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Zurück Nachwuchs-Kolumne #194

Wie weltfremd ist das Studium der Landschaftsarchitektur?

Sollen wir gegen die Realität „da draußen“ entwerfen? Im Studium erscheinen die Entwurfsaufgaben jedenfalls alles andere als realistisch. Das sollte sich ändern.

Von: Luisa Richter-Wolf
Luisa Richter-Wolf schreibt über Landschaftsarchitektur an den Unis, im Beruf...

13.03.20244 Min. 4 Kommentar schreiben
Person mit Bauhelm und Zeichnung eines Gartens
Ist das ein realistischer Plan für einen Garten oder nur ein Wunschtraum in Grün?

Mitte Februar habe ich mein zweites Masterprojekt abgeschlossen. Unsere Aufgabe war es, eine Uferkante direkt am Berliner Hauptbahnhof mit Verbindung in das Gelände der Charité umzugestalten. Im Vergleich zu anderen Projekten im Studium, ganz besonders die aus dem Bachelor, war dies eine ziemlich realistische Aufgabenstellung. Da ich neben dem Studium im Wettbewerbsteam eines Büros für Landschaftsarchitektur arbeite, kann ich ganz gut vergleichen, was in Wettbewerben und was an der Uni gefordert wird.

Gerade im Bachelor-Studium hatte ich an der TU Berlin oft das Gefühl, wir sollen aktiv gegen die Realität „da draußen“ entwerfen. Um uns dann bei der Abschlusspräsentation von Gästen anhören zu können: „Also so würde man das nicht bauen.“ Oder: „Das wäre mit der nötigen Pflege in Berlin auf keinen Fall umsetzbar.“ Oder: „Die Konstruktion wäre in der Realität viel zu kompliziert und zu teuer.“

Frustration über irrelevante Entwurfsaufgaben

Warum sollen wir also im Studium frisch gebaute Straßen wegplanen, Parkplätze und Hauptstraßen aus Wohngebieten entfernen, wo es keine andere Erschließung gibt oder komplett überdachte Gebiete entwerfen, auf denen keine einzige Pflanze wachsen könnte? Warum ist das Studium so sehr von der Realität entfernt? Oder liegt es speziell an der TU Berlin, die sich den Entwurf ganz besonders auf die Fahne geschrieben hat?

Manchmal ertappe ich mich dabei, den Sinn solcher Übungen im Studium zu hinterfragen. Vielleicht fördert es die Kreativität, Aufgaben zu lösen, die in keinem Wettbewerb gestellt würden. Aber im Gespräch mit anderen Studierenden höre ich eher Frustration: Wir würden an der Realität vorbeiplanen. Das, was wir an der Uni machen, sei eh komplett unwichtig, da es ja sowieso nie umgesetzt wird. Du arbeitest monatelang an einer Arbeit, die sich bei der Abschlusspräsentation zwar jemand anschaut und die auch beim Offenen Haus ausgestellt wird. Aber danach landet dein Werk trotzdem in einer verstaubten Rolle hinter dem Schrank.

Endlich Gastkritiker:innen aus Entscheidungspositionen

Vielleicht sollten wir die Kreativität im Studium nutzen, um ausgefallene Ideen für Orte zu sammeln und diese dann auch an Leute bringen, die in Entscheidungspositionen sitzen. So waren dieses Semester zwei Vertreter:innen vom Senat und jemand von der Charité eingeladen – auch wenn eine Person dann doch keine Zeit hatte und die anderen beiden früher gehen mussten. Trotzdem war es das erste Mal in meinem Studium, dass sich jemand in einer Entscheidungsposition unsere Entwürfe angeschaut hat und sich unsere Ideen zum Ort angehört hat. Ich glaube, es liegt viel mehr Potenzial in den Universitäten als wir aktuell nutzen.

Warum werden Studierende zum Beispiel nicht aktiv in die Gestaltung von Gartenschauen mit eingebunden? Wären das nicht Orte, an denen wir als Gesellschaft neue Ideen ausprobieren können? Oder sollten Studierende nicht aktiv durch temporäre Gestaltungen auf Orte hinweisen, über die dann diskutiert wird, um sie langfristig umzugestalten?

Vom Studium in die Realität

Ich würde mir wünschen, dass Universitäten dies aktiv fördern. Die Verantwortung einfach nur auf die Lehrenden zu legen ist an dieser Stelle ausdrücklich nicht gemeint, da diese bereits gut mit verschiedensten Aufgaben ausgelastet sind. Bestimmt werden an einigen Universitäten vereinzelt solche Ideen im Studium bereits umgesetzt. Dies liegt dann aber vermutlich an der Motivation einzelner Lehrenden.

Gerade eine Großstadt wie Berlin bietet zahlreiche unterschiedliche Orte, die eine qualitative Aufwertung nötig hätten. Aber während uns in der Uni die Decken auf den Kopf fallen, weil es politisch nicht notwendig erscheint, Gebäude instand zu halten, fehlt wohl auch der politische Wille zu einer notwendigen städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Umgestaltung der Stadt.


Luisa Richter absolvierte ihren Bachelor in der Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Berlin und studiert dort nun im Master weiter. Sie engagiert sich in der Bundesfachschaft Landschaft.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.

