Planungsgemeinschaft mit Gewers Pudewill (Berlin).

Erst Centrum, dann Hertie, dann Kaufhof: Eine der geschlossenen Filialen war das 1979 eröffnete ehemalige Centrum-Warenhaus neben dem Berliner Ostbahnhof, ein siebengeschossiger Betonskelett-Quader mit einer Kantenlänge von 80 Metern.
HG ESCH
Tageslicht in die tiefen Etagen bekommen
Durch einen Totalumbau mit einem Bruttovolumen von 100 Millionen Euro (KG 200–500) wurde aus dem monolithischen Kubus ein Bürogebäude mit Retro-Chic, spiegelnden Glasflächen und Fassadenschluchten: das Up! Berlin. „Das Grundkonzept ergab sich aus der Notwendigkeit des Tageslichteinfalls“, erläutert Architekt Martin Jasper.
Das Warenhaus funktionierte ohne größere Fassadenöffnungen als nach innen gerichtetes Konzept. Für die Büronutzung galt es, auch ins Zentrum der 6.400 Quadratmeter Grundfläche natürliches Licht zu bringen. „Der erste, intuitive Ansatz war, einen Lichthof einzuschneiden. Doch dann schaut man nur auf die gegenüberliegende Wand. Das brachte nicht wirklich neue Qualitäten.“
Einschneidende Veränderung: Eine zentrale Aufgabe beim Umbau des Kaufhauses zum Bürogebäude war es, Licht in die Tiefe zu bringen.
HG ESCH
Einschnitte in Fassade und Aufstockung
Daher entwickelten die Planer sogenannte Voids – keilförmige Einschnitte in jede Fassadenfläche. Sie weiten sich treppenartig nach oben und sind an den nach Süden ausgerichteten Flanken terrassiert.
Bautechnisch war das herausfordernd: Durch die Einschnitte wurde der Baukörper im Bauzustand leichter. Er hob sich durch den hohen Unterwasserdruck in Berlin zentimeterweise. „Das musste sehr genau beobachtet werden, um reagieren zu können, falls die schwarze Wanne Gefahr lief, durch die Reibung Schaden zu nehmen“, beschreibt Martin Jasper. Um die verlorene Fläche zu kompensieren, wurde das Gebäude um zwei Geschosse, eine Dachterrasse und einen Dachpavillon aufgestockt.

