Im pfälzischen Germersheim steht die klassizistische Stadtkaserne historisch-repräsentativ, aber bisher auch lästig herum – als Barriere zwischen der Altstadt und den Wiesen am Rhein. Der Nutzlosigkeit entspricht der dreieckige Freiraum zwischen Stadt und Kaserne: Er war bisher nach dem Motto „Innen Rasen, außen rum Bäume“ ziemlich fantasielos gestaltet. Jetzt will ein Privatinvestor aus der Kaserne ein Einkaufszentrum machen – und die Stadt will den zentralen Freiraum aufwerten.
Dafür lobte die 20.000-Einwohner-Gemeinde 2012 einen offenen Wettbewerb aus. Ihr Bau-Beigeordneter Norbert König „wollte nicht nur die uns bekannten Architekten einladen, sondern viele Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, was mit diesem Raum möglich ist. Da rieten uns die späteren Verfahrensbetreuer Kaupp + Franck zu einem offenen Wettbewerb.“ Das riecht nach einer Flut von Teilnehmern, aber König hatte keine Angst, darin unterzugehen. Freiraum- und Städtebauwettbewerbe sind nicht ganz so überlaufen wie die für Hochbauten. Und dafür, dass nicht jedes Büro zwischen Polarkreis und Portugal teilnahm, sorgte die Stadt mit einer beliebten kleinen List. Norbert König: „Wir haben verlangt, dass alle Teilnehmer an einem Kolloquium vor Ort teilnehmen mussten.“ Trotzdem waren Büros aus Italien, Österreich und den Niederlanden unter den 35 Interessenten, von denen schließlich 23 Entwürfe abgaben.
Die Jury-Entscheidung war einstimmig; renommierte Fachpreisrichter waren ebenso eingebunden wie Vertreter der Germersheimer Ratsparteien. Es gewann Karl Jochen aus Schwanau – ein bescheidener Architekt ohne eigene Website – mit der AG Freiraum aus Freiburg. Nach dem Sieger-entwurf wird das Gelände zum künftigen Einkaufszentrum hin terrassiert; man erreicht den Bau wie eine historische Burg über eine Brücke. Diese überquert auch den „Lichtgraben“ rund um das Gebäude-Souterrain, einen öffentlichen Gang unter Bodenniveau, aber offen zum Himmel.
Die Jury lobte die „städtebauliche Spannung“ sowie die „unterschiedlichen und qualitativ hochwertigen Gestaltungselemente“, etwa zwei steinerne Plätze und ihre Verbindung durch eine grüne Achse. Auch die verstärkte Erlebbarkeit des Einkaufs- und Dienstleistungszentrums durch die terrassierte und tiefergelegte Grünfläche fand Anklang bei den Preisrichtern.
Nächstes Jahr soll das Projekt mit einer Bausumme von sieben Millionen Euro starten. Der Beigeordnete Norbert König ist sich nach der guten Erfahrung sicher: „Hätten wir erneut ein Projekt dieser Art und Größe, würden wir natürlich wieder einen offenen Wettbewerb ausloben.“
Wettbewerbs-Steckbrief
Bauaufgabe: Aufwertung des öffentlichen Raums um die ehemalige Stadtkaserne Germersheim
Ausloberin: Stadt Germersheim
Verfahrensform: offener freiraumplanerischer und städtebaulicher Realisierungswettbewerb
Wettbewerbsbetreuer: Kaupp + Franck Architekten GmbH, Mannheim (DE)
Teilnehmer: 23
1. Preis: Karl Jochen Architekturwerkstatt, Schwanau, mit AG Freiraum, Freiburg im Breisgau
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