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Klein, aber fein

Die Entdeckungstour trifft auf den Mut zur Kombination von Neu und Alt, eine weltbekannten Kulturstätte, die Zeichen setzt, und die Idylle abseits der Altstadt.

01.08.20099 Min. Kommentar schreiben
Im und am Wasser: die Kapellbrücke mit Wasserturm (l.) und das Kultur- und Kongresszentrum Luzern KKL (r.)

Nils Hille
Wer mit der Bahn in Luzern ankommt, lernt gleich die Breite des lokalen Architekturspektrums kennen. Im Inneren ist der Bau schweizerisch-gediegen, vorn gläsern-avantgardistisch. Den Großteil der 1971 abgebrannten Station bauten die örtlichen Architekten Hans-Peter Ammann und Peter Baumann neu auf. Die gläserne Front ist jedoch ein Frühwerk Santiago Calatravas. Hier beginnt die Stadtführung des Architekten Eugen Mugglin, der Calatravas Glasfront so kommentiert: „Für mich ist der Bahnhof durch seine sehr massive Bauweise mit seiner ‚offenen‘ Seite zur Stadt hin ein Monumentalbau des 20. Jahrhunderts.“

Gleich rechts vom Bahnhof steht der prominenteste jüngere Bau Luzerns: das Kultur- und Kongresszentrum von Jean Nouvel. Dazu später mehr. Mugglin führt jetzt an der Seebrücke vorbei, unter der der Vierwaldstättersee sich zur Reuss verengt, dem Fluss der Stadt. Von hier aus ist auch das traditionelle Wahrzeichen Luzerns zu sehen: die Kapellbrücke mit dem 700 Jahre alten achteckigen Wasserturm. Die gedeckte Holzkonstruktion diente als Teil der Stadtbefestigung und verbindet die Neustadt mit der beliebten Altstadt. 1993 brannte die Brücke weitgehend ab; schon nach acht Monaten war sie restauriert – bis auf den nicht rettbaren Teil des Bilderzyklus aus der Zeit um 1600.

Mugglin bleibt heute auf der Südseite der Reuss, die erst seit Ende des 19. Jahrhunderts zur Stadt gehört. „Davor war hier alles Sumpfgebiet. Dann wurde in 20 Jahren ein ganzes Quartier aus dem Boden gestampft“, erzählt er und geht die Pilatusstrasse entlang. In der Mitte dieser zentralen Achse vom Bahnhof zur Neustadt liegt die Sammlung Rosengart. Hermann Herter plante das 1924 errichtete neuklassizistische Gebäude, das zunächst der Schweizerischen Nationalbank diente. In dem streng gegliederten, mit zahlreichen Ornamenten geschmückten Bau sind seit 2002 die Bilder der Sammlerin Angela Rosengart untergebracht.

„Außen wurde nur ein Schriftzug an die Fassade gemalt, innen gab es deutlichere, den Ausstellungen dienende Veränderungen“, erklärt Mugglin die Arbeit von Diener&Diener aus Basel. Seitdem ist ein Rundgang auf den drei Etagen möglich, die durch repräsentative Treppen verbunden sind. Dabei stößt der Besucher auf Werke von Pablo Picasso, Paul Klee und weiteren Künstlern, aber auch auf die alte Schalterhalle und das Sitzungszimmer der Bank (siehe „Kulturell“).

Unter der Erde: Die Doppelturnhalle des Schulhauses Säli

Szenenwechsel

Mugglin überquert die Pilatusstrasse und geht in eine Seitengasse hinein. Hier liegen an einem kleinen, belebten Park zwei sehenswerte Gebäude. Zum einen die Zentral- und Hochschulbibliothek der Stadt, die Mugglin 1995 umbauen durfte. „Ich habe versucht, den Bau in seiner Feingliedrigkeit und im Sichtbarmachen der Materialien und Strukturen zu stärken“, meint er. Zum anderen die gehobene Unterkunft „The Hotel“, dessen Umbau Jean Nouvel plante. Seit dem Jahr 2000 bietet sie 25 individuell gestaltete Suiten und Studios.

Die Zim­merdecken zeigen Szenen aus bekannten Filmklassikern. Für den Bewohner gibt es die jeweils passende DVD, für den Betrachter von außen zeigt sich durch die beleuchteten Deckenbilder nachts die Fassade als ein Mosaik von Farben (siehe „Entspannend“).Jetzt, mitten am Tag, möchte Mugglin aber weiter, zurück zur Pilatusstrasse. An dieser führt der Architekt entlang, auch über den Pilatusplatz hinaus, hinter dem die Straße viel schmaler und ruhiger wird. Hier liegt das Schulhaus Säli. „Hier bestand Erneuerungsbedarf. Das Hauptgebäude aus den Dreißigerjahren wurde saniert und die zwischendurch aufgesetzte Sporthalle wieder zurückgebaut“, erklärt Mugglin. Er hatte sich mit Kollegen und Denkmalpflegern für die Veränderung eingesetzt, um dem Stadtbild an dieser Stelle wieder eine bessere Form zu geben.

Da die Lehrer und Schüler aber den Raum für ihren Sportunterricht benötigten, wurde gegenüber eine neue Doppelturnhalle gebaut. Max Bosshard und Christoph Luchsinger bekamen den Auftrag für ihre teilweise unterirdische Anlage, deren Dach auch durch Treppen erleb- und nutzbar ist. „Eine sehr gelungene Lösung“, kommentiert Mugglin. Während er weiterschlendert, erzählt er von der Mentalität der Luzerner: „Es klingt widersprüchlich, aber hier herrscht einerseits provinzielles Kleinbürgertum und andererseits eine große Weltoffenheit durch den funktionierenden Tourismus. Als Architekt treffe ich auf beides und kann damit ganz gut umgehen.“

Im richtigen Licht: der Parlamentssaal im Regierungsgebäude, der Konzertsaal des KKL und „The Hotel“

Versteckter Palast

Auch der Kanton Luzern hat diese Aspekte zusammen­gebracht – in seinem Regierungsgebäude nahe der​ Reuss, in das Mugglin nun führt. Von außen wirkt es unscheinbar. Mehrere, im Verlauf von 300 Jahren erstellte Bauten sind hier zusammengefügt worden. Der Ritter’sche Palast als zentrales Element, benannt nach dem ursprünglichen privaten Bauherrn Schultheiss Lux Ritter, war 1556 ein Novum für diese Region.

Italienische Renaissancepaläste dienten als Vorbild für den mächtigen Bau aus Stein, der zwischen den damaligen Holzbauten errichtet wurde. Heute lohnt nicht nur der Blick in den historischen Lichthof des kantonalen Gebäudes. Auch den schon zweimal neu eingerichteten Parlamentssaal, gebaut von Plazidus Segesser nach Plänen von Melchior Berri, sollte der Besucher, wenn möglich, betreten.

Anfang dieses Jahrzehnts bekam der Raum eine neue Inneneinrichtung, entworfen von Marcel Ferrier aus Sankt Gallen. „Trotz der modernen Gestaltung passt sie sehr gut hinein“, sagt Mugglin und zeigt auf die Wand hinter dem Vorsitz, die mit ihrer wilden gelb-weißen Gestaltung fast schon wie ein Graffiti wirkt. All dies vermittelt ein ganz anderes Bild als das malerische Örtchen draußen mit der wie gemalt wirkenden Landschaft und den bemalten Häusern der Altstadt, die wir auf dieser Tour nicht besuchen – und wirkt doch stimmig.

Über dunkle Kanäle

Nun aber zurück zum Ausgangspunkt der Tour. „Wenn ich nicht direkt auf dem See bauen darf, dann hole ich das Wasser halt ins Haus!“ Das sagte Jean Nouvel, als sein ers­ter Entwurf für das Kultur- und Kongresszentrum KKL die Entscheidungsgremien nicht überzeugen konnte. Aus dem ursprünglichen Gebäude in Kreuzfahrtschiffsform entwickelte er das heutige KKL: einen markanten Glaspalast mit zwei integrierten Kanälen im Erdgeschoss. Erst beim genaueren Hinsehen wird dies dem Besucher deutlich. Bodenbelag und Wasser haben hier fast identisch dunkle Farben. Denise Fehlmann vom KKL erklärt schmunzelnd: „Hier sind schon drei Leute reingefallen – der Erste gleich am Eröffnungstag. Seitdem haben wir immer Ersatzkleidung im Haus.“ Außerdem dienen nun rote Kordeln und Holzbänke als optische Warnmarken. „Eigentlich schade, aber in der Praxis nicht anders möglich“, so Fehlmann.