Einer der vier Einschnitte während des Umbaus zum Bürohaus.
Robert Herrmann
Meetingraum im Aufzugsschacht
Dank der deutlich vergrößerten Fassadenfläche entstand ein x-förmiger Grundriss. In dem komplett entkernten Block blieben große, gestaltbare Flächen und vier Erschließungskerne übrig. Darin befinden sich nun neben Fluchttreppenhäusern auch Sanitäranlagen sowie Elektro- und Datenräume. In manch einem Aufzugsschacht hat ein Meetingraum Platz gefunden. „Die Schleifspuren und Graffiti an den alten Bestandswänden sind als Zeitzeugnisse erhalten worden“, betont der Architekt.
Um die Kerne gruppieren sich die neuen Bürobereiche. Die konstruktive Struktur des Bestandes – alte Stützen, alte Betonwände und die Rippendecke – blieben auch hier sichtbar. Zusammen mit den unverkleideten Haustechnikanlagen sorgt das für industriellen Charme.
Büroetagen flexibel aufteilbar
Nach dem Umbau sind im Erdgeschoss Einzelhändler eingezogen. Der Ankermieter Zalando belegt vier Etagen, die oberen Geschosse sind an weitere Büronutzer vermietet. Bei Bedarf kann jedes Geschoss später in bis zu vier Einheiten untergliedert werden. Die dafür notwendige teilbare Steuerung der Haustechnik ist angelegt, die Fassade mit Profilen so konstruiert, dass Trennwände eingezogen werden können. Die Haupterschließung der Etagen erfolgt über ein neues, zentral gelegenes Treppenhaus mit Aufzugsanlage. Insgesamt, so Martin Jaspers Fazit, haben die großen Geschosshöhen von 5,40 Metern, die robuste Statik und das klare Raster der Betonstützen die Umnutzung erheblich erleichtert.
Leerstand im Erdgeschoss
Ob das Up! dieselbe Strahlkraft entfalten wird wie ehemals das Kaufhaus, bleibt abzuwarten. In der Studie „Transformation der Innenstädte“ kam PricewaterhouseCoopers 2024 zwar zu dem Ergebnis, dass sich zu Mixed-Use-Objekten umgebaute Warenhäuser in guten Lagen von A- und B-Städten meist profitabel bewirtschaften lassen. Im Erdgeschoss des Up! stehen jedoch Gewerbeflächen leer.
„Damit ein solch umgewandeltes Kaufhaus das städtebauliche Umfeld positiv beeinflusst, ist es wichtig, dass die Erdgeschossbereiche mit Funktionen für die Öffentlichkeit bespielt werden“, kommentiert Martin Jasper. Darauf haben Architekten allerdings selten Einfluss – es sei denn, sie nehmen sich auch dem Betrieb des Gebäudes an.
Hertie in Oldenburg wird zum CORE mit Markthalle und Co-Working-Space
Genau das hat Alexis Angelis in Oldenburg getan. „Wir wollten einen Innovationsort schaffen, der die Kräfte der Region bündelt, eine Plattform, die neues Arbeiten und Austausch zusammenbringt“, erzählt er. „Auf der Suche nach einem Ort, wo wir diese Idee umsetzen können, sind wir auf das großteils leer stehende ehemalige Hertie-Gebäude gestoßen.“
Kaufhäuser lassen sich gut umbauen
Der Bau aus den späten 1950er-Jahren war zuletzt als City Center Oldenburg kleinteilig vermietet worden. Er bot dieselben Vorzüge wie das Centrum-Warenhaus in Berlin – zentrale Lage, Konstruktion aus Stahlbetonträgern mit hohen Räumen und stützenfreie, gut gliederbare Flächen. Zudem war die Fassade erst 2005 erneuert worden. Aus Sicht von Alexis Angelis ist der Bautypus solcher ehemaliger Kaufhäuser oft nicht das Problem, er erleichtert sogar Umnutzungen. „Das Entscheidende ist jedoch ein funktionierendes Betreiberkonzept.“
Der ehemalige Hertie (später City Center) in Oldenburg beherbergt nun das CORE, eine Kombination aus Markthalle, Gastronomie, Catering-Küche, Eventbereichen, ...
Ulf Duda
Architekt wird Immobilienentwickler und Betreiber
Dafür gründete der Architekt gemeinsam mit privaten Investoren eine Immobiliengesellschaft und eine Betreibergesellschaft. Der Erwerb des Gebäudes, die Entwicklung des Umnutzungskonzeptes, Umbau, Verwaltung und Betrieb gingen und gehen so Hand in Hand.
Mixed-Use-Immobilie mit öffentlichen Nutzungen
Kern des Betreiberkonzepts und der umgestalteten Immobilie ist das CORE, eine Kombination aus Markthalle mit Gastronomie, Catering-Küche und Eventbereichen im Erdgeschoss mit Co-Working und Meetingräumen in der ersten Etage. Mit rund 3.500 Quadratmetern nimmt das CORE nur knapp ein Viertel der Gesamtfläche ein. Darüber befinden sich ein Hotel, ein Fitnessstudio und Wohnungen. Weitere Einzelhändler und eine Bank mit Besucherzentrum zählen ebenfalls zu den Mietern. Auch hier also ein Mixed-Use-Ansatz.

