Reaktivierung ist in Ering ein präsentes Thema. Die Gemeinde mit rund 2.000 Einwohner:innen liegt zwischen München und Linz im Landkreis Rottal-Inn, direkt an der deutsch-österreichischen Grenze. Im Dorf zeichnen sich für den ländlichen Raum typische Phänomene ab: Die Menschen ziehen vom Land in die Stadt für Bildung und Arbeit, der ländliche Raum versorgt die Stadt mit Ressourcen. Es herrschen Disparitäten und Problematiken zwischen der Stadt- und der Dorfbewohnerschaft.
Das könnte Sie auch interessieren
Schloss Ering: Baudenkmal ohne Nutzung
Und inmitten dieser Gegebenheiten befindet sich ein leerstehendes, unter Denkmalschutz stehendes Schloss. Dieser Zustand ist sechs Studierenden der TU München, die das Projekt vergangenes Semester an der Professur für Urban Design behandelt haben, ein Dorn im Auge. Die Reaktivierung der Räumlichkeiten des Schlosses soll Abhilfe für die momentanen Missstände schaffen. Doch wie kann das konkret aussehen? Welche Einrichtungen und Angebote braucht es, um das Leben im ländlichen Raum nachhaltig attraktiv zu gestalten?
Regionale Wertschöpfungsketten und lokale Beziehungen
Zunächst zielt das Projekt zur Reaktivierung darauf ab, Akteur:innen auf verschiedenen geografischen Maßstäben zu integrieren und das Schloss als Vermittler zu etablieren. Anfangs sollen niederschwellige Angebote wie Märkte, Stammtische oder gemeinsame Kochabende im Schloss mit Hilfe von Freiwilligen, Fördertöpfen und Spenden den Dorfkern revitalisieren.
Daraus resultieren nachfolgend größere Interventionen, die zum Beispiel vorsehen, Teile des Schlosses für eine Wohnnutzung zu sanieren oder ein jährlich stattfindendes Gewölbefest für Bewohner:innen und Tourist:innen ins Leben zu rufen. Ein erarbeiteter Interventionskalender gibt einen Überblick über die Angebote in Abstimmung mit dem Jahreszyklus. Das Projektteam fasst für die Reaktivierung fünf Themen ins Auge: Events, Bildung & Kultur, Übernachten & Wohnen, Selbstversorgung, Arbeitsplätze. Über die Jahre sollen sich regionale und lokale Prozessketten entwickeln, die Ering wieder beleben.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Reaktivierung des Dorfkerns statt Donut-Effekt
Das Projekt zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur punktuell Leerstand behebt, sondern sich im größeren Maßstab positiv auf seine Umgebung auswirkt. Denn Ering ist wie viele ländliche Regionen auch vom „Donut-Effekt“ betroffen: Leerstand im Ortskern und dafür hoher Flächenverbrauch am Ortsrand. Der Maßnahmenplan zur Reaktivierung, den die Studierenden aufstellen, ist also auf weitere Standorte (auch ohne Schloss) übertragbar. Wichtig ist, solche großen, meist zentral gelegenen Gebäude mit Schlüsselfunktion zu reaktivieren und zu nutzen.
Die nächsten Schritte sehen eine Vorstellung des Projektes bei der Gemeinde vor. „Uns geht es darum, das Thema und das Potenzial im Ort bekannt zu machen, um dort Akzeptanz und Partizipation zu erzielen“, so der Student Felix Lindemann.
Das könnte Sie auch interessieren
Neues Lehrformat: Studierende stellen die Aufgaben
Die Entwicklung des Projekts zur Reaktivierung fand in enger Abstimmung mit dem Schlossherrn Nikolaus Esterhazy statt, der auf die Professur für Urban Design mit seinem Vorhaben zukam. Sie geht mit ihrem Projektangebot nämlich neue, unkonventionelle Wege: Es gibt verschiedene Aufgabenstellungen innerhalb eines Semesterprojektes, die nicht mehr von der Professur, sondern von Studierenden oder Externen gestellt werden.
„Wir haben gemerkt, dass die Studierenden, wenn sie untereinander an verschiedenen Projekten arbeiten und sich dann gegenseitig kritisieren, besser vorantreiben.“, so Matthias Faul, der das Projekt betreut hat. Gemischte Teams aus Bachelor- und Masterstudierenden arbeiten gemeinsam an ihrem eigenen Projekt und stellen es in den sogenannten „Urban Design Conferences“ mit einem Stand, ähnlich wie bei einer Messe, anderen Studierenden, Kritiker:innen und Interessierten vor. Dort wird ein Erlebnismoment geschaffen, der die geplanten Interventionen, wie zum Beispiel den gemeinsamen Kochabend auf Schloss Ering, greifbar macht.
Die Studierenden profitieren von der extremen Diversität und bekommen neue Denkanstöße fürs eigene Projekt – trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen Aufgaben bei der Reaktivierung.
Johanna Lentzkow absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu:
Leider hat dieses Team bzgl Ering sich komplett geirrt. Das Schloss ist im Privatbesitz der Familie seit Erbauung, heute aufgeteilt in zwei Eigentümerparteien, von denen die eine einen Schlossflügel als Familiensitz auf eigene Kosten denkmalgerecht komplett saniert hat und auch die Höfe und Gärten nutzt. Die andere Eigentümerpartei lässt sich Zeit mit Renovation, seit die vormalige Eigentümerin verstarb. Es ist nicht im Sinne der Familie, hier im Ortskern auf den privaten Geländen Billigtourismus und grosse Wohnanlagen zu errichten. Vielmehr ist die Besonderheit dieses Objekts eben gerade, dass es im Ortskern liegt. Es ist also kein Donut Effekt, sondern, wenn planmässig die Fassade wieder renoviert wurde steht eben mit diesem Schloss ein eben etwas grösseres Privathaus wie auch bei seiner Erbauung vor 500 Jahren. Schloss Erings Besonderheit besteht eben darin, dass es seit über 500 Jahren lückenlos von immer derselben Familie bewohnt wird und eben keine „Wiederbelebung“ braucht.
Wie sagte einst Karl Valentin:
„Über kurz oder lang kann das nimmer länger so weitergehen, außer es dauert noch länger, dann kann man nur sagen, es braucht halt alles seine Zeit, und Zeit wär’s, dass es bald anders wird.“