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4 Gedanken zu „Wie weltfremd ist das Studium der Landschaftsarchitektur?

  1. Liebe Luisa Richter,
    manchmal merkt man erst eine Weile nach dem Studienabschluss, was man tatsächlich an relevantem Wissen gewonnen hat.

    An der Technischen Universität München TUM wählen wir im Projektstudium (= Entwurfsstudium) grundsätzlich relevante Aufgabenstellungen aus. Relevanz ergibt sich aus konkreten Problemstellungen in der Landschaft (Stadt inklusive), oft aber auch aus der Notwendigkeit, wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnisgewinn forschend zu generieren. TUM Absolvent*innen arbeiten später nur zum Teil in Landschaftsarchitekturbüros. Die Bandbreite der späteren Tätigkeiten – national und international – ist enorm. Die Lösungen für komplexe Probleme der Zukunft kennen wir heute nicht.

    Regelmäßig laden wir Expert*innen aus Kommunen, Planungspraxis und Landschaftsarchitekturbüros als Gastkritiker*innen ein, wenn wir uns in Workshops oder Projekten mit konkreten Planungsaufgaben – bevorzugt interdisziplinär – befassen (z.B. https://www.arc.ed.tum.de/lat/startseite/). Die Gäste betonen gerne: „Studierende müssen freies Denken und mutiges Experimentieren ‚out of the Box‘ an der Uni lernen! Das brauchen wir dringend in der späteren Praxis. Im Büro können wir dieses konzeptionelle Denken kaum – in der Regel gar nicht – vermitteln“.
    Regelmäßige Auszeichnungen unserer Studierenden, z.B. mit dem Otto Linne Preis (https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/17763160/2023-12-05-bukea-otto-linne-preis/), mit bdla Nachwuchspreisen (https://www.bdla.de/de/studium-beruf/nachwuchswettbewerbe/nachwuchspreis-bayern/4425-bdla-nachwuchspreis-bayern-2023) oder erfolgreiche Nominierungen bei der internationalen Landschaftsbiennale in Barcelona (https://landscape.coac.net/sites/default/files/2023-09/0_UiT%20The%20Arctic%20University%20of%20Norway.pdf) scheinen zu bestätigen, dass die nationale und internationale Fachwelt die Arbeit unserer Studierenden schätzt.

    Also nein: das Studium der Landschaftsarchitektur ist nicht per se „weltfremd“. Aber es lohnt sich bestimmt, mit Studierenden immer wieder offen und (selbst)kritisch über „Relevanz“ zu diskutieren, denn die ist offenbar nicht immer auf den ersten Blick klar zu erkennen.

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    • Vielen Dank für den Kommentar. Ich denke, wir haben die verschiedenen Aspekte bereits über eine andere Plattform ausführlich besprochen.

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  2. Liebe Luisa Richter,
    ja vermeintlich Weltfremdes machen wir sehr gerne zum Gegenstand unserer Studios. Die Visionen von heute sind dann vielleicht – hoffentlich – die Realitäten von morgen.
    Verkehrswende ist eine der großen Überschriften unter denen viele unserer Studios stehen. Das ist vielleicht in Berlin gerade kein Thema, aber Berlin ist ja nicht in allem der Nabel der Welt 😉 Siehe Kopenhagen, Paris, Barcelona oder Wien und sicher viele andere Städte mehr. Und genau das schauen wir uns in den Studios ja auch immer an: Exkursionen zu „Best Practice“ Beispielen! Wir laden durchaus Fachpersonen aus der Verwaltung ein, nur kommen die halt nicht immer, aber immer öfter.
    Natürlich können die Studios nicht unmittelbar in die Realität übertragen werden, dazu sind sie auch nicht da. Sie vermitteln die Werkzeuge Aufgaben kompetent und schlüssig zu entwickeln, sie wollen Möglichkeiten und Grenzen ausloten. Sie sind zu aller erst für die Studierenden geschaffen, aber immer ganz hart an der Realität und ihren großen Aufgaben. Gerade an unserer Universität. Gerade weil viele der Lehrenden mit beiden Beinen in der Praxis stehen.
    Es gibt darüber hinaus viele Felder der Erprobung der eigenen entwurflichen Kenntnisse: Einige studentische Wettbewerbe wurden genannt, ich möchte den Schinkel- und den Lenné-Wettbewerb nennen und es gibt sicherlich noch weitere internationale. Und natürlich die Arbeit in den Büros, bei der Verwaltung u.v.a. mehr. Übung macht die Meister*innen und das hört eigentlich nie auf, auch bei uns nicht.

    Antworten
    • Liebe Frau Barbara Hutter,

      Vielen Dank für den Kommentar und die Gedanken zu meiner Kolumne.
      Ich denke, dies ist eine wertvolle Diskussion, die wir durchaus an der Uni führen sollten. Ich sehe dies als wertvolle Anregung für die nächste Lehrkonferenz, auch im Hinblick auf die kommenden Neubesetzungen von zwei Professuren.
      Ich würde mich über eine derartige Diskussion sehr freuen.

      Mit freundlichen Grüßen,
      Luisa Richter

      Antworten

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