Im CORE gibt es nun auch eine Markthalle in den roh belassenen Räumen des alten City Centers.
Ulf Duda
Kosten sparen und Umnutzung erleichtern
Die Umbauten im Gebäude kosteten gut 1.200 Euro brutto pro Quadratmeter (KG 300–700) und beschränkten sich auf das CORE. Das Erdgeschoss und die erste Etage wurden bis auf die tragende Struktur komplett leer geräumt und dabei auch die abgehängten Decken und alle Installationen entfernt. „Heute liegen die Installationen im CORE offen. Damit haben wir die Voraussetzungen für Veränderungen geschaffen, die Raumhöhe vergrößert und Kosten gespart“, erläutert Alexis Angelis.
Haustechnik große Herausforderung beim Umbau
Zugleich passe dieser Style hervorragend zu den Nutzungen. Die größte Herausforderung beim Umbau war die Haustechnik: Die Lüftungsanlage wurde erneuert und eine Kälteanlage eingebaut. „Durch die Gastronomie-Bereiche waren die Anforderungen dabei höher, als sie beispielsweise für die reine Büronutzung gewesen wären“, sagt der Architekt. Hilfreich war letztlich die großzügige Dimensionierung der vorhandenen Schächte.
Lebendige Erdgeschosse sind entscheidend
Heute ist das Gemeinschaftsprojekt CORE das geworden, was sich die Initiatoren gewünscht haben – ein moderner öffentlicher Treffpunkt mitten in Oldenburg. Das Gedankenmodell ist durchaus auf andere Standorte übertragbar, sagt der Architekt. „Wenn wir wollen, dass ein solches Gebäude lebt, müssen wir es bespielen. Es lohnt sich, dafür eventuell 1.000 Quadratmeter herzugeben und beispielsweise die Erdgeschossflächen nicht hochpreisig, sondern lieber moderat zu vergeben, damit sie gut genutzt werden.“
Modehaus Sauer wird Kölnisches Stadtmuseum
Das gilt auch für das ehemalige Modehaus Franz Sauer in Köln, bei dessen Umbau genau wie in Oldenburg die Nutzungsidee der Ausgangspunkt war. Und der Bedarf: Die Stadt brauchte nach einem Wasserschaden am bisherigen Standort des Stadtmuseums schnellstmöglich neue Räume.

Beim Umbau eines Modehauses in Köln zum Stadtmuseum griff der Architekt nur wenig in die Struktur des Gebäudes ein.
Kölnisches Stadtmuseum / Constantin Ehrchen
Postmoderne Fassade und Treppe blieben erhalten
So mietete sie das leer stehende, Mitte der 1980er-Jahre entworfene Modehaus von einem Investor, vorerst für zehn Jahre. Letzterer beauftragte den Düsseldorfer Architekten Georg Döring mit der Planung. Und der griff – noch eine Parallele zu Oldenburg – nur marginal in das Gebäude ein. Die markante postmoderne Quarzit-Fassade und die damit verbundenen Bauteile blieben erhalten, der freie Ausblick auf die Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums, über ein Eckfenster ebenfalls.
Im Gebäudeinnern zieht nach wie vor das Markenzeichen des Split-Level-Gebäudes die Blicke auf sich: die zentrale geschwungene Marmor-Rundtreppe mit Messinggeländer, die sich durch die fünf Halbgeschosse wendelt.

Altes wie neues Markenzeichen im Innern ist die zentrale Marmortreppe mit Messinggeländer, hier im Originalzustand.
Kölnisches Stadtmuseum / Constantin Ehrchen
Brandschutz auf den neuesten Stand gebracht
Die Inneneinrichtung hingegen ließ der Architekt bis auf die tragenden Elemente und die Erschließungsstrukturen komplett demontieren. Jetzt bilden die von neo.studio (Berlin) inszenierten Ausstellungsflächen einen spannenden Kontrast zum verbliebenen Hauch des exklusiven Modehauses.
Eine große Herausforderung war, den Brandschutz auf den heutigen und für die neue Nutzung vorgegebenen Stand zu bringen. „Dazu mussten Brandschutzmeldevorrichtungen installiert sowie Türen- und Fensterqualitäten verbessert werden. Auch die Fluchtwege haben wir angepasst und an einer Stelle sogar durch die tragende Außenwand eines zum Gebäude gehörenden Wohnkomplexes geführt“, erläutert der Architekt.
Natürliches Licht war hingegen – anders als beim Berliner Up! – kein Thema, im Gegenteil: Da Tageslicht im Museum eher unerwünscht ist, wurde ein Oberlichtband zum größten Teil geschlossen.

Die Marmortreppe ist im Kölnischen Stadtmusem wiederzuerkennen, die Einrichtung der Etagen jedoch nicht.
Christoph Seelbach / KölnTourismus
Nutzung als Museum ist ideal
Für die Immobilie ist die neue Nutzung ein Glücksfall. „Aus diesem Gebäude hätte man weder Büros noch Wohnungen machen können“, betont Georg Döring. Umgekehrt ist der neue Standort mitten in der Stadt für das Museum ein Gewinn. Das Foyer mit kleinen Sonderausstellungen ist für Laufpublikum ohne Eintritt zugänglich – getreu dem Motto, das Erdgeschoss müsse bespielt werden.
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