Bei einem privaten Bauprojekt ist es selbstverständlich, mit den künftigen Nutzer:innen zu besprechen, was sie sich wünschen und wie sie ihren Garten oder ihr Haus nutzen wollen. Würden wir einem kinderlosen Paar in ihren Sechzigern einen Garten mit Kinderspielplatz bauen, wären sich alle einig, dass es sich um eine Fehlplanung handelt. Wie kommt es also, dass wir uns bei öffentlichen Projekten so schwer mit Beteiligungsverfahren tun, um von den Menschen, die unseren Freiraum oder unser Gebäude später nutzen, zu erfahren, was sie denn überhaupt brauchen?
In meiner Wahrnehmung wird mittlerweile zwar deutlich häufiger nachgefragt – zum Glück. Allerdings haben wir bei Beteiligungsverfahren noch Ausbaupotenzial. Da unsere Ansprechpersonen bei öffentlichen Projekten nicht gleich die Menschen sind, die den Ort nutzen, kann es passieren, dass komplett am Ziel vorbeigeplant wird. Vielleicht ist es in der Planungsphase einfacher, nicht noch eine zusätzliche Ebene an Wünschen berücksichtigen zu müssen. Aber sollten wir uns nicht immer fragen: Für wen mache ich das hier gerade? Nicht für die Bürgermeisterin und auch nicht für den Bearbeiter im Amt.
Die Kunst, Menschen ihre Wünsche abzulesen
Aber wie organisieren wir Beteiligungsverfahren, um die Wünsche der Menschen für den Ort kennenzulernen? Zum einen kann man informieren, dass wir etwas planen, was wir vorhaben und warum wir das Ganze angehen. Besser wäre es jedoch, schon im ersten Schritt die Gedanken und Meinungen dazu anzuhören und in der Planung zu berücksichtigen. Optimal wäre ein gemeinsames Erarbeiten der Ziele und Visionen für den Ort – inklusive Mitentscheidung der künftigen Nutzer:innen. So werden Projekte besser angenommen und es entsteht ein Verständnis für das Bauprojekt. Auch kann es auf lange Sicht in der Pflege zu weniger Aufwand kommen, da die Menschen behutsamer mit dem Freiraum oder dem Gebäude umgehen.
In der Recherche zu dem Thema habe ich mit Pascal Fuhr von Senf.app geredet. Das Start-Up stellt ein digitales Tool für Beteiligungsverfahren zur Verfügung und unterstützt Planende dabei, an die Stimmen der Menschen zu kommen. Sie haben damit in Städten wie Wismar, Kassel und Köln gearbeitet. Pascal Fuhr sagt: „Digitale und analoge Beteiligungsverfahren sollten integraler Bestandteil aller städtebaulichen Planungen sein. Bürger:innenbeteiligung fördert nicht nur bedarfsgerechte Planungskonzepte, sondern erhöht auch die Akzeptanz der Projekte innerhalb der Stadtgemeinschaft.“
Die „Nein“-Sager sind am lautesten
Oft habe auch ich das Gefühl, dass besonders Menschen, die gegen jegliche Veränderung sind, bei Beteiligungsverfahren besonders lautstark ihre Meinung kundtun. So entsteht dann der Eindruck, es herrsche eine allgemeine Ablehnung. Auch bei einem Projekt in München, das wir während der LASKO 2023 besucht haben, wurde uns genau dies berichtet. Einige wenige fühlen sich in ihrer Bequemlichkeit eingeschränkt und haben dann als erklärtes Ziel, das Projekt zu boykottieren.
Deshalb ist entscheidend, wie Beteiligungsverfahren organisiert werden, damit wir auf der Basis von repräsentativen Ergebnissen planen können. Geschieht dies nicht, werden die Meinungen der zwar interessierten aber ruhigeren Menschen nicht wahrgenommen.
Beteiligungsverfahren brauchen ein Update
Das führt zu der Frage, was man dabei künftig besser machen könnte. „Die Beteiligungsverfahren der Zukunft werden digitaler, interaktiver und effizienter in der Auswertung“, sagt Pascal Fuhr. „Unsere Vision bei Senf.app ist es, durch benutzerfreundliches Design und Ansätze von Gamification die Attraktivität von Beteiligungsformaten zu erhöhen und die Teilhabe zu erleichtern.“ Künstliche Intelligenz werde dabei eine Schlüsselrolle spielen, insbesondere bei der Analyse und Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse.
Mitmachen statt nur informiert werden
Erfolgreiche Beteiligungsverfahren haben mehr im Werkzeugkoffer als die Projekt-Website zur Information der Bürger:innen. Senf.app arbeitet zum Beispiel mit einer „Ideenkarte“: Darüber erhalten Interessierte einerseits Informationen zum Projekt und können sich andererseits selbst einbringen. Wichtig ist dabei die Orientierung an den Bürger:innen: Sie können die Tools zur Beteiligung auf dem Smartphone nutzen. Der Input wird durch KI-Features automatisch kategorisiert. Ergänzt werden die Module durch den Projekt-Hub, der als zentrales Dashboard dient. Damit können die Planer:innen dann Daten, zum Beispiel in Form von Heatmaps, direkt auswerten und aufbereiten.
Mehr Akzeptanz für unsere Arbeit
Ich persönlich hoffe, dass wir die Chance erkennen, Menschen von Anfang an mitzunehmen. So können wir mehr Akzeptanz für neue Projekte schaffen und die Bedürfnisse vor Ort berücksichtigen. Wie die Beteiligungen stattfinden, ob über eigene Programme der Städte oder durch private Anbieter, soll nun hier nicht diskutiert werden.
Allerdings eröffnen digitale Produkte auch die Möglichkeit, über unterschiedliche Sprachen mehr Menschen als bislang zu erreichen. Da das Fax bei den wenigsten Menschen als Kommunikationsmittel genutzt wird, haben unsere Ämter und Städte also noch einiges zu tun, um ansprechende digitale Programme für Beteiligungsverfahren zu entwickeln.
Luisa Richter absolvierte ihren Bachelor in der Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Berlin und studiert dort nun im Master weiter. Sie engagiert sich in der Bundesfachschaft Landschaft.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.
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Vielen Dank für diesen tollen Artikel Luisa!
Der Bereich Partizipation der Landschaftsarchitektur wird leider noch immer viel zu wenig beachtet und auf über eine App gelingt es vielleicht, Bürger:innen mitzunehmen und gleichzeitig Akzeptanz für das Projekt zu schaffen.