Schatten, Licht und Spiegelungen nimmt der Besucher an vielen Stellen beim Gang durch das KKL wahr, das von 1995 bis 2000 entstand. Aus fast jedem Fenster eröffnet der Blick ein Postkartenmotiv. Endlich führt Fehlmann durch drei Türschleusen in den großen Konzertsaal. 1 840 Menschen finden Platz im Parkett und auf vier Balkonen, die bis knapp unter die 23 Meter hohe Decke gebaut sind. „Ganz oben zu sitzen ist nur etwas für Schwindelfreie. Aber durch eine stark an der Akustik orientierte Raumplanung hören Sie auf allen Plätzen genau gleich gut“, verrät Fehlmann. Wir setzen uns mitten ins Parkett in die fast völlige Stille. Die äußerst flexible Bühnentechnik rückt die rund 500 Veranstaltungen in diesem und den zwei weiteren Sälen des KKLs ins rechte Licht – eine immens hohe Zahl für eine Stadt mit nur 60 000 Einwohnern. Doch im Sommer halten sich zeitweise doppelt so viele Touristen in der Stadt auf.

Optische Täuschung

Auch die Aussichtsterrasse, zu der Fehlmann mit dem Aufzug hochfährt, wird immer wieder gerne gemietet. Sie bietet den perfekten Panoramablick über Luzern und liegt dicht unter dem 45 Meter vorkragenden Dach, das den Ausblick oben spiegelnd begrenzt. Wie eine hauchdünne Platte wirkt die Konstruktion, dabei besteht sie aus 2 500 Tonnen Kupferblech und Aluminiumplatten. „Aufwendige Windtests wurden vorher durchgeführt, um die Stabilität sicherzustellen. Beim bisher größten Sturm in Luzern seit Bestehen hat sich das Dach an den Seiten zwar um 30 Zentimeter nach oben und unten bewegt, passiert ist sonst aber nichts“, berichtet Fehlmann. Auch hier ist die kühne Konstruktion schweizerisch-solide.

Erreichbar

Vom Flughafen Zürich gibt es eine stündliche Direktverbindung mit dem Interregio nach Luzern. Die Bahnfahrt aus Deutschland dauert zum Beispiel ab Frankfurt vier Stunden.

Schweiz Tourismus bietet unter einer kostenlosen Telefonnummer und im Internet zahlreiche Informationen zu Reisen nach Luzern:  00800 100 200 30

Kulinarisch

Des Balances Modernes Design in historischem Flair. Ausgezeichnetes Restaurant für gehobene Ansprüche mit Terrasse im venezianischen Stil.

Rathaus Brauerei Rustikales Lokal, direkt am Fluss. Mit exklusiv gebrautem und nur hier angebotenem Bier sowie passender Speisekarte.

Café de Ville Hier trinkt der Luzerner entspannt seinen Kaffee und nutzt dabei die großzügige Zeitungsauswahl. Beste Plätze auf dem Balkon mit Blick auf See, Berge und KKL.

Kulturell

Kunstmuseum Luzern Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst und wechselnde Sammlungsauswahl im KKL.

Sammlung Rosengart Große Sammlung mit Werken und Werkgruppen bekannter Künstler wie Pablo Picasso und Paul Klee.

Verkehrshaus Die Entwicklung des Verkehrs und der Mobilität auf
20 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

The Hotel Designhotel mit indivi­duell gestalteten Zimmern von Jean Nouvel. In ruhiger Innenstadt-Parklage mit empfehlenswertem Restaurant Bam Bou.

Hotel Montana Auf der Höhe liegende Viersterneherberge im Art-déco-Stil mit Aussicht auf Stadt und See. Erreichbar per Standseilbahn.

Zum Weißen Kreuz Mitten in der Altstadt, direkt an der Reuss bei der Kapellbrücke gelegenes Hotel. Mit gemütlicher Pizzeria.

Erlebenswert

Lucerne Festival International hochkarätig besetzte Festivals in den Sälen des KKL. Nächster Termin: Festival im Sommer mit rund 100 Veranstaltungen vom 12.8. bis 19.9.

Luzerner Museumsnacht Am 28. August sind alle Museen bis in die Nacht geöffnet und bieten neben ihren Ausstellungen ein besonderes Programm für die Besucher.

Lucerne Marathon Selbst mitlaufen oder den anderen beim Laufen zusehen und dem Musikprogramm lauschen. Marathon am 25.10. entlang des Vierwaldstättersees